BT-Drucksache 18/5030

Diskussion um den Entwurf einer Verordnung der Europäischen Union zu Konfliktmineralien

Vom 22. Mai 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5030
18. Wahlperiode 22.05.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Caren Lay, Niema Movassat, Karin Binder, Christine
Buchholz, Wolfgang Gehrke, Annette Groth, Andrej Hunko, Sabine Leidig,
Birgit Menz, Dr. Kirsten Tackmann, Kathrin Vogler, Hubertus Zdebel und der
Fraktion DIE LINKE.

Diskussion um den Entwurf einer Verordnung der Europäischen Union
zu Konfliktmineralien

Die Europäische Union (EU) nimmt eine bedeutende Rolle im Rohstoffhandel
ein. Unternehmen bringen Rohstoffe im Wert von vielen Milliarden Euro nach
Europa, bislang ohne offenlegen zu müssen, ob diese Importe aus so genannten
Hochrisikogebieten kommen, wo sie bewaffnete Gruppen oder gravierende
Menschenrechtsverletzungen finanzieren. Insbesondere Zinn, Tantal (Coltan),
Wolfram und Golderze werden als „Konfliktrohstoffe“ bezeichnet. So führen
deren Abbau, Weiterverarbeitung und Handel, etwa in der Demokratischen Re-
publik Kongo und den umliegenden Ländern, immer wieder zu gewalttätigen
Konflikten und schweren Menschenrechtsverletzungen. Im Jahr 2013 entfiel
fast ein Viertel (28,5 Mrd. Euro) des globalen Handels mit Zinn, Wolfram, Tan-
tal und Golderzen auf die EU. Im gleichen Jahr wurden 240 Millionen Handys
weitgehend unkontrolliert in die EU importiert, die alle diese Mineralien enthal-
ten. Deutschland ist Europas größter Importeur von Handys, allein im Jahr 2013
waren es 28,6 Millionen Stück mit einem Gesamtwert von 18,2 Mrd. Euro.
Das Europäische Parlament (EP) befasst sich derzeit mit dem Vorschlag der Eu-
ropäischen Kommission für eine Verordnung „zur Schaffung eines Unionssys-
tems zur Selbstzertifizierung der Erfüllung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette
durch verantwortungsvolle Einführer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen
und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten“ (COM(2014) 0111). Über die
Notwendigkeit einer solchen Verordnung besteht breiter Konsens. Die Organi-
sation der Vereinten Nationen (UNO), die Organisation für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (OECD), die USA und mehrere afrikanische
Länder haben bereits Maßnahmen beschlossen, die Unternehmen verpflichten,
ihre Lieferketten zu überprüfen.
Zugleich gehen die Meinungen darüber auseinander, ob der Vorschlag der Euro-
päischen Kommission diesem Anspruch gerecht wird. Denn der Vorschlag sieht
lediglich vor, dass sich europäische Unternehmen im vorgelagerten Bereich
(„upstream“, also von der Mine bis zur Schmelze, Raffinerie bzw. Verhüttung)
freiwillig zertifizieren lassen können. Der Verordnungs-Entwurf der Europä-
ischen Kommission soll nur für Unternehmen gelten, die Zinn, Tantal (Coltan),
Wolfram und Golderze direkt importieren und nicht für Unternehmen, die Teil-
oder Endprodukte einführen oder herstellen, welche diese Rohstoffe enthalten
(der so genannte Downstream-Bereich). Dies bedeutet auch, dass im EU-Ent-
wurf nur sehr wenige Rohstoffe als „Konfliktmineralien“ klassifiziert werden.

