BT-Drucksache 18/4781

Kosten und Finanzierung des Berlin-Brandenburger Flughafenprojekts

Vom 23. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4781
18. Wahlperiode 23.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Oliver Krischer, Sven-Christian
Kindler, Matthias Gastel, Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms, Annalena Baerbock,
Renate Künast, Lisa Paus und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kosten und Finanzierung des Berlin-Brandenburger Flughafenprojekts

Die Kosten für den Bau des neuen Flughafens Berlin Brandenburg (BER) haben
sich in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Weil bei dem mittlerweile neuen
Eröffnungszeitraum im Herbst 2017 und insbesondere hinsichtlich des Umbaus
der Entrauchungsanlage des Hauptterminals weiterhin Unsicherheiten bestehen,
ist unklar, ob die für die Fertigstellung des BER mittlerweile veranschlagten Fi-
nanzmittel von insgesamt 5,4 Mrd. Euro ausreichen werden. Zusätzlich zu den
1,1 Mrd. Euro, die der Aufsichtsrat der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH
(FBB) im Juni 2014 genehmigt hat, soll die Europäische Kommission weitere
1,1 Mrd. Euro notifizieren.
Dem Bund liegen als Anteilseigner in der Regel ausschließlich Informationen
von der Geschäftsführung der FBB vor (vgl. Antwort der Bundesregierung auf
die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestags-
drucksache 18/1431). Dennoch liegt es aus Sicht der Fragesteller in seiner Ver-
antwortung, Terminplänen und Kostenschätzung begründet zu vertrauen und
weitere Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Mit welchen Gesamtkosten für die Fertigstellung des BER rechnet die Bun-

desregierung im Jahr 2017?
2. Welche Kostenrisiken bestehen, falls sich die Fertigstellung des BER ein

weiteres Mal hinauszögert?
3. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus

der Aussage des ehemaligen Geschäftsführers der FBB, Hartmut Mehdorn,
bei den anvisierten Gesamtkosten in Höhe von 5,4 Mrd. Euro handele es sich
lediglich um die „Nettokosten“, und wie hoch sind nach Kenntnis der Bun-
desregierung die tatsächlichen Bruttokosten, und wie setzen sie sich zusam-
men (Berliner Morgenpost vom 11. März 2015)?

4. Welche Finanzierungsform befürwortet die Bundesregierung, um die vom
Aufsichtsrat der FBB im Juni 2014 genehmigten 1,1 Mrd. Euro bereitstellen
zu können?

5. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, bis wann weitere Finanzmittel
benötigt werden, um keinen Stopp der Bauarbeiten zu riskieren?

6. Liegt der Bundesregierung eine aktuelle mittelfristige Liquiditätsplanung der
FBB für die Jahre 2015 und 2016 vor, und wenn nein, gilt das Vorliegen einer

Drucksache 18/4781 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
solchen Liquiditätsplanung als Voraussetzung für die Genehmigung neuer
Finanzmittel?

7. Ab wann genau erwartet die Bundesregierung die Erwirtschaftung von Ge-
winnen durch die FBB, wie im Schriftwechsel von Deutschland mit der Eu-
ropäischen Kommission (zwischen dem 17. August 2006 und 14. Februar
2012) im Kontext des Beihilfeverfahrens erklärt wurde?

8. Hat die Bundesregierung bereits das erforderliche Notifizierungsverfahren
beantragt, und wenn nein, wann wird dies erfolgen?

9. Wird der Businessplan der FBB, der als Grundlage des letzten Notifizie-
rungsverfahrens (SA.35378) diente, für das erneute Notifizierungsverfahren
überarbeitet, und wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung den von der
FBB vorgelegten Stand des Businessplanes, und welche Schlussfolgerun-
gen zieht sie aus ihm in Hinblick auf das bevorstehende Notifizierunsgver-
fahren?
Von welchen Gesamtkosten für die Fertigstellung des BER ging die Bundes-
regierung gegenüber der Europäischen Kommission in ihrem letzten Notifi-
zierungsverfahren für den BER aus (SA.35378), und welche Gründe wird
sie für den erneuten Notifizierungsantrag in Höhe von 1,1 Mrd. Euro gegen-
über der Europäischen Kommission anführen?

10. In welcher Höhe wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die notifizier-
ten und von den Anteilseignern der FBB bereitgestellten 1,1 Mrd. Euro be-
reits verausgabt?

11. Hat die Bundesregierung geprüft, ob die am 28. November 2012 notifizier-
ten 1,2 Mrd. Euro tatsächlich von der FBB so ausgegeben wurden, wie in
dieser Anmeldung (SA.35378) angekündigt?
Wenn ja, stimmen die tatsächlichen Ausgaben mit den geplanten Ausgaben
überein?
Wenn nein, warum hat die Bundesregierung das nicht geprüft?

12. Hat die Europäische Kommission nach Kenntnis der Bundesregierung ge-
prüft, ob die am 28. November 2012 notifizierten 1,2 Mrd. Euro tatsächlich
von der FBB so ausgegeben wurden, wie in dieser Anmeldung (SA.35378)
angekündigt?

13. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, für was die ursprünglich im
Jahr 2012 notifizierten 1,2 Mrd. Euro ausgegeben wurden, wenn nicht für
den Schallschutz?

14. Wird nach Kenntnis der Bundesregierung zur Vorbereitung des neuen Noti-
fizierungsverfahrens ein Privatinvestorentest durchgeführt?
Wenn ja, zu welchem Ergebnis führte ein solcher Test, und wenn nein, wa-
rum nicht?

15. Mit welcher Dauer rechnet die Bundesregierung, um das neue Notifizie-
rungsverfahren abzuschließen?

16. In welcher Höhe sollen nach Kenntnis der Bundesregierung Finanzmittel im
Rahmen der Notifizierung beantragt werden?
Treffen die Aussagen des amtierenden Aufsichtsratschefs, Rainer Brett-
schneider, zu, dass vorsorglich 2,2 Mrd. Euro beantragt werden sollen und
somit die Finanzmittel über den derzeit erwarteten Gesamtkosten liegen,
und wenn ja, warum (www.rbb-online.de/politik/Flughafen-BER/BER-
Aktuelles/akteure_aktuell/flughafen-aufsichtsrat-gibt-1-1-milliarden-euro-
fuer-ber-frei.html)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4781
17. Wofür sollen die ggf. über den Bedarf der Fertigstellung zur Genehmigung
beantragten Finanzmittel verwendet werden, und gibt es über die Verwen-
dung ein gemeinsames Konzept der Anteilseigner?

18. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussagen des Bundesministers für
Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, wonach jetzt nicht
die Zeit sei, über Erweiterungsmaßnahmen zu spekulieren (vgl. DIE WELT
Online, 15. Februar 2015)?

19. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Option, einen priva-
ten Investor für das Flughafenprojekt BER zu finden?

20. Hat die Bundesregierung eigene Aktivitäten gestartet, um einen privaten In-
vestor für den BER zu finden, und wenn nein, warum nicht?

21. Hat die Bundesregierung mit den weiteren Anteilseignern, den Ländern
Berlin und Brandenburg, jemals über einen Kostendeckel für die Fertigstel-
lung des BER gesprochen?
Wenn ja, bei welcher veranschlagten Höhe soll ein Kostendeckel beachtet
werden, und wenn nein, unterstützt die Bundesregierung eine Fertigstellung
des BER zu jeglichen Kosten?

22. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den aktuellen Wert des
BER, insbesondere den Gebäudewert, und seine Wertentwicklung seit Bau-
beginn im Jahr 2006?

23. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung zurzeit der Prozentsatz der
Umsteiger-Passagiere an den Berliner Flughäfen, und welcher Prozentsatz
an Umsteigern wird langfristig am BER angestrebt bzw. ist Bestandteil des
aktuellen Businessplans?

24. Ist aus Sicht der Bundesregierung eine vertiefte Prüfung der Kostenentwick-
lung beim Projekt BER durch den Bundesrechnungshof und die Landes-
rechnungshöfe der Länder Berlin und Brandenburg sinnvoll und begrüßens-
wert, und wenn ja, wird die Bundesregierung für eine derartige Prüfung im
Rahmen der Gesellschafterversammlung eintreten bzw. öffentlich werben?

25. Wie bewertet die Bundesregierung die Umsetzung der von Bundesverkehrs-
minister Alexander Dobrindt aufgestellten Forderung, beim BER ein ex-
ternes Controlling einzurichten, „das direkt und ausschließlich an die Ei-
gentümer berichtet“ (www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/dobrindt-
fordert-externe-kontrolleure-fuer-ber-12968058.html)?

26. Was versteht die Bundesregierung unter der Forderung des Bundesverkehrs-
ministers Alexander Dobrindt, dass externe Gutachter „Schwachstellen auf-
decken und den Fortschritt des Großprojekts unterstützen sollen“ (vgl. DER
TAGESSPIEGEL, 6. Dezember 2014, S. 1)?

27. Hat die Bundesregierung Gespräche mit dem Bundesrechnungshof, der be-
reits seit dem Mai 2013 eine unabhängige Aufsicht fordert, über die Ausge-
staltung eines externen Controllings aufgenommen (www.tagesspiegel.de/
berlin/flughafen-ber-und-mehdorn-externer-gutachter-soll-management-
durchleuchten/10119250.html)?

28. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
daraus, dass eine Gemeinschaft aus Unternehmen, die zum Teil bereits Auf-
träge der FBB entgegengenommen haben und als Berater für den BER tätig
waren, ausgewählt wurde, um ein unabhängiges Gutachten über die Ma-
nagementdefizite am BER zu erstellen (SPIEGEL-Bericht vom 23. Februar
2015)?

Drucksache 18/4781 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
29. Soll nach Ansicht der Bundesregierung den externen unabhängigen Gut-
achtern vollständige Einsichtnahme in alle Unterlagen gewährt werden, und
wenn nein, welche Bereiche sollen sie kontrollieren dürfen und aus welchen
Gründen andere Bereiche nicht?

30. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass nach der bisherigen Entwick-
lung des Bauvorhabens BER mit einer Kostensteigerung von ursprünglich
unter 2 Mrd. Euro auf mittlerweile 5,4 Mrd. Euro und einer Eröffnungsver-
zögerung von mindestens fünf Jahren die externen Kontrolleure die Pflicht
haben sollten, neben den Eigentümern auch den zuständigen Ausschüssen
im Deutschen Bundestag, im Landtag Brandenburg und im Abgeordneten-
haus Berlin zu berichten, und wenn nein, warum nicht?

31. Wird die Weigerung der Geschäftsführung der FBB, Gutachtern Unterlagen
zur Verfügung zu stellen, nach Kenntnis der Bundesregierung nach wie vor
aufrechterhalten, und wenn nein, wird es eine vollständige Einsichtsmög-
lichkeit geben?

32. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus den bislang am BER bekannt gewordenen Korruptionsfällen, und geht
die Bundesregierung von möglichen weiteren Korruptionsfällen aus?

33. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Entscheidung von Transparency International, die Zusammenarbeit
mit der FBB aufzukündigen, weil aus deren Sicht Verdachtsmomente über
Korruptionsfälle zu lange verheimlicht wurden (TZ vom 26. März 2015)?

34. Wird sich die Bundesregierung für eine Überarbeitung der Entgeltordnung
einsetzen, die die gestiegenen Erstellungskosten (1,2 Mrd. Euro im Jahr
2012 und 1,1 Mrd. im Jahr 2014) für den BER berücksichtigt, und wenn
nein, durch welche Maßnahmen soll sichergestellt werden, dass die zusätz-
lich bereitgestellten Investitionen durch den BER refinanziert werden kön-
nen?

35. Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung aktuell für die Errichtung
des Regierungsflughafens auf dem Gelände des heutigen Flughafens Berlin-
Schönefeld?

36. Wie sieht vor dem Hintergrund der Feststellung der Bundesregierung im
Mai 2014 „Der Fortschritt des Regierungsflughafens hängt wesentlich von
der Bekanntgabe eines neuen Eröffnungstermins für den Flughafen BER
ab“ (Bundestagsdrucksache 18/1431) der aktuelle Planungsstand für das
Regierungsterminal aus?

37. Wann rechnet die Bundesregierung mit dem Baubeginn des Regierungs-
terminals, und wann mit dessen Fertigstellung?

38. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Kosten, die sich seit
Fertigstellung der Bahnanbindung an den BER und des Bahnhofs unter dem
Flughafen für den Unterhalt (Belüftung der Bahnanlage etc.) entstanden
sind, und wer trägt diese Kosten?

Berlin, den 23. April 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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