BT-Drucksache 18/4037

Regulatorische Kooperation im TTIP-Abkommen

Vom 17. Februar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4037
18. Wahlperiode 17.02.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Alexander Ulrich, Klaus Ernst, Jan van Aken, Christine
Buchholz, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko, Susanna
Karawanskij, Niema Movassat, Thomas Nord und der Fraktion DIE LINKE.

Regulatorische Kooperation im TTIP-Abkommen

Im Rahmen der Verhandlungen zwischen der Europäischen Union (EU) und den
Vereinigten Staaten von Amerika (USA) um die Transatlantische Handels- und
Investitionspartnerschaft (TTIP) wird auch über ein Kapitel zur „Regulato-
rischen Kooperation“ gesprochen. Laut verschiedener Stellungnahmen der
Europäischen Kommission (u. a. Factsheet „