BT-Drucksache 18/52

Entwurf eines Gesetzes zur Stabilisierung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzgesetz 2014)

Vom 14. November 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/52

18. Wahlperiode 14.11.2013

Gesetzentwurf

der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Katja Kipping, Azize Tank, Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Birgit Wöllert,
Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Gesetzes zur Stabilisierung der Beitragssätze in der

gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzgesetz 2014)

A. Problem

Nach der bestehenden Gesetzeslage muss der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversi-
cherung vom 1. Januar eines Jahres gesenkt werden, wenn am 31. Dezember dieses
Jahres bei Beibehaltung des bisherigen Beitragssatzes die Höchstnachhaltigkeitsrückla-
ge von 1,5 Monatsausgaben voraussichtlich überschritten wird (§ 158 des Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch – SGB VI). Dies ist laut Angaben der Deutschen Rentenversi-
cherung Bund (veröffentlicht am 29. Oktober 2013) der Fall. Damit droht zum 1. Januar
2014 eine erneute Beitragssatzsenkung: Der Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversi-
cherung müsste demnach auf 18,3 Prozent sinken. Dies würde dringend notwendige
systemgerecht aus Beiträgen zu finanzierende Leistungsverbesserungen der gesetzlichen
Rente wie Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten und des Leistungsniveaus
auf längere Zeit erheblich erschweren oder gar verhindern. Außerdem würde es dazu
führen, dass die Rücklagen der gesetzlichen Rentenversicherung rasch abschmelzen
würden. Ein deutlicher Beitragssatzanstieg und eine Beschädigung des Vertrauens in die
gesetzliche Rentenversicherung wären die Folge. Das Gesetz muss daher noch im Laufe
dieses Jahres geändert werden.

B. Lösung

Durch den Verzicht auf die Begrenzung der Rücklagen bei gleichzeitiger Stabilisierung
der derzeit gültigen Beitragssätze wird der Automatismus zur Senkung der Beitragssätze
außer Kraft gesetzt und die unmittelbar drohende Einengung der politischen Handlungs-
spielräume für dringend notwendige Leistungsverbesserungen verhindert.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Durch die Anbindung des allgemeinen Bundeszuschusses an die Beitragssatzentwick-
lung erhöhen sich die jährlichen Ausgaben des Bundes in 2014 gegenüber dem Alterna-
tivszenario eines Beitragssatzes von 18,3 Prozent um 1,1 Mrd. Euro.

Drucksache 18/52 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zur Stabilisierung der Beitragssätze in der
gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzgesetz 2014)

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Gesetz zur Weitergeltung des Beitragssatzes 2013 in der gesetzlichen Rentenversicherung

Der Beitragssatz beträgt für das Jahr 2014 in der allgemeinen Rentenversicherung 18,9 Prozent und in
der knappschaftlichen Rentenversicherung 25,1 Prozent. Im Übrigen bleibt die Regelung des § 158 Ab-
satz 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch unberührt.

Artikel 2

Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch

§ 158 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – in der Fassung der
Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl. I S. 754, 1404, 3384), das zuletzt durch … geändert wor-
den ist, wird wie folgt geändert:

1. Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung ist vom 1. Januar eines Jahres an zu verän-
dern, wenn am 31. Dezember dieses Jahres bei Beibehaltung des bisherigen Beitragssatzes die Mittel
der Nachhaltigkeitsrücklage das 0,2fache der durchschnittlichen Ausgaben zu eigenen Lasten der Trä-
ger der allgemeinen Rentenversicherung für einen Kalendermonat (Mindestrücklage) voraussichtlich
unterschreiten.“

2. Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Der Beitragssatz ist so neu festzusetzen, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen unter Berück-
sichtigung der voraussichtlichen Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68
Absatz 2 Satz 1) und der Zahl der Pflichtversicherten zusammen mit den Zuschüssen des Bundes und
den sonstigen Einnahmen unter Berücksichtigung von Entnahmen aus der Nachhaltigkeitsrücklage
ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben in dem auf die Festsetzung folgenden Kalenderjahr zu
decken und sicherzustellen, dass die Mittel der Nachhaltigkeitsrücklage am Ende dieses Kalenderjah-
res im Falle von Absatz 1 Satz 1 dem Betrag der Mindestrücklage voraussichtlich entsprechen.“

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2014 in Kraft.

Berlin, den 14. November 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/52

Begründung

A. Allgemeines

Nach § 158 Absatz 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) ist nach geltendem Recht der
Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 1. Januar eines Jahres zu verändern, wenn zum
31. Dezember dieses Jahres bei Beibehaltung des bisherigen Beitragssatzes die Mittel der Höchstnachhal-
tigkeitsrücklage das 1,5fache der durchschnittlichen Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung zu
eigenen Lasten für einen Kalendermonat voraussichtlich überschreiten. Die Regelung führt dazu, dass vor
dem Hintergrund der prognostizierten Entwicklung der Einnahmen und der Ausgaben der Rentenversiche-
rung ab dem Jahr 2014 eine weitere Absenkung des Beitragssatzes erfolgt. Bereits zum 1. Januar 2013 ist
es durch diesen Mechanismus zu einer Senkung des Beitragssatzes von 19,6 Prozent auf 18,9 Prozent ge-
kommen.

