BT-Drucksache 18/4791

Kampfdrohnen der Bundeswehr

Vom 28. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4791
18. Wahlperiode 28.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Katrin Werner
und der Fraktion DIE LINKE.

Kampfdrohnen der Bundeswehr

Medienberichten zufolge hatte die für Rüstungsfragen zuständige Staatssekretä-
rin bei der Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Katrin Suder, die Obleute der
Bundestagsfraktionen darüber unterrichtet, dass noch in diesem Jahr eine erste
Vereinbarung über ein „multilaterales Drohnenprojekt“ unterzeichnet und an-
schließend eine Studie zur Realisierung erstellt werden soll (Hannoversche All-
gemeine Zeitung vom 31. März 2015). Eine bewaffnungsfähige MALE-Drohne
(MALE – Medium Altitude Long Endurance) soll bis zum Jahr 2025 entwickelt
werden. Entsprechende Planungen waren bereits bekannt und Gegenstand
Kleiner Anfragen der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksachen 17/14776
und 18/1946). Laut den Berichten treibt „die politische Leitung und die militä-
rische Führung des BMVg“ die Beschaffung von in der EU gefertigten Kampf-
drohnen nun „offensiv voran“. Der europäische Luftfahr- und Raumfahrtkon-
zern Airbus, das französische Rüstungsunternehmen Dassault Aviation sowie
der italienische Flugzeughersteller Alenia Aermacchi seien demnach an dem
Projekt beteiligt. Die Regierung Italiens habe bereits „Interesse an diesem Vor-
haben signalisiert“.
Als Übergangslösung hält die Bundesregierung weiterhin die bewaffnungs-
fähigen „Heron TP“ aus Israel oder die „Predator B“ aus den USA als am Besten
geeignet. Auf Nachfrage des Abgeordneten Andrej Hunko hatte das Bundes-
ministerium der Verteidigung (BMVg) mitgeteilt, „Lösungen für den Bedarf an
der MALE UAS Überbrückungslösung auf der Basis des amerikanischen
PREDATOR B und des israelischen HERON TP wurden erarbeitet und werden
derzeit bewertet“ (Schriftliche Frage 56 auf Bundestagsdrucksache 18/4044). Es
würden „umfänglich die technischen, wirtschaftlichen und operationellen Para-
meter der möglichen Lösungen betrachtet“. Insbesondere das „Erkunden der
Marktsituation für ein solch sensibles Produkt“ erfordere „besondere Sorgfalt“.
Wann die Auswahlentscheidung getroffen werden soll wird, obwohl explizit ge-
fragt, nicht beantwortet und lediglich mit „baldmöglichst“ angegeben. Laut den
kurz darauf veröffentlichten Medienberichten werde diese Entscheidung aber
noch im Jahr 2015 erwartet.
Die Teilfrage der Schriftlichen Frage 56 auf Bundestagsdrucksache 18/4044 zu
Waffen oder Raketen, mit denen die unbemannten Systeme ausgerüstet würden,
blieb ebenfalls zunächst unbeantwortet. Erst auf eine Beschwerde hin antwortete
der Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, Markus Grübel,
zu den „jeweils vorhandenen Bewaffnungsmöglichkeiten“ seien „im Hinblick
auf ein zukünftiges MALE UAS der Bundeswehr bisher keine weitergehenden

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Überlegungen, Studien oder Untersuchungen durchgeführt“ worden. Die Be-
waffnungsfähigkeit sei aber vom Generalinspekteur der Bundeswehr mit dem
Dokument „Fähigkeitslücke und Funktionale Forderungen (FFF)“ vom 26. Fe-
bruar 2013 für das Vorhaben „MALE-Überbrückungslösung“ gefordert worden.
Eine Entscheidung über das „weitere Vorgehen zu unbemannten Luftfahrzeugen
der MALE-Klasse“ sei „in Vorbereitung“. Aufgrund der „technischen und pro-
zessualen Komplexität“ sei ein genauer Entscheidungszeitpunkt „derzeit noch
offen“.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche weiteren Details kann die Bundesregierung zu den Medienberichten

mitteilen, wonach noch in diesem Jahr eine erste Vereinbarung über ein „mul-
tilaterales Drohnenprojekt“ unterzeichnet und anschließend eine Studie zur
Realisierung erstellt werden soll (Behördenspiegel online vom 9. April
2015)?

2. Auf welche Weise treibt „die politische Leitung und die militärische Führung
des BMVg“ die Beschaffung von in der EU gefertigten Kampfdrohnen nun
tatsächlich „offensiv voran“ (Behördenspiegel online vom 9. April 2015)?

3. Mit welchen Regierungen und Rüstungskonzernen wurden zur europäischen
Fertigung von Kampfdrohnen seit Juli 2014 entsprechende Gespräche ge-
führt, und welche Absprachen wurden hierzu bereits getroffen?

4. Bei welchen weiteren „Anlässen“ wurde eine „mögliche gemeinsame euro-
päische Entwicklung eines unbemannten Luftfahrzeuges der MALE-Klasse“
zwischen den europäischen Verteidigungsministern diskutiert (Bundestags-
drucksachen 18/819 und 18/1946)?