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Es ist zu erwarten, dass die Beschränkung auf den vorgelagerten Bereich, die be-
reits existierende verbindliche Zertifizierung von europäischen bzw. deutschen
Unternehmen, die Teil der Lieferkette US-börsennotierter Unternehmen bilden
sowie die in der EU-Verordnung vorgesehene Freiwilligkeit, die Anzahl der Un-
ternehmen, die zu einer Zertifizierung bereit sind, stark einschränken und nur
einen kleinen, außerdem auf Europa beschränkten Teil der Wertschöpfung erfas-
sen wird. Die meisten Schmelzen liegen in Asien, insbesondere in China, Indo-
nesien, Japan und Thailand. Diese sind mehrheitlich nicht zertifiziert.
Der Entwicklungsausschuss des EP hat am 9. März 2015 nahezu einstimmig
eine Stellungnahme beschlossen, die Änderungen an dem Vorschlag fordert. Der
Ausschuss schlägt insbesondere vor, den Geltungsbereich der Verordnung auf
die gesamten Lieferketten, auf alle Einführer von Mineralien-enthaltenden Pro-
dukten und auf weitere Rohstoffe auszuweiten und die in der Verordnung vorge-
sehenen Sorgfaltspflichten für alle einführenden Unternehmen verpflichtend
festzulegen, anstatt sich auf freiwillige Selbstzertifizierung zu verlassen Diese
Forderungen werden von vielen entwicklungspolitischen Organisationen unter-
stützt.
Der Handelsausschuss des EP folgte der Stellungnahme des Entwicklungsaus-
schusses in seiner Mehrheit nicht, setzte sich jedoch für eine deutliche Stärkung
des Vorschlags der Europäischen Kommission ein, indem er eine verpflichtende
Anwendung der Sorgfaltspflichten für europäische Hüttenwerke und Raffine-
rien empfahl. Durch diesen Ansatz würde immerhin ein Großteil der europä-
ischen Rohstoffimporte der aufgelisteten Mineralien reguliert, wenngleich die
Einfuhr von Konfliktmineralien in bereits verarbeitenden Produkten weiterhin
unreguliert bliebe.
Die Bundesregierung knüpft den Erfolg der nationalen Umsetzung der freiwilli-
gen Selbstverpflichtung zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen beim Abbau und
Handel von bzw. mit Rohstoffen daran, dass sich genügend Unternehmen zur
Selbstzertifizierung bereit erklären. Eine offizielle Stellungnahme der Bundes-
regierung zur Debatte um die Verordnung liegt nicht vor. Berichten zufolge (Re-
port München, 1. April 2014) soll sie sich bislang aber gegen strengere Transpa-
renzregeln ausgesprochen haben.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Mit welcher Position hinsichtlich der in den Ausschussberatungen im EP auf-

geworfenen Punkte geht die Bundesregierung in die Beratungen im Rat?
Befürwortet sie die Einbeziehung des nachgelagerten Teils der Wertschöp-
fung in die Sorgfaltspflicht (bitte begründen)?
Spricht sie sich für eine verbindliche Sorgfalts- und Offenlegungspflicht an-
statt für eine freiwillige Zertifizierung aus (bitte begründen)?
Befürwortet sie die Ausweitung der Sorgfaltspflicht auf alle Importeure von
Produkten, die gelistete Rohstoffe enthalten (bitte begründen)?
Befürwortet sie die Öffnung der Liste für weitere Rohstoffe (bitte begründen)?

2. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass sich die Sorgfalts-
pflicht im Rahmen der Verordnung auch auf die Einhaltung von Arbeitsstan-
dards gemäß der ILO-Kernarbeitsnorm (ILO – Internationale Arbeitsorgani-
sation) bei dem Abbau und Handel mit Rohstoffen aus Konfliktregionen
erstreckt?

3. Wie viele und welche nicht ohnehin schon zertifizierten deutschen Unterneh-
men wären von der EU-Verordnung potenziell betroffen, wenn sich der Vor-
schlag der Europäischen Kommission durchsetzt?

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4. Wie viele und welche nicht ohnehin schon zertifizierten deutschen Unter-
nehmen wären von der EU-Verordnung potenziell betroffen, wenn sich der
Vorschlag des Entwicklungsausschusses des EP durchsetzt?

5. Wie viele und welche nicht ohnehin schon zertifizierten deutschen Unter-
nehmen wären von der EU-Verordnung betroffen, wenn sich der Vorschlag
des Handelsausschusses des EP durchsetzt?

