BT-Drucksache 18/5331

Sorbenfeindliche Vorfälle

Vom 24. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5331
18. Wahlperiode 24.06.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Susanna Karawanskij,
Katja Kipping, Caren Lay, Norbert Müller (Potsdam), Thomas Nord, Petra Pau,
Harald Petzold (Havelland), Kersten Steinke, Dr. Kirsten Tackmann, Frank Tempel,
Birgit Wöllert, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Sorbenfeindliche Vorfälle

Angehörige der sorbischen Minderheit beklagen zunehmend sorbenfeindliche
Vorfälle bis hin zu tätlichen Angriffen durch Rechtsextremisten. So schilderten
Jugendliche in einem Leserbrief an die sorbische Tageszeitung „Serbske No-
winy“, wie sie Mitte Oktober 2014 von etwa 15 vermummten, rechtsextrem aus-
gerichteten Jugendlichen nach einem Diskobesuch in Bautzen mit sorbenfeind-
lichen Parolen beleidigt und tätlich angegriffen wurden. Auch aus anderen Orten
um Bautzen wurden ähnliche Vorfälle von vermummten Angreifern gemeldet,
die sorbisch sprechende Jugendliche zusammenschlugen. Im März 2015 wurden
sieben bereits einschlägig bei rechtsextremen oder fremdenfeindlichen Demons-
trationen aufgefallene Tatverdächtige gefasst. Der frühere Vorsitzende des Bun-
des der Sorben „Domowina“, Jan Nuck, beklagt laut „Frankfurter Allgemeine
Zeitung“ eine starke Zunahme sorbenfeindlicher Tendenzen während der ver-
gangenen Jahre. So würden sorbenfeindliche Parolen auf Hauswände geschrie-
ben, sorbische Ortsbezeichnungen auf zweisprachigen Straßenschildern über-
malt oder Kruzifixe am Wegesrand zerstört.
In Deutschland leben etwa 60 000 Angehörige des slawischen Volks der Sorben.
Zwei Drittel davon leben in der sächsischen Oberlausitz, ein Drittel in der Nie-
derlausitz in Südbrandenburg. Die sorbenfeindlichen Übergriffe scheinen sich
dabei bislang auf die Oberlausitz zu konzentrieren (www.faz.net/aktuell/politik/
inland/rechtsextremismus/angriffe-auf-sorben-alter-hass-in-neuen-kleidern-
13509759.html).
Da das sorbische Volk eine in der Bundesrepublik Deutschland anerkannte
autochthone nationale Minderheit darstellt, dessen Bestandssicherung sowie
freie Sprach- und Kulturentfaltung durch den Einigungsvertrag zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der DDR garantiert wurden, gehen die Frage-
stellerinnen und Fragesteller von einer grundsätzlichen Bundeszuständigkeit bei
dieser Thematik trotz der wohnräumlichen Konzentration der Sorben auf zwei
Bundesländer aus.

Drucksache 18/5331 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellerinnen und Frage-

steller, dass die Thematik sorbenfeindlicher Tendenzen und Vorfälle auf-
grund der Stellung des sorbischen Volkes als anerkannte nationale Minder-
heit in der Bundesrepublik Deutschland, deren Bestandsschutz durch den
Einigungsvertrag garantiert wurde, nicht nur eine Landes- sondern auch
eine Bundesangelegenheit darstellt?
Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung?

2. Hat die Bundesregierung Kenntnisse von einer Zunahme sorbenfeindlicher
Vorfälle in den letzten Jahren, und wenn ja, wie bemisst sie eine solche Zu-
nahme?

3. Wie viele und welche sorbenfeindlichen Vorfälle im Einzelnen innerhalb
der letzten fünf Jahre sind der Bundesregierung bekannt, um welche Art von
Vorfällen aus welchen vermuteten Tatmotiven handelte es sich, wann und
wo ereigneten sich diese, welcher Schaden entstand dadurch, inwieweit
konnten Tatverdächtige festgestellt werden, in welchen Fällen handelte es
sich bei den Tatverdächtigen um bereits behördenbekannte Rechtsextremis-
ten, und in wie vielen Fällen kam es zu welchen Verurteilungen?