5. Inwieweit soll nach derzeitigen Vorstellungen der beteiligten Nationen auf
vorliegende Konzepte wie „nEURon“ Rückgriff genommen bzw. vergleich-
bare Fähigkeitsprofile angestrebt werden (Bundestagsdrucksache 17/12136)?

6. Welche Überlegungen gibt es für eine „mögliche gemeinsame europäische
Entwicklung eines unbemannten Luftfahrzeuges der MALE-Klasse“ bezüg-
lich der
a) Art der Bewaffnung,
b) Stealth- bzw. Tarnkapazitäten,
c) Selbstschutzfähigkeiten und
d) Luft- und Bodenkampffähigkeit?

7. Was ist der Bundesregierung über Angebote oder Fähigkeiten der Rüstungs-
firmen Airbus, Dassault Aviation und Alenia Aermacchi zur Fertigung einer
bewaffnungsfähigen Drohne bekannt?

8. Auf welche Weise ist die Firma Airbus Defence & Space nach Kenntnis der
Bundesregierung mit den in einer „Definition Phase“ bezifferten Anstrengun-
gen zur Beschaffung einer bewaffnungsfähigen Drohne befasst?

9. Inwiefern ist der Bundesregierung, auch wenn hierzu „in der Regel keine
umfänglichen Aufzeichnungen angefertigt oder diese protokolliert“ werden,
wenigstens in Teilen rekonstruierbar, inwiefern es nach dem 10. Dezember
2012 „Vier-Augen-Gespräche“ oder sonstige Kontakte mit Airbus Defence
and Space auf Ebene der Staatssekretäre oder Ministerinnen und Minister
hinsichtlich eines Projekts europäische bewaffnungsfähige Drohne gegeben
hat (bitte nicht nur wie auf Bundestagsdrucksache 18/213 beauskunften, dass
„ein Informationsaustausch zwischen den Staatssekretären und führenden In-
dustrievertretern“ stattfindet, sondern auch wann und wo)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4791
10. Welche Treffen der Joint Capability Group Unmanned Aircraft Systems
(JCGUAS) sowie ihrer Arbeitsgruppe „Flight in Non-Segregated Airspace
Working Group“ (FINAS) haben nach Kenntnis der Bundesregierung seit
Juli 2014 stattgefunden, wer nahm daran teil, und welche Tagesordnung hat-
ten diese?

11. Inwiefern und mit welchem Inhalt wurden im Rahmen von Sitzungen des
Lenkungsausschusses (Steering Board) der Europäischen Verteidigungs-
agentur (EDA) seit Juli 2014 auch die mögliche gemeinsame Produktion
einer „europäischen Drohne“ thematisiert?

12. Inwiefern ist aus Sicht der Bundesregierung das Bemühen der EDA voran-
gekommen, „das Zulassungswesen für RPAS in Europa zu harmonisieren“,
und wie hat sich die Bundeswehr hier eingebracht?
a) Was ergab die Analyse, „ob die aktuell gültigen European Military Air-

worthiness Regulations (EMARs) die Zulassungskriterien für RPAS in
vollem Umfang abdecken“?

b) Welcher Anpassungsbedarf „unter Berücksichtigung der von den betei-
ligten Nationen gemachten Erfahrungen“ wurde ermittelt?

13. Was ergab nach Kenntnis der Bundesregierung die „Bestimmung des Be-
darfs für ein mögliches europäisches UAS-Programm“ durch die EDA, und
wie hat sich die Bundeswehr hier eingebracht?

14. Welche Sitzungen oder sonstigen Zusammenarbeitsformen der Nutzer-
gruppe „European MALE RPAS Community“ haben seit Januar 2014 mit
welchen Teilnehmenden und welcher Tagesordnung stattgefunden?

15. Welche „Kooperationsmöglichkeiten (vorrangig Erfahrungsaustausch, Aus-
bildung und Übung)“ der teilnehmenden Mitgliedstaaten wurden ermittelt?
a) Welche Anstrengungen hat das Kommando Luftwaffe im Rahmen seiner

Federführung des Arbeitsfeldes „Exchanging operational experience and
best practice on operating MALE RPAS“ unternommen?

b) Welche weiteren „Kooperationspotentiale in den Bereichen Übung und
Ausbildung, Logistik, Instandhaltung sowie in Doktrinen und Konzep-
ten“ wurden identifiziert, und welche Verabredungen wurden hierzu ge-
troffen?

c) Inwiefern ist hierzu bereits ein „gemeinsames Ausbildungskonzept“ er-
stellt worden, und welchen Inhalt hat dieses?

