BT-Drucksache 18/4920

Austausch von Fingerabdrücken und DNA-Daten mit den USA

Vom 12. Mai 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4920
18. Wahlperiode 12.05.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan Korte,
Christine Buchholz, Annette Groth, Ulla Jelpke, Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau,
Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Kathrin Vogler,
Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Austausch von Fingerabdrücken und DNA-Daten mit den USA

Zahlreiche europäische Länder haben in den letzten Jahren mit den USA so ge-
nannte Preventing and Combating Serious Crime-Abkommen (PCSC) über den
bilateralen Austausch personenbezogener Daten unterzeichnet (Bundestags-
drucksache 17/6965). Ausdrückliches Vorbild für diese PCSC ist das Abkom-
men zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regie-
rung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammen-
arbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität,
das am 1. Oktober 2008 in Washington D. C. unterzeichnet wurde (Bundestags-
drucksache 18/1739). Trotz erheblicher datenschutzrechtlicher Bedenken der
Oppositionsparteien, des Bundesrates und des Bundesbeauftragten für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit wurde das Abkommen am 3. Juli 2009
vom Deutschen Bundestag ratifiziert. Indes kam es in den USA als „executive
agreement“ niemals im Kongress zur Abstimmung.
Nach dem Vorbild des Vertrages von Prüm sieht das Abkommen automatisierte
Abfragen der nationalen Polizeidatenbanken mit Fingerabdrücken und DNA-
Profilen zu Zwecken der Verfolgung – und im Falle der Fingerabdruckdaten
auch zur vorausschauenden Verhinderung – „schwerwiegender Kriminalität“
vor. Darüber hinaus können zum Zweck der Verhinderung „terroristischer Straf-
taten“ ohne vorheriges Ersuchen auch sensible personenbezogene Daten, z. B.
zum Sexualleben oder der politischen Gesinnung von Betroffenen, in so genann-
ten Spontanübermittlungen an die andere Vertragspartei weitergegeben werden.
Daten, die die Vertragsparteien nach diesem Abkommen gewonnen haben, dür-
fen für den Zweck strafrechtlicher Ermittlungen und zur Verhinderung einer
„ernsthaften Bedrohung für die öffentliche Sicherheit“ sowie in Gerichts- und
Verwaltungsverfahren, die im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungs-
verfahren stehen, weiterverarbeitet und gespeichert werden.
Mit Einverständnis der datenübermittelnden Vertragspartei können die Daten
auch zu jedem anderen Zweck weiterverarbeitet sowie an Drittstaaten, interna-
tionale Organisationen und selbst an Privatunternehmen weitergegeben werden.
Artikel 11 des Abkommens betont, dass „Privatpersonen aus dem Abkommen
keine Rechte erwachsen“. Das Recht zur Korrektur oder Löschung von übermit-
telten Daten bleibt allein den datenübermittelnden Behörden vorbehalten. Die
Details der Datenverarbeitung sowie die Möglichkeiten zur Wahrnehmung von
Betroffenenrechten überlässt das Abkommen dem jeweiligen nationalen Recht.
Allerdings ist das Datenschutzrecht in den USA nur rudimentär entwickelt und
ein Auskunftsrecht existiert für Bürgerinnen und Bürger aus anderen Staaten