Eine weitere Absenkung wird dazu führen, dass die Reserven der Rentenversicherung schnell abschmelzen
werden und der dann erwartete starke Beitragssatzanstieg deutlich schneller notwendig sein wird, als bisher
erwartet. Dieser birgt die Gefahr eines Akzeptanzverlustes der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenver-
sicherung. Außerdem erschwert die Absenkung des Beitragssatzes dringend notwendige systemgerecht aus
Beiträgen zu finanzierende Verbesserungen der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung wie Ver-
besserungen bei den Erwerbsminderungsrenten und des Rentenniveaus. Weite Teile der Bevölkerung leh-
nen eine Beitragssatzsenkung ebenfalls ab. Wie aus einer Umfrage des Instituts Forsa vom August 2013
hervorgeht, wollen 84 Prozent der Befragten die Überschüsse der gesetzlichen Rentenversicherung lieber
aufgespart sehen, um Altersarmut und Kürzungen der Rente für die Jungen entgegenzuwirken. Lediglich
10 Prozent befürworten eine Absenkung. Da die Diskussionen über notwendige Leistungsverbesserungen
unter den im Bundestag vertretenen Parteien noch nicht abgeschlossen sind, ist die Stabilisierung des Bei-
tragssatzes auf dem gegenwärtigen Stand auch eine Maßnahme, um Zeit und Handlungsspielräume für eine
Neuausrichtung der Rentenpolitik zu gewinnen. Weitere Veränderungen der gesetzlichen Grundlagen der
Beitragssatzentwicklung können dann gegebenenfalls folgen. Die Mehreinnahmen, die durch eine Stabili-
sierung und gegebenenfalls später einzuleitende Anhebung des Beitragssatzes generiert werden, sind für
systemgerecht aus Beiträgen zu finanzierende Leistungsverbesserungen zu verwenden und nicht zur Finan-
zierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben, die aus Steuermitteln zu bestreiten sind.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Gesetz zur Weitergeltung des Beitragssatzes 2013 in der gesetzlichen Rentenversiche-
rung)

Artikel 1 regelt die Weitergeltung des derzeitigen Beitragssatzes von 18,9 Prozent in der allgemeinen und
25,1 Prozent in der knappschaftlichen Rentenversicherung für das Jahr 2014.

Zu Artikel 2 (Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch)

Durch die Neufassung des § 158 Absatz 1 Satz 1 wird die Regelung einer Höchstnachhaltigkeitsrücklage
gestrichen. In den kommenden Jahren steigt somit das Volumen der Rücklagen der Rentenversicherung
über den bisherigen Wert von maximal 1,5 Monatsausgaben, die Beitragssatzentwicklung wird so stabili-
siert und verstetigt. Die Neufassung des § 158 Absatz 2 Satz 1 ist eine Folgeänderung.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Artikel 3 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2014.

Drucksache 18/52 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

C. Finanzielle Auswirkungen

I. Auswirkungen auf den Beitragssatz in der Rentenversicherung

Eine Stabilisierung des Beitragssatzes in der angestrebten Weise führt dazu, dass er im Jahr 2014 nicht
absinkt, sondern auf dem gegenwärtigen Niveau von 18,9 Prozent stabilisiert werden kann. Die gesetzliche
Rentenversicherung wird dadurch ca. 6 Mrd. Euro mehr an Beitragseinnahmen zur Verfügung haben, als
wenn der Beitragssatz auf 18,3 Prozent sänke. Zusammen mit den Bundeszuschüssen stünden insgesamt ca.
7,4 Mrd. Euro mehr zur Verfügung.

II. Auswirkungen auf den Bundeszuschuss zur Rentenversicherung

Der allgemeine Bundeszuschuss zur Rentenversicherung ist sowohl an die Veränderung der Bruttolöhne
und -gehälter je Arbeitnehmer gekoppelt als auch an die Entwicklung des Beitragssatzes; eine Veränderung
des Beitragssatzes um 0,1 Prozentpunkte wirkt sich auf den Bundeszuschuss derzeit um ca. 185 Mio. Euro
aus. Somit würde der Bundeszuschuss bei einem Beitragssatz von 18,9 Prozent im Jahr 2014 gegenüber
dem Alternativszenario eines Beitragssatzes von 18,3 Prozent um 1,1 Mrd. Euro höher ausfallen, der Bei-
trag des Bundes für die Kindererziehungszeiten um 370 Mio. Euro.

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