BT-Drucksache 18/4190

Mögliche Personalprobleme durch die Einführung des Vier-Augen-Prinzips bei der Leistungsgewährung in den Jobcentern als gemeinsame Einrichtungen

Vom 27. Februar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4190
18. Wahlperiode 27.02.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald,
Katja Kipping, Azize Tank, Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Birgit Wöllert,
Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Mögliche Personalprobleme durch die Einführung des Vier-Augen-Prinzips bei der
Leistungsgewährung in den Jobcentern als gemeinsame Einrichtungen

Seit dem 1. Januar 2015 wird in den Jobcentern, die als gemeinsame Einrich-
tungen (gE) der Bundesagentur für Arbeit und der Kommune betrieben werden,
die Handlungsanweisung HEGA 12/14-15 zur Erhöhung der „Kassensicherheit
in den IT-Verfahren“ angewandt. Die Einführung und Umsetzung der Anwei-
sung hat bei den Personalvertretungen vieler Jobcenter zu massiven Unmuts-
äußerungen geführt. Dies resultiert insbesondere daraus, dass die Personalver-
tretungen vor Ort vor der Verabschiedung der Handlungsanweisung in keiner
Weise einbezogen wurden. Festgestellt und weiterhin befürchtet wird insbeson-
dere durch die Personalräte, dass sich der Personalaufwand im Bereich der Leis-
tungsbearbeitung erheblich erhöht. Demgegenüber stehen aber weder die perso-
nellen noch die finanziellen Ressourcen für einen massiven Personalaufwuchs
zur Verfügung. Laut Presseberichten gehen die Personalräte von einem zusätz-
lichen Personalbedarf von 1 252 zusätzlichen Stellen aus (Huffingtonpost.de
vom 3. Februar 2015). Demgegenüber steht, dass nach Angaben des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Soziales nur 400 befristete Stellen bewilligt worden
seien.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. In welcher Art und Weise wurde bis zum 31. Dezember 2014 der sorgfältige

Umgang mit den Haushaltsmitteln in den gemeinsamen Einrichtungen sicher-
gestellt, und welche Sachverhalte haben zur formellen Durchsetzung der
haushaltsrechtlichen Bestimmungen für die Bewirtschaftung von Bundesmit-
teln durch die Handlungsanweisung HEGA 12/14-15 geführt?

2. Welcher Teil der Zahlungsvorgänge wurde generell bisher, während der An-
wendung von Arbeitslosengeld II (A2LL), in den gemeinsamen Einrich-
tungen im Vier-Augen-Prinzip bearbeitet?

3. Gab es in der Vergangenheit eine Anweisung, das Vier-Augen-Prinzip ganz
oder teilweise außer Kraft zu setzen, um welche Anweisung handelt es sich
dabei, und welches war der Grund für ihren Erlass?

4. Welche konkreten Umstände veranlassten die Bundesagentur für Arbeit,
diese Änderung der Geschäftsanweisung während des Prozesses der Umstel-
lung von A2LL auf ALLEGRO vorzunehmen, und welche Auswirkungen
hatte dies auf den Umstellungsprozess?

Drucksache 18/4190 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
5. Woraus resultiert die Feststellung, dass ein Festhalten am bisherigen Vor-
gehen nur um den Preis erhöhter Stichproben möglich gewesen wäre, und
warum wären (bei maschineller Abrechnung über ALEGRO) dazu aufwen-
dige Listen zu erarbeiten gewesen?

6. Woraus resultiert die Feststellung, dass ein Festhalten am bisherigen Verfah-
ren die manuelle Anzahl der Berichtspflichten erhöht?

7. Welche nachträglichen Stichproben und Berichte sind mit der durchgängi-
gen Umsetzung des Vier-Augen-Prinzips nunmehr entfallen, und entfallen
diese in allen gE im gleichen Umfang?
Wenn nein, welche entfallen in welchen gE?