Drucksache 18/4920 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
nicht. Abhilfe schaffen soll das deutsche Gesetz zur Umsetzung des Abkom-
mens (BGBl. 2009 I Nr. 59, S. 2998 f.), das das Bundeskriminalamt (BKA) als
nationale Kontaktstelle für den bilateralen Informationsaustausch benennt und
Betroffenen das Recht einräumt, dort eine Auskunftserteilung bei der zuständi-
gen US-amerikanischen Kontaktstelle zu beantragen. Allerdings kann das BKA
als Stellvertreter der Betroffenen es unterlassen, diese über den Inhalt der von
US-Stellen erteilten Auskunft zu unterrichten, wenn dadurch die „ordnungsge-
mäße Erfüllung“ seiner Aufgaben oder die „öffentliche Sicherheit oder Ord-
nung“ gefährdet wäre oder dem „Wohle des Bundes oder eines Landes Nach-
teile“ bereitet würden. Der Schutz Betroffener vor behördlicher Willkür ist da-
mit weder jenseits noch diesseits des Atlantiks hinreichend gesichert.
Auf Bundestagsdrucksache 17/6965 hatte die Bundesregierung vor vier Jahren
erklärt, das „Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch-
land und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertie-
fung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwie-
gender Kriminalität“ sei am 1. Oktober 2008 unterzeichnet worden, die Rege-
lungen zum automatisierten Austausch von DNA-Profilen seien aber noch nicht
in Kraft getreten.
Im Jahr 2014 teilte die Bundesregierung mit, als technisches Abkommen sei im
Juni 2012 das so genannte Administrative and Technical Implementation Agree-
ment (ATIA; Implementing Arrangement) gezeichnet worden (Bundestags-
drucksache 18/1198). Jedoch seien „Einzelheiten der technischen Ausgestal-
tung“ noch nicht geregelt. Auch hätten die USA für den Datenaustausch nach
Artikel 9 des Abkommens noch keine Kontaktstelle benannt. Weder der Abruf
von daktyloskopischen Daten noch die Verarbeitung von DNA-Profilen seien
also im Wirkbetrieb. Auch die „Entwicklung und Installation“ der notwendigen
Software dauere aber an. Ein Ende „technischer und fachlicher Tests“ sei nicht
vor Mitte des Jahres 2014 zu erwarten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche neuen Details kann die Bundesregierung zur technischen Umsetzung

des „Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland
und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung
der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegen-
der Kriminalität“ mitteilen (Bundestagsdrucksachen 18/1198 und 18/1739)?

2. Wann sind die Regelungen zum automatisierten Austausch von DNA-Profi-
len und Fingerabdrücken in Kraft getreten?

3. Wie viele Anfragen für einen automatisierten Datenabruf hat es seit Beginn
des Wirkbetriebs zwischen den Vertragspartnern gegeben (bitte nach abfra-
gender Kontaktstelle und Datenkategorie aufschlüsseln)?

4. Wie viele Übereinstimmungen von daktyloskopischen Daten oder DNA-
Profilen nach Artikel 4 bzw. 7 des Abkommens hat es seitdem gegeben (bitte
nach abfragender Kontaktstelle, Datenkategorien und Deliktarten aufschlüs-
seln)?

5. In wie vielen Fällen einer Übereinstimmung wurden im Rahmen der Rechts-
hilfe weitere personenbezogene und sonstige Daten übermittelt (bitte nach
abfragender Kontaktstelle, Datenkategorie und Deliktarten aufschlüsseln)?

6. Wie viel Zeit vergeht in der Regel zwischen der Feststellung einer Überein-
stimmung von automatisiert abgerufenen Daten und der Übermittlung weite-
rer personenbezogener und sonstiger Daten im Rahmen der Rechtshilfe?

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7. In wie vielen und welchen Fällen hat das BKA entsprechend Artikel 13
Absatz 1 des Abkommens seine Zustimmung zur Weiterverarbeitung der
übermittelten Daten zu anderen als den im Abkommen vorgesehenen Zwe-
cken gegeben, und mit welcher Begründung?

8. In wie vielen Fällen wurde das BKA ersucht, stellvertretend für möglicher-
weise Betroffene bei US-amerikanischen Stellen, um Auskunft zu dort über
sie gespeicherten Daten zu ersuchen?
a) Wurden solche Anfragen durch die US-amerikanischen Kontaktstellen

jemals verweigert, und wenn ja, wie häufig?
b) Wie häufig machte das BKA von seiner Möglichkeit Gebrauch, Betrof-

fene nicht über entsprechende Auskünfte zu unterrichten?
9. Falls der automatisierte Datenabruf noch nicht im Wirkbetrieb ist, wie ist

der aktuelle Stand der Umsetzung, welcher Natur sind etwaige Hindernisse,
und wann ist die Aufnahme des Wirkbetriebes zu erwarten?