4. Auf welche Orte, Regionen und Bundesländer konzentrierten sich die sor-
benfeindlichen Vorfälle der vergangenen Jahre nach Kenntnis der Bundes-
regierung, und wie erklärt sie sich eine solche mögliche Konzentration?

5. Inwieweit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung eine Überschneidung
sorbenfeindlicher Vorfälle und allgemein fremdenfeindlicher oder rechts-
extremer Vorkommnisse in den betroffenen Orten, Regionen und Bundes-
ländern?

6. Sind der Bundesregierung explizit sorbenfeindliche Äußerungen von Ange-
hörigen rechtsextremer Gruppierungen bekannt, und wenn ja, welche, von
wem, und in welchem Kontext?

7. Inwieweit kann die Bundesregierung eine besondere Beunruhigung sorbi-
scher Verbandsvertreterinnen und -vertreter sowie generell von Angehöri-
gen dieser nationalen Minderheit über rechtsextrem motivierte sorbenfeind-
liche Vorfälle angesichts der Zwangsassimilation des sorbischen Volkes und
der politischen Verfolgung seiner führenden Vertreterinnen und Vertreter
während des Nationalsozialismus nachvollziehen?

8. Inwieweit ist den von sorbenfeindlichen Vorfällen besonders betroffenen
Regionen – vor dem Hintergrund der medialen Berichterstattung auch in
überregionalen Medien – dadurch nach Kenntnis der Bundesregierung ein
wirtschaftlicher Schaden in der Regionalentwicklung und insbesondere im
Bereich des Tourismus entstanden?

9. Inwieweit und zu welchem Zeitpunkt mit welchem Anliegen genau sind
sorbische Verbände oder Vertreterinnen und Vertreter sorbischer Institutio-
nen aufgrund sorbenfeindlicher Vorfälle an die Bundesregierung herange-
treten, und wie reagierte die Bundesregierung darauf?

10. Hat sich die Bundesregierung, eine Bundesbehörde oder eine angeschlos-
sene Institution bislang mit sorbenfeindlichen Vorfällen befasst, und wenn
ja, wann, zu welcher Gelegenheit, und mit welchem Ergebnis?

11. Hat sich das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum
mit sorbenfeindlichen Vorfällen beschäftigt, und wenn ja, wann, wie oft, mit
welchen Arbeitsgruppen, und mit welchen Schlussfolgerungen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5331

12. Haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung Landesregierungen bislang
mit sorbenfeindlichen Vorfällen befasst, und wenn ja, wann, zu welcher Ge-
legenheit, und mit welchem Ergebnis?

13. Wie erklärt sich die Bundesregierung eine von Vertreterinnen und Vertretern
sorbischer Verbände beklagte Zunahme sorbenfeindlicher Tendenzen wäh-
rend der letzten Jahre?

14. Hat die Bundesregierung irgendwelche Studien zur Erforschung sorben-
feindlicher Tendenzen und Vorfälle bzw. der daraus resultierenden Sorgen
der sorbischen Bevölkerung in Auftrag gegeben, und wenn ja, wann, bei
welcher Institution, und mit welchem Ergebnis?
Welche sonstigen Untersuchungen zu dieser Thematik sind der Bundes-
regierung bekannt?

15. Welche Maßnahmen haben die Bundesregierung – und nach ihrer Kenntnis
die Landesregierungen von Sachsen und Brandenburg – bislang unternom-
men oder für die Zukunft geplant, um gegen sorbenfeindliche Tendenzen
vorzugehen und auf das besondere Sicherheitsbedürfnis des sorbischen Vol-
kes einzugehen?

16. Welche sonstigen Maßnahmen auf Bundesebene – und nach Kenntnis der
Bundesregierung – Landesebene und kommunaler Ebene sowie durch
Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und sonstige Verbände zur Festi-
gung des friedlichen Zusammenlebens und des Vertrauensverhältnisses
zwischen dem sorbischen Volk und der Mehrheitsgesellschaft sind der
Bundesregierung bekannt?

Berlin, den 23. Juni 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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