BT-Drucksache 18/4627

Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden im Hinblick auf Schutzimpfungen

Vom 14. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4627
18. Wahlperiode 14.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Weinberg, Ulla Jelpke, Birgit Wöllert,
Sabine Zimmermann (Zwickau), Sevim Dağdelen, Katja Kipping, Harald Petzold
(Havelland), Martina Renner, Frank Tempel, Kathrin Vogler, Pia Zimmermann und
der Fraktion DIE LINKE.

Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden im Hinblick
auf Schutzimpfungen

Seit November 2014 traten in Berlin gehäuft Maserninfektionen auf. Mit Stand
vom 18. März 2015 waren 826 Erkrankungsfälle gemeldet, davon 705 im Jahr
2015. 88 Prozent der Betroffenen waren zuvor nicht gegen Masern geimpft, nur
19 Erkrankte waren zuvor, wie empfohlen, zweimal geimpft worden. Auch in
anderen Städten bzw. Regionen traten gehäuft Masernfälle auf.
Dieser Masernausbruch wurde von der Öffentlichkeit zum Anlass genommen,
über eine Impfpflicht zu debattieren, ohne dass dabei klar wurde, wer von dieser
Impfpflicht umfasst sein soll, gegen welche Krankheiten Impfungen verpflich-
tend werden sollen und wie sanktioniert werden soll. Unklar blieb auch die
rechtliche Bewertung dieses Vorschlags.
In dieser Diskussion ging unter, dass gerade in Deutschland aufgewachsene Kin-
der recht gut gegen Masern geschützt sind und relativ selten von diesem Aus-
bruch betroffen waren. Das Ausbruchsgeschehen begann laut der Publikationen
des Berliner Landesamtes für Gesundheit und Soziales zum größten Teil in
Flüchtlingsunterkünften und verbreitete sich bei der einheimischen Bevöl-
kerung hauptsächlich unter Erwachsenen (www.berlin.de/lageso/gesundheit/
infektionsschutz/bericht.html). Es gibt Grund zu der Annahme, dass der
schlechte Impfstatus insbesondere bei Flüchtlingen, aber auch in der einheimi-
schen Erwachsenenbevölkerung, das Problem verursachte. Die Krankheit hätte
sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht derart verbreiten können, wenn Asylsu-
chende regelmäßig die ihnen rechtlich nach § 4 Absatz 3 des Asylbewerberleis-
tungsgesetzes (AsylbLG) zustehenden Impfungen auch tatsächlich erhalten hät-
ten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele der Menschen in Berlin, bei denen seit der 41. Meldewoche im Jahr

2014 bis zur Beantwortung dieser Kleinen Anfrage eine Maserninfektion
festgestellt wurde, waren nach Kenntnis der Bundesregierung Asylsuchende
bzw. Menschen aus „unbekannten Herkunftsländern“ oder aus „anderen Her-
kunftsländern“, und wie viele Betroffene waren Einheimische (bitte Gesamt-
zahl der Fälle sowie Anteile der Einheimischen sowie der Asylbewerberin-
nen und Asylbewerber unter den Betroffenen angeben)?

Drucksache 18/4627 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wie verteilten sich diese Zahlen auf die jeweiligen Wochen seit Beginn des
Ausbruchs?

2. Welchen Anteil an der Gesamtbevölkerung haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung die Asylsuchenden bzw. Menschen aus „unbekannten Herkunfts-
ländern“ oder aus „anderen Herkunftsländern“ aktuell in Berlin und in
Deutschland insgesamt?
Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Erkrankungsquote im
Bereich der Infektionskrankheiten unter den im Jahr 2014 eingereisten Asyl-
suchenden und unter der übrigen Bevölkerung?

3. Sind der Bundesregierung in der Vergangenheit in Jahren mit (deutlich) nied-
rigeren Zugangszahlen (2004 bis 2011) bei der Asylantragstellung Probleme
mit der Erfassung des Impfstatus, der Aufklärung über Gefahren von Infek-
tionskrankheiten und der Möglichkeit der Impfung oder des Ausbruchs von
Infektionen in Sammelunterkünften bekannt geworden, und welche Schluss-
folgerungen und Konsequenzen hat die Bundesregierung aus diesen Erkennt-
nissen gezogen?