6. Wie will die Bundesregierung, im Falle, dass es bei einer freiwilligen
Selbstzertifizierung bleibt, sicherstellen, dass sich genügend Schmelzen
bzw. Erstimporteure in die EU daran beteiligen, sodass mittelbar positive
Auswirkungen auf das soziale Umfeld in Konflikt- und Risikogebieten zu
erwarten sind, in denen die genannten Rohstoffe produziert werden?

7. Wie will die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Überprüfung und
Veröffentlichung von Selbstzertifizierungen Transparenz sicherstellen?

8. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Öffentlichkeit auch über jene
Unternehmen informiert wird, die sich nicht zertifizieren lassen bzw. im
Zertifizierungsprozess scheitern?

9. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass im nachgelagerten Bereich dann
auch tatsächlich von den zertifizierten europäischen bzw. deutschen Schmel-
zen gekauft wird und nicht von nichtzertifizierten Schmelzen im In- und
Ausland?

10. Wie schätzt die Bundesregierung die Gefahr der Abwanderung von Schmel-
zen in Länder des Südens ein?

11. Wie kann die Verbraucherin bzw. der Verbraucher sicher gehen, dass das
von ihm bzw. ihr erworbene Produkt auch im nachgelagerten Bereich kon-
fliktfrei ist?

12. Gibt es Absichten der Bundesregierung, im Bereich der Regulierung der öf-
fentlichen Beschaffung von Rohstoffen aktiv zu werden, um Anreize für die
Einhaltung der Sorgfaltspflicht im nachgelagerten Bereich zu schaffen?
Wenn ja, wie sehen diese aus?

13. Plant die Bundesregierung, in ihrer öffentlichen Beschaffung Konfliktmine-
ralien auszuschließen?
Wenn ja, welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung?

14. Plant die Bundesregierung, in ihrer öffentlichen Beschaffung auch andere
Konfliktrohstoffe auszuschließen, als die in der EU-Verordnung aufgeliste-
ten?
Wenn ja, welche Rohstoffe?

15. Welche Konfliktmineralien wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in
den vergangenen zehn Jahren in Deutschland recycelt, und in welchen Men-
gen?

16. Aus welchen Abfällen stammen diese Mineralien nach Kenntnis der Bun-
desregierung?

17. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Quote aus in Verkehr
gebrachten Konfliktmineralien zu eingesammelten Konfliktmineralien, auf-
geteilt nach Branchen?

18. Welche Recyclingverfahren sind der Bundesregierung bekannt, um noch
weitere Konfliktmineralien wiederzugewinnen?

19. Hat die Bundesregierung vor, weitere Verfahren im Maßstab des Techni-
kums oder im industriellen Maßstab zu fördern?

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20. Welche Konfliktmineralien wären gut oder besser recycelbar, wenn die sie
enthaltenen Produkte vorher per Hand demontiert werden, z. B. durch Zu-
griff auf Tantal-Kondensatoren?

21. Wann plant die Bundesregierung, materialspezifische Recyclingziele in
Deutschland zu formulieren?
Wenn die Bundesregierung dies nicht plant, wird sie die Europäische Kom-
mission auffordern, entsprechende Ziele zu formulieren?

22. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass mehr Elektrogeräte und Altfahr-
zeuge als bisher und als in den Entwürfen des Elektrogerätegesetzes und der
Altfahrzeugverordnung erfasst werden und die Logistik im Abfallregime ille-
gale Verbringungen in das außerhalb der OECD befindliche Ausland ver-
hindert werden?

23. Plant die Bundesregierung über die Beweislastumkehr weitere Anforderun-
gen für die Abfallwirtschaft?

24. Welche Maßnahmen und gesetzlichen Regelungen zur Wiederverwendung
von Elektrogeräten plant die Bundesregierung, um die Nutzung von Geräten
zu verlängern und damit die Nachfrage nach Konfliktmineralien aus Deutsch-
land auf das notwendige Maß zu reduzieren?

25. Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass Wiederverwendungs-
betriebe Zugriff auf die funktionstüchtigen Altgeräte an Sammelstellen in
Handel und bei öffentlich-rechtlichen Entsorgern erhalten?

Berlin, den 22. Mai 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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