8. Gibt es Hinweise auf einen massiven, flächendeckenden Betrug durch die
Mitarbeiterschaft in den Jobcentern der gE, oder worin besteht die konkrete
Gefährdung der Kassensicherheit?

9. Handelt es sich bei der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche
Frage 33 der Abgeordneten Katja Kipping auf Bundestagsdrucksache 18/
3960, „Die BA hat zur durchgängigen Umsetzung des 4-Augen-Prinzips
einen Mehrbedarf von rund 400 Jahreskräften geschätzt […]“, um befristete
oder unbefristete Vollzeitstellen, und wie verteilen sich diese auf die einzel-
nen gE?

10. Für den Fall, dass es sich bei den zusätzlichen Stellen um befristete Stellen
handelt, ist die Handlungsanweisung ebenfalls befristet?

11. Wie sieht der Betreuungsschlüssel im Bereich Leistung in den gE im Jahr
2014 (Berichtsmonat Dezember 2014, gleitender Jahresdurchschnitt Sep-
tember 2013 bis August 2014) aus, und wie wird er sich unter Berücksich-
tigung der Verteilung der 400 zusätzlichen Stellen im Einzelnen verändern?

12. Erfolgt die Verteilung der zusätzlichen Stellen in den gE unter Einbeziehung
der örtlichen Personalräte, und wenn nein, warum nicht?

13. Ist in der geschätzten Erhöhung des Personalmehrbedarfs um 400 Jahres-
kräfte ein kommunaler Personalanteil enthalten?
a) Wenn ja, wie hoch ist der zusätzliche kommunale Beitrag?
b) Wenn nein, besteht die Möglichkeit, den kommunalen Anteil zusätzlich

zu erhöhen?
14. Was verbirgt sich hinter der Umschreibung „Umgang mit zahlungsrelevan-

ten Daten“, und welche Vorgänge sind welchen Schwierigkeitsgraden zuge-
ordnet?

15. Ist es richtig, dass das Vier-Augen-Prinzip die Sichtung des kompletten Lei-
tungsvorganges umfasst, und wenn ja, welchen Umfang haben solche Vor-
gänge minimal und maximal?

16. Ist davon auszugehen, dass die „Prüfer“, also das zweite Augenpaar, in der
Regel selbst Vorgänge in der Leistungsabteilung zu bearbeiten haben, und
wie wird der zusätzliche Zeitbedarf kompensiert?

17. Sind von der Arbeitsanweisung HEGA außer den Leistungsteams auch an-
dere Bereiche betroffen, und wenn ja, welche?

18. Ist es für die Leistungsmonate Januar und Februar 2015 aufgrund der An-
weisung zu verzögerten Auszahlungen an Hartz-IV-Leistungsberechtigte
gekommen, und wenn ja, in welchem Umfang, und welche Jobcenter waren
davon betroffen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4190
19. Welche Mitbestimmungsrechte gibt es vonseiten der Beschäftigten der Job-
center und ihrer Personalräte bei einer durch die Bundesagentur für Arbeit
zentral organisierten Einführung neuer Arbeitsabläufe bzw. grundlegend
neuer Arbeitsmethoden, wie beispielsweise der Einführung von ALLEGRO
oder dem Vier-Augen-Prinzip?

20. Welchen Stand hat aktuell das Projekt „Personalbemessung für die Leis-
tungsgewährung in den gemeinsamen Einrichtungen nach dem SGB II“?
a) Welche Ergebnisse liegen derzeit bereits vor?
b) Wann werden welche weiteren Ergebnisse erwartet?
c) Welche Auswirkungen hat die Einführung von ALLEGRO und des Vier-

Augen-Prinzips auf die Ergebnisse des Projektes?
Sind die zusätzlichen Arbeitsbelastungen aufseiten der Beschäftigten
durch das Projekt abgebildet?

Berlin, den 26. Februar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.