4. Ist der Bundesregierung bekannt, ob, seit wann und bei wie vielen Asylsu-
chenden in den Jahren 2014 und 2015 in den einzelnen Bundesländern der
Impfstatus erhoben wurde und es ggf. daran anschließende Angebote zur Be-
ratung gab, den jeweiligen individuellen Impfstatus zu verbessern?
Sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den einzelnen Bundesländern
entsprechende neue Angebote geplant, wie z. B. zentrale Impfstellen, die in
Berlin eingerichtet werden sollen?

5. Wurde das Thema Impfungen bei Asylsuchenden im Rahmen der Fachminis-
terkonferenzen von Bund und Ländern oder nach Kenntnis der Bundesregie-
rung auf Referentenebene zwischen den zuständigen Ministerien erörtert,
und wenn ja, wann jeweils in den vergangenen zwei Jahren, mit welcher Fra-
gestellung und welchen Ergebnissen?
Wurden Verabredungen, Vereinbarungen oder Beschlüsse getroffen, und
wenn ja, wann, durch wen und welche?

6. Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen der Häufigkeit
der auftretenden Maserninfektionen bei Asylsuchenden bzw. Menschen aus
„unbekannten Herkunftsländern“ oder aus „anderen Herkunftsländern“ und
dem Impfstatus der genannten Personengruppen?

7. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
daraus für die künftige Gestaltung der gesundheitlichen Versorgung von
Asylsuchenden, insbesondere im Hinblick auf die Versorgung mit Impfun-
gen?

8. Sind nach Auffassung der Bundesregierung im Zusammenhang mit systema-
tisch durchgeführten Beratungen und Angeboten zu Impfungen bei neu ein-
reisenden Asylsuchenden gesetzliche oder sonstige Änderungen notwendig?
Welchen Beitrag will die Bundesregierung im Sinne einer besseren Versor-
gung von Asylsuchenden mit Impfungen leisten?

9. Teilt die Bundesregierung die Annahme, dass eine erhöhte Infektionsgefahr
für die einheimische Bevölkerung durch Defizite in der gesundheitlichen
Versorgung – hier insbesondere bezogen auf den Zugang zu Impfungen und
entsprechenden Beratungsangeboten – von Asylsuchenden besteht (bitte be-
gründen), und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie da-
raus?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4627
10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass in der einheimischen Bevöl-
kerung eher bei den Erwachsenen als bei schulpflichtigen Kindern Defizite
in der Durchimpfung gegen Masern bestehen, und welche Schlussfolgerun-
gen sind daraus für Bemühungen zur Erhöhung der Impfquote zu ziehen?

11. Weshalb sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Impfquoten bei Asyl-
bewerberinnen und Asylbewerbern offenbar derart niedrig, dass es zu die-
sem Ausbruch kommen konnte, obwohl die vom Robert Koch-Institut emp-
fohlenen Impfungen ausdrücklich Leistungsbestandteil des Asylbewerber-
leistungsgesetzes (§ 4 Absatz 3 AsylbLG) sind?
Welche Vollzugsdefizite bzw. welchen Handlungsbedarf sieht die Bundes-
regierung, um möglichst allen Flüchtlingen Beratungsangebote zuteil kom-
men zu lassen?

12. Wären systematische, aufsuchende Impfangebote an in die Bundesrepublik
Deutschland kommende Flüchtlinge im Hinblick auf die Krankheitsvermei-
dung wahrscheinlich erfolgversprechender als eine infolge der Masernaus-
brüche breit diskutierte Impfpflicht (bitte begründen)?

13. Inwiefern sind nach Kenntnis der Bundesregierung auch „sans papiers“,
also Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität, von Masernaus-
brüchen betroffen, und welche Möglichkeiten bestehen für diese Gruppe,
jedenfalls die amtlich empfohlenen Impfungen in Anspruch zu nehmen?

Berlin, den 14. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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