16. Was ist der Bundesregierung durch ihre „aktive Teilnahme“ an den einge-
richteten EDA-Arbeitsgruppen darüber bekannt, was die Prüfung, ob die ak-
tuell gültigen European Military Airworthiness Requirements (EMARs) die
Zulassungskriterien für RPAS in vollem Umfang abdecken, ergab?
a) Welcher Anpassungsbedarf „unter Berücksichtigung der von den betei-

ligten Nationen gemachten Erfahrungen“ ist wie vorgesehen bis Ende
des Jahres 2014 identifiziert worden?

b) Was ergab die „Analyse, ob die aktuell gültigen European Military Air-
worthiness Requirements (EMARs) die Zulassungskriterien für UAS in
vollem Umfang abdecken“, die ebenfalls bis Ende des Jahres 2014 abge-
schlossen sein sollte?

c) Welchen „Anpassungsbedarf unter Berücksichtigung der von den betei-
ligten Nationen gemachten Erfahrungen“ sieht die Bundesregierung
demnach zum „Anpassungsbedarf der entsprechenden Zulassungsvor-
schriften“?

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17. Inwiefern ist von der Bundesregierung weiterhin geplant, „MALE RPAS-
Kapazitäten nach dem Jahr 2023 auf bis zu 16 Systeme aufzustocken“?

18. Welche bewaffnungsfähigen Drohnen hält die Bundesregierung derzeit als
Übergangslösung für geeignet?

19. Von welcher Stelle welches Ministeriums wurden hierzu „Lösungen für den
Bedarf an der MALE UAS Überbrückungslösung auf der Basis des ameri-
kanischen PREDATOR B und des israelischen HERON TP“ erarbeitet und
bewertet?

20. Nach welchen Kriterien werden die
a) technischen,
b) wirtschaftlichen und
c) operationellen Parameter der möglichen Lösungen betrachtet?

21. Welche Dienstreisen haben Angehörige des BMVg und der für eine Zulas-
sung von Luftfahrtgerät zuständigen Bereiche der Bundeswehr bereits zu
welchen Herstellern von Kampfdrohnen durchgeführt, um die Zulassbarkeit
des jeweils betreffenden Systems in Deutschland zu ermitteln (bitte jeweils
den Zeitpunkt der Reisen angeben)?

22. Inwiefern haben seit Juli 2014 weitere Treffen zur Prüfung der Vorabmittei-
lung der US-amerikanischen Regierung zu einer möglichen Beschaffung
von Drohnen des Typs „Predator“ bzw. „Reaper“ stattgefunden, und wer
nahm jeweils daran teil?
a) Welche Mitteilungen haben die Teilnehmenden aus den USA zu Liefer-

zeitplänen, Kosten, Erläuterungen zu den Liefergegenständen und Zulas-
sungsaktivitäten gemacht?

b) Was kann die Bundesregierung zu den Konsequenzen des Ablaufs der
Angebotsbindefrist des „Letter of Offer and Acceptance“ zur Beschaf-
fung von US-Drohnen durch das zuständige Referat für Regierungskäufe
im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der
Bundeswehr am 31. Oktober 2014 mitteilen?

c) Welche weiteren Anstrengungen hat die Bundesregierung hinsichtlich
einer „Minimierung des Zulassungsrisikos“ mit der US Air Force bzw.
israelischen Regierungsstellen unternommen?

d) Inwiefern ist weiterhin geplant, „die Beauftragung der Serienflugzeuge
erst nach erfolgreicher Zulassung eines ‚Prototypen‘“ zu beschließen?

23. Was ergab die Prüfung einer „Leistungsbeschreibung mit Angebotsauffor-
derung“ der Firma RUAG für „Zulassungsaktivitäten zur Erlangung der
Muster- und Verkehrszulassung“ einer US-Drohne in Deutschland?
a) Welchen neuen Stand kann die Bundesregierung zur möglichen Unter-

zeichnung einer „Zusammenarbeitsvereinbarung“ mit der Firma RUAG
mitteilen?

b) Inwiefern wurde auch für die mögliche Beschaffung einer israelischen
„Heron“-Drohne ein ähnliches Verfahren wie für die „Predator“ begon-
nen, und welche Hersteller waren oder sind daran beteiligt?

24. Wann könnte die Bewertung der Lösungsvorschläge nach gegenwärtiger
Einschätzung abgeschlossen sein (bitte genauer als „baldmöglichst“ ange-
ben und, soweit der Zeitpunkt weiterhin unklar ist, bitte wenigstens das
Quartal oder die Legislaturperiode nennen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4791
25. Welches Waffensystem bzw. welche Art von Munition sollte die Übergangs-
lösung sowie die womöglich gemeinsam gefertigte „europäische Drohne“
aus Sicht der Bundesregierung tragen?
a) Wie hat sich der Generalinspekteur der Bundeswehr nach Kenntnis der

Bundesregierung hierzu bislang positioniert?
b) Inwiefern sollten die Übergangslösung sowie die womöglich gemeinsam

gefertigte „europäische Drohne“ aus Sicht der Bundeswehr bzw. des
BMVg Aufhängepunkte auch für Bordkanonen, Luft-Luft-Lenkflugkör-
per, Luft-Boden-Lenkflugkörper, Präzisionsbomben, Mehrzweckbom-
ben, Submunitionsbehälter oder Kernwaffen erhalten?

c) Sofern hierüber nicht entschieden ist, wann sollen entsprechende Über-
legungen, Studien oder Untersuchungen durchgeführt werden?

Berlin, den 28. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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