10. Welche Kontaktstelle für den Datenaustausch nach Artikel 9 des Abkom-
mens haben die USA benannt?

11. Wann wurde die „Entwicklung und Installation“ der notwendigen Software
abgeschlossen?

12. Was kann die Bundesregierung zum Ende und zum Ergebnis „technischer
und fachlicher Tests“ mitteilen?

13. Wer hatte die Tests auf deutscher und nach Kenntnis der Bundesregierung
auf US-Seite durchgeführt?

14. Was ist damit gemeint, wenn die Bundesregierung schreibt, das Bundeskri-
minalamt habe „die technischen Voraussetzungen für den Datenaustausch“
von daktyloskopischen Daten geschaffen (bitte die „Voraussetzungen“ skiz-
zieren)?

15. Wer ist oder war auf deutscher Seite für das technische Verfahren für den
Austausch von DNA-Daten verantwortlich, und wer wurde mit der Einrich-
tung erforderlicher Komponenten beauftragt?

16. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, wer auf US-Seite mit der Ein-
richtung der technischen Infrastruktur sowie der „Entwicklung und Installa-
tion“ der für den Datenaustausch notwendigen Software (daktyloskopische
Daten und DNA-Daten) beauftragt ist?

17. Inwiefern kann die Bundesregierung mittlerweile ausschließen, dass die
US-Unternehmen Booz Allen Hamilton Inc. und CSC Solutions oder deren
Tochterfirmen entsprechende Arbeiten übernehmen?

18. Wie viele bzw. welche Loci werden im Rahmen einer „Hit/no-hit-Abfrage“
miteinander verglichen?

19. Welche Loci werden nach Kenntnis der Bundesregierung in der CODIS-
Datenbank der USA archiviert, und inwiefern ist diese ähnlich strukturiert
wie die entsprechende BKA-Datenbank?

20. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern das EURODAC-
System komplett durch eine neue Architektur ersetzt werden soll, und wann
würde das alte System dann abgeschaltet?

21. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche Mitgliedstaaten der
Europäischen Union noch nicht an die EURODAC-Datenbank angeschlos-
sen sind?

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22. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die EURODAC-
Datenbank nur von Ländern abgefragt werden darf, die auch am Prüm-Ver-
fahren teilnehmen?

23. Wie soll nach Kenntnis der Bundesregierung der technische und rechtliche
Zugang zu EURODAC-Abfragen für lediglich mit der Datenbank assozi-
ierte Staaten geregelt werden?

24. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern mittlerweile ein
technischer Zugang von Europol zu EURODAC und VIS umgesetzt ist?

25. Inwiefern und unter welchen Umständen ist es Betroffenen in Deutschland
möglich, die Abgabe von Fingerabdrücken für EURODAC zu verweigern?

26. Inwiefern und nach welcher Maßgabe setzen Bundesbehörden Zwangsmit-
tel ein, um von Betroffenen Fingerabdrücke für EURODAC zu nehmen?

27. Welche Nachteile (auch Speicherung des Vorganges in Datenbanken) ent-
stehen den Betroffenen bei einer Weigerung der Abgabe von Fingerab-
drücken?

28. Wie viele Fingerabdrücke sind nach Kenntnis der Bundesregierung im
SIS II gespeichert, und wie viele davon wurden von deutschen Behörden
eingestellt?

29. Welchen Umfang haben die deutschen polizeilichen DNA- und Fingerab-
druckdatenbanken im Vergleich zu den Vorjahren (bitte wie auf Bundestags-
drucksache 18/1739 darstellen)?

30. Wie unterteilen sich die Personendatensätze in „Kapitalverbrechen“ und al-
len anderen Kriminalitätsformen, die nach Kenntnis der Fragesteller als
„Wiederholungstat“ deklariert sein müssen, um die Erstellung und Speiche-
rung eines DNA-Profils überhaupt zu ermöglichen?

Berlin, den 12. Mai 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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