BT-Drucksache 18/480

Rekrutierung von Minderjährigen für die Bundeswehr beenden - Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention vollständig umsetzen

Vom 11. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/480
18. Wahlperiode 11.02.2014

Antrag
der Abgeordneten Katrin Kunert, Diana Golze, Wolfgang Gehrcke, Jan van
Aken, hristine Buchholz, evi Da delen, Dr. Diether Deh , Annette
Groth, Heike Hänsel, Dr. André Hahn, Dr. Rosemarie Hein, Inge Höger,
Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Michael Leutert, Stefan Liebich, Niema
Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Frank Tempel, Alexander Ulrich, Kathrin
Vogler, Harald Weinberg, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Rekrutierung von Minderjährigen für die Bundeswehr beenden –
Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention vollständig umsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland hat das Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention betref-
fend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten mit erarbeitet und
am 13. Dezember 2004 ratifiziert. Zusätzlich hat die Bundesregierung im Rah-
men der Mitgliedschaft Deutschlands im UN-Sicherheitsrat 2011/2012 auch den
Vorsitz der Arbeitsgruppe „Kinder in bewaffneten Konflikten“ übernommen. Die
Vereinten Nationen (UN) gehen davon aus, dass gegenwärtig in mindestens 22
Staaten zirka 250 000 Kinder unter 18 Jahren für die aktive Teilnahme an militä-
rischen Kampfhandlungen bzw. für unterstützende Tätigkeiten zwangsrekrutiert
werden. Nach Auffassung und politischer Praxis einer deutlichen Staatenmehrheit
muss deshalb als Konsequenz aus dem Fakultativprotokoll für den obligatori-
schen oder freiwilligen Militärdienst in den regulären Streitkräften die Volljäh-
rigkeitsgrenze von 18 Jahren strikt eingehalten werden.
Deutschland gehört zu den wenigen Vertragsstaaten, die im eigenen Land von der
Ausnahmeregelung des Fakultativprotokolls Gebrauch machen und minderjähri-
ge Freiwillige für die nationalen Streitkräfte anwerben. In der Praxis betrifft dies
freiwillige Wehrdienstleistende und Soldatinnen und Soldaten auf Zeit, die als
17-Jährige eine militärische Ausbildung bei der Bundeswehr beginnen. Nach
Angaben des Bundesverteidigungsministeriums haben 2011 833 Jugendliche
ihren Dienst bei der Bundeswehr angetreten, 2012 waren es 1216 Jugendliche.
2013 wurden 1 032 unter 18-Jährige eingestellt.
Unter 18-Jährige Bundeswehrangehörige nehmen zwar nicht an Auslandseinsät-
zen teil und sind auch nicht Kindersoldatinnen und Kindersoldaten in bewaffne-
ten Konflikten gleichzustellen, die durch paramilitärische Gruppen zwangsrekru-
tiert werden. Dennoch werden sie im Widerspruch zum Anliegen des UN-
Fakultativprotokolls im Rahmen ihrer militärischen Ausbildung bereits als Min-
derjährige an Waffen geschult und häufig sofort nach Erreichen der Volljährig-
keit in Auslandseinsätze der Bundeswehr geschickt. Mit dieser Praxis gefährdet
die Bundesregierung die eigenen Bemühungen auf internationaler Ebene.
Deutschland kann nicht den Einsatz von Minderjährigen in bewaffneten Konflik-
ten glaubhaft ächten, solange es selbst Minderjährige für die Bundeswehr rekru-
Drucksache 18/480 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

tiert. Folgerichtig hat der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes Deutschland
seit 2008 bereits mehrfach aufgefordert, das Mindestrekrutierungsalter für die
Streitkräfte auf 18 Jahre anzuheben. Auch der jährliche „Schattenbericht Kinder-
soldaten“, herausgegeben vom Deutschen Bündnis Kindersoldaten, dem die Ak-
tion Weißes Friedensband e. V., amnesty international, Deutsches Jugendrot-
kreuz, Kindernothilfe e. V., terre des hommes Deutschland e. V., UNICEF
Deutschland, Plan International Deutschland e. V., World Vision Deutschland e.
V. u. a. angehören, kritisiert die unzureichende Umsetzung des Fakultativproto-
kolls durch die Bundesregierung.
Darüber hinaus weigert sich die Bundesregierung weiterhin, der vom UN-
Ausschuss für die Rechte des Kindes bereits 2008 explizit an Deutschland ausge-
sprochenen Empfehlung nachzukommen, Waffenexporte an Staaten zu untersa-
gen, in denen Minderjährige tatsächlich oder potenziell für bewaffnete Feindse-
ligkeiten rekrutiert und eingesetzt werden. Dies betrifft insbesondere die Emp-
fänger von Kleinwaffen aus Deutschland, wie z. B. Indien, die Philippinen oder
Thailand. In diesem Zusammenhang versteht es sich von selbst, dass auch die
direkte militärische Zusammenarbeit, sei es in der Ausbildung oder bei gemein-
samen Militäreinsätzen, mit diesen Staaten gestoppt werden muss. Jede Form der
Militärkooperation und alle Waffengeschäfte mit Staaten, die nachweislich ihren
vertraglichen Verpflichtungen zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflik-
ten nicht nachkommen oder der UN-Kinderrechtskonvention nicht einmal beige-
treten sind, tragen dazu bei, die Bemühungen für eine konsequente und strikte
Auslegung der UN-Kinderrechtskonvention und des dazu gehörigen Fakultativ-
protokolls zu unterlaufen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die UN-Kinderrechtskonvention und das dazu gehörige Fakultativprotokoll
in Deutschland konsequent und strikt auszulegen, sodass künftig die Vollen-
dung des 18. Lebensjahres als Mindestalter für die Rekrutierung und Ein-
stellung zum Dienst in der Bundeswehr verbindlich festgelegt wird;

2. bis zum Inkrafttreten der Regelung bei Minderjährigen in der Bundeswehr
auf die Ausbildung im Umgang mit Waffen zu verzichten;

3. die militärische Zusammenarbeit, insbesondere im Ausbildungsbereich und
in den Einsatzgebieten, mit den Streitkräften unverzüglich zu beenden, die
Minderjährige für Militäreinsätze ausbilden oder bei Militäroperationen ein-
setzen;

4. die auf Kinder und Jugendliche bezogenen Werbemaßnahmen der Bundes-
wehr, wie z. B. kulturelle und sportliche Eventangebote, eigene Stände der
Bundeswehr bei Ausbildungsmessen, die von Kindern und Jugendlichen be-
sucht werden, und die Verteilung von Werbematerialien für Minderjährige
in Schulen unverzüglich einzustellen;

5. den Export von Kleinwaffen und leichten Waffen in Staaten und Konfliktre-
gionen zu untersagen, in denen Minderjährige von bewaffneten Gruppen re-
krutiert und eingesetzt werden können, in welcher Funktion auch immer;

6. konkrete Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Wiedereingliederung
von ehemaligen Kindersoldatinnen und Kindersoldaten wie Demobilisie-
rungsprogramme, nachholende Bildungs- und Ausbildungsangebote u. a. zu
einem Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu ma-
chen.

Berlin, den 11. Februar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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