BT-Drucksache 18/4665

Blockupy-Proteste in Frankfurt am Main

Vom 17. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4665
18. Wahlperiode 17.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Nicole Gohlke, Annette Groth, Heike Hänsel,
Andrej Hunko, Sabine Leidig, Niema Movassat, Harald Petzold (Havelland),
Dr. Sahra Wagenknecht, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Blockupy-Proteste in Frankfurt am Main

Zehntausende von Menschen protestierten Mitte März 2015 in Frankfurt am
Main anlässlich der Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank ge-
gen kapitalistische Spar- und Verarmungspolitik. Im Protestaufruf wurde trans-
nationaler Widerstand „gegen die europäische Krisenpolitik und gegen deren
katastrophale Konsequenzen besonders für die Menschen im europäischen Sü-
den“ eingefordert. In Richtung der herrschenden Eliten hieß es im Aufruf: „Sie
wollen Kapitalismus ohne Demokratie, wir wollen Demokratie ohne Kapitalis-
mus!“
Bei der Blockupy-Demonstration im Jahr 2013 war es zu massiven Gewaltex-
zessen gekommen, für die auch in konservativen Medien überwiegend die Poli-
zei verantwortlich gemacht worden war. So sprach auch die „Frankfurter All-
gemeine Zeitung“ vom 2. Juni 2013 von der „Brutalität“ der Polizei, die sich ge-
gen eine „bis dahin friedliche Demonstration“ gerichtet habe. Andere Zeitungen
berichteten über massiven Pfeffersprayeinsatz, willkürlichen Schlagstockeinsatz
und rechtswidrige Einkesselungen von Demonstrantinnen und Demonstranten.
Demgegenüber war die mediale Berichterstattung über die Blockupy-Demon-
stration im Jahr 2015 von Berichten über Gewalt vonseiten eines Teils der
Demonstrantinnen und Demonstranten gekennzeichnet. Die Veranstalter bzw.
Anmelder der Kundgebungen bezeichneten solche Ausschreitungen als „außer-
halb des Blockupy-Aktionskonsenses“ stehend (Pressemitteilung des Blockupy-
Bündnisses vom 19. März 2013). „Blockupy steht für Demonstrationen und un-
gehorsame Aktionen, die keine Menschen gefährden, von denen keine Eskala-
tion ausgeht und an denen alle teilnehmen können.“ Das Netzwerk Attac Träger-
verein e. V. formulierte, man müsse selbstverständlich über Gewalt sprechen.
„Doch wir erwarten dieselbe Deutlichkeit, wenn es darum geht, die durch die
Austeritätspolitik erzeugte Gewalt zu formulieren.“ Dabei wurde die Rednerin
Naomi Klein zitiert, die auf der Kundgebung in Richtung Europäische Zentral-
bank gesagt habe: „Ihr zündet keine Autos an, ihr setzt die Welt in Brand.“
Unmittelbar nach den Kundgebungen berichteten die Medien darüber, dass sich
gewaltbereite Neonazis unter die Demonstrantinnen und Demonstranten ge-
mischt hätten. Die Neonazis hätten versucht, sich als linke Demonstrationsteil-
nehmer zu tarnen. Der Verfassungsschutz prüfe derzeit, inwieweit die Neonazis
für Straftaten verantwortlich waren. Ein von den Medien zunächst kolportierter
Bericht über Angriffe auf eine Flüchtlingsunterkunft hat sich allerdings als
nicht zutreffend erwiesen (www.blockupy.org/5916/refugees-are-welcome-
here-klarstellung-zu-den-ereignissen-am-kolpingwerk/).

Drucksache 18/4665 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Angehörige der Bundespolizei waren anlässlich der Blockupy-Pro-

teste
a) im originären Zuständigkeitsbereich und
b) zur Unterstützung der Kräfte des Landes Hessen
im Einsatz?

2. Hat die Bundespolizei Wasserwerfer bereitgehalten bzw. eingesetzt, und
wenn ja,
a) wie viele,
b) wie viele davon enthielten ggf. neben Wasser auch einen Reizstoff, und
c) aus wie vielen Wasserwerfern wurden Wasserstöße abgegeben?

3. Welche Unterstützungsersuchen hat das Land Hessen im Hinblick auf die
Blockupy-Proteste an welche Bundesbehörden bzw. -einrichtungen gerichtet,
was sahen diese jeweils im Einzelnen vor, und inwieweit wurde diesen ent-
sprochen?

