BT-Drucksache 18/479

BAföG-Reform zügig umsetzen

Vom 11. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/479
18. Wahlperiode 11.02.2014

Antrag
der Abgeordneten Nicole Gohlke, Diana Golze, Dr. Rosemarie Hein, Sigrid
Hupach, Cornelia Möhring, Harald Petzold (Havelland), Katrin Werner,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

BAföG-Reform zügig umsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Laut der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks gehen vier Fünftel
der geförderten Studierenden davon aus, dass sie ohne Förderung nach dem Bun-
desausbildungsförderungsgesetz (BAföG) nicht studieren könnten. Damit ist und
bleibt das BAföG die zentrale und wichtigste Säule der staatlichen Studienfinan-
zierung und eines der wichtigsten Entscheidungskriterien für die Aufnahme eines
Studiums gerade in hochschulfernen Haushalten.
Die letzte BAföG-Novelle liegt nunmehr über drei Jahre zurück, in den letzten
15 Jahren gab es überhaupt nur drei moderate BAföG-Erhöhungen. Dem
19. BAföG-Bericht der Bundesregierung vom Januar 2012 folgte keine Initiative
zur Erhöhung der Regelsätze und Freibeträge, obwohl der von der Bundesregie-
rung beauftragte Beirat bereits damals einen Inflationsausgleich von fünf bis
sechs Prozent für nötig erklärte.
Besonders deutlich zeigen sich die gestiegenen Bedarfe, betrachtet man die Ent-
wicklung der Mietpreise in Hochschulstädten: Aktuell sind im BAföG pauschal
224 Euro für Wohnkosten angesetzt. Von 54 Hochschulstädten, die in der
20. Sozialerhebung des Studentenwerkes untersucht wurden, lagen 2012 nur in
Chemnitz die durchschnittlichen Ausgaben der Studierenden für Miete und Ne-
benkosten niedriger als diese Pauschale. In allen anderen untersuchten Städten
belaufen sich die Kosten teilweise deutlich höher: So liegen sie in Berlin,
Darm stadt, Mainz, Konstanz, Frankfurt/Main und Düsseldorf bei 320 bis 340
Euro; in Köln, München und Hamburg sogar zwischen 350 und 360 Euro.
Laut dem BAföG-Bericht der Bundesregierung wurden im Jahr 2012 gerade ein-
mal 440 000 von 2,4 Millionen Studierenden gefördert, das entspricht einer Quo-
te von 18,7 Prozent. Die Bundesregierung betreibt Schönrechnerei, wenn sie die
Gefördertenquoten nicht auf die Gesamtzahl der Studierenden, sondern nur noch
auf die Zahl der abgesehen von den Einkommensverhältnissen dem Grunde nach
anspruchsberechtigten Studierenden bezieht und auf diese Weise auf eine
Gefördertenquote von 28 Prozent kommt. Zu niedrig angesetzte Freibeträge ver-
hindern nach wie vor eine Verbreiterung des Kreises der Empfängerinnen und
Empfänger.
Zusammengenommen bedeutet das, dass eine unverzügliche Anhebung der Be-
darfssätze und Freibeträge – entsprechend der Einkommens- und Preisentwick-

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lung – um mindestens zehn Prozent erforderlich ist. Die Entscheidung von Union
und SPD, die BAföG-Reform aus dem Koalitionsvertrag herauszulassen und sich
stattdessen einseitig zum elitären Deutschlandstipendium zu bekennen, ist ange-
sichts der Bedeutung des BAföG für die finanzielle und soziale Planungssicher-
heit der Studierenden und Studierwilligen nicht nachvollziehbar.
Der Versuch, mit dem Deutschlandstipendium eine Alternative zum BAföG zu
installieren, ist gescheitert. Der Bundesrechnungshof kritisierte jüngst, dass
40 Prozent der dafür vorgesehenen Haushaltsmittel auf Verwaltungskosten ent-
fallen. Diese Mittel fänden im BAföG einen wesentlich effizienteren und sozial
ausgleichenden Einsatz.
Den zahlreichen Ankündigungen der zuständigen Bundesministerin folgten bis-
lang keine Initiativen – sehr zum Leidwesen der Studierenden, die von der Förde-
rung abhängig sind. Ein weiterer Aufschub ist den Betroffenen nicht zuzumuten.
Die Anpassung an die geänderten Bedingungen im Bologna-System ist dabei
dringend nötig, aber keinesfalls ausreichend. Notwendig ist eine Förderung, die
mehr Menschen erreicht und dabei die realen Bedarfe der Geförderten deckt.
Die durch die Novelle zusätzlich entstehenden Ausgaben dürfen angesichts deren
Haushaltslage nicht den Ländern aufgebürdet werden, sondern müssen vollstän-
dig vom Bund getragen werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

umgehend einen Gesetzentwurf für eine Ausweitung der Bundesausbildungsför-
derung vorzulegen, der folgende Elemente enthält:

1. Die Bedarfssätze müssen den tatsächlichen Bedarf für den Lebensunterhalt
und die Ausbildung berücksichtigen. Sie sind umgehend um mindestens
zehn Prozent anzuheben und regelmäßig an die Preis- und Einkommensent-
wicklung anzupassen.

2. Die Ausbildungsförderung ist wieder als rückzahlungsfreier Vollzuschuss zu
gewähren.

3. Um den Kreis der BAföG-Berechtigten zu erweitern und mehr Menschen in
die Studienförderung einzubeziehen, sind die Freibeträge vom Einkommen
ebenfalls umgehend um mindestens zehn Prozent anzuheben und regelmäßig
an die Preis- und Einkommensentwicklung anzupassen.

4. Die Förderung von Schülerinnen und Schülern an weiterführenden allge-
meinbildenden Schulen in der Oberstufe, Berufsfachschulen sowie Fach-
und Oberschulklassen ist wieder einzuführen.

5. Das BAföG muss „bologna-tauglich“ werden: Masterstudiengänge sind
uneingeschränkt zu fördern, auch wenn das Studium unterbrochen wurde,
die Altersgrenzen sind abzuschaffen und die Auslandsförderung für ein ge-
samtes Studium im Bologna-Hochschulraum zu ermöglichen.

6. Die Förderungshöchstdauer muss individuelle Lebens- und Ausbildungssi-
tuationen berücksichtigen. Die Förderung ist auch bei Fachrichtungswechsel
und über die bisherige Höchstdauer hinaus zu sichern, um Studienabbrüche
zu vermeiden. Pflegeleistungen Auszubildender für Familienangehörige und
ehrenamtliches Engagement sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie eine
bessere Absicherung von Studierenden mit Kindern.

7. Teilzeitstudien müssen grundsätzlich förderfähig sein. Das gilt auch für ein
berufsbegleitendes/duales Studium.

8. Für Studierende mit Behinderung wird auch über den ersten berufsqualifi-
zierenden Abschluss hinaus eine bedarfsgerechte Assistenz für alle Ausbil-
dungsabschnitte im In- und Ausland als Nachteilsausgleich einkommens-
und vermögensunabhängig gewährt.

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9. Die Wohnkostenpauschalen sind den tatsächlichen Mietpreisen anzupassen.
10. Die BAföG-Ämter sind bedarfsgerecht auszustatten und die Verwaltung

entsprechend den Vorschlägen des Nationalen Normenkontrollrats zu ver-
einfachen. Dazu gehören die durchgängige elektronische Kommunikation
(online-Antragstellung) und eine nutzerfreundliche und länderübergreifende
BAföG-EDV ebenso wie eine adäquat ausgestattete Studienfinanzierungsbe-
ratung.

11. Die Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern ist dergestalt zu ändern,
dass die durch die Novelle entstehenden Mehrkosten durch den Bund getra-
gen werden und den Ländern keine zusätzlichen Belastungen entstehen.

12. Das Nationale Stipendienprogramm (Deutschlandstipendium) ist einzustel-
len. Die dadurch freiwerdenden Mittel sind für die durch die BAföG-
Novelle entstehenden Mehrkosten zu verwenden.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

ein Konzept zu erarbeiten, wie die Bundesausbildungsförderung für die Volljäh-
rigen, die sich in Ausbildung befinden, mittelfristig zu einer elternunabhängigen
Förderung ausgebaut werden kann, ohne neue soziale Benachteiligungen entste-
hen zu lassen. Eine Reform der Bundesausbildungsförderung muss so ausgestal-
tet sein, dass sozial schlechter gestellte Haushalte entlastet werden und finanz-
starke Haushalte etwa über höhere Einkommen-, Vermögen- und Erbschaftsteu-
ern einen stärkeren Beitrag zur Ausbildungsförderung leisten.

Berlin, den 11. Februar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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