4. Welche konkreten Anhaltspunkte hatte die Bundesregierung hinsichtlich „der
Tatsache, dass dort Gewalt angewendet werden soll“, wie der Bundesminister
des Innern nach den Ereignissen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“
(19. März 2015) geäußert hat?
a) Welche Erkenntnisse lagen diesbezüglich zugrunde?
b) Aus welchen Quellen stammen diese?
c) Geht aus diesen Erkenntnissen hervor, dass die Anmelderinnen und An-

melder bzw. das Organisationsbündnis gewalttätige Ausschreitungen be-
fürwortet haben (bitte ggf. belegen)?

d) Inwiefern beziehen sich diese Erkenntnisse auf konkrete Personen oder
Organisationen bzw. Spektren?

e) Was haben die Sicherheitsbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung
unternommen, um das Blockupy-Bündnis über Personen zu benachrichti-
gen, die nach ihrer Einschätzung mit dem Ziel anreisten, Gewalttaten zu
begehen?

f) Welche Angaben kann die Bundesregierung über den politischen Hinter-
grund und die allfällige organisatorische Zugehörigkeit jener Personen
machen, die in Frankfurt am Main Gewalt anwenden wollten?

5. Hat die Bundespolizei Personenkontrollen vorgenommen, und wenn ja, an
welchen Orten bezüglich wie vieler Personen, und aus welchem Grund?

6. Inwiefern hat die Bundespolizei an den Außengrenzen Personenkontrollen
hinsichtlich etwaiger Demonstrationsteilnehmer durchgeführt, und inwiefern
ist dabei die Einreise verweigert worden?

7. Inwiefern wurden beim Bundeskriminalamt personenbezogene Daten im Zu-
sammenhang mit den Blockupy-Protesten angefordert bzw. aus Verbund-
dateien beauskunftet, und an welche in- oder ausländische Behörden gingen
diese Informationen?

8. Inwiefern wurden vom Bundeskriminalamt bei ausländischen Sicherheits-
behörden personenbezogene Daten über (potenzielle) Demonstrationsteil-
nehmer angefordert (bitte ggf. Angaben zur Zahl und zu Herkunftsländern
machen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4665
9. Hatte die Bundesregierung schon vor den Protesten Erkenntnisse über eine,
teilweise auch klandestine, Teilnahme von Neonazis bei den Blockupy-Pro-
testen, und wenn ja, seit wann, und welcher Art (bitte konkrete Erkenntnisse
mitteilen)?

10. Welche Maßnahmen haben die Sicherheitsbehörden, auch gemeinsam mit
dem Land Hessen sowie im Rahmen des Gemeinsamen Extremismus- und
Terrorismusabwehrzentrums, im Zusammenhang mit der zu erwartenden
Teilnahme von Neonazis an den Protesten ergriffen?
Inwiefern wurden die Anmelder der Proteste vor einer drohenden Infiltra-
tion von Neonazis in den Demonstrationen gewarnt?

11. Welche konkreten Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Zahl und orga-
nisatorischen Anbindung in- und ausländischer Neonazis, die sich an den
Protesten beteiligt haben?

12. Welche Hinweise hat die Bundesregierung darüber, inwiefern diese Neona-
zis Straftaten verübt haben?

13. Wie viele PMK-Delikte (PMK – Politisch motivierte Kriminalität) hat das
Landeskriminalamt Hessen inzwischen hinsichtlich der Blockupy-Demon-
stration gemeldet, und welchen Phänomenbereichen sind diese zugeordnet?
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung dazu, nach welchen Maßstä-
ben dabei geprüft worden ist, ob linke Demonstranten oder gewissermaßen
„Undercover“-Neonazis hinter den jeweiligen Straftaten stehen?

14. Welche Rolle spielen die Bundessicherheitsbehörden derzeit beim Versuch,
die Beteiligung und etwaige Straftaten aus der Neonaziszene aufzuklären?

15. Hat die Bundesregierung oder die Bundespolizei zwischenzeitlich den Poli-
zeieinsatz im Jahr 2013, insbesondere die berichtete Polizeigewalt, gemein-
sam mit dem Land Hessen aufgearbeitet, und wenn ja, welche Schlussfolge-
rungen zieht sie daraus?

16. Welche Kosten waren mit dem Einsatz der Bundespolizei verbunden?

Berlin, den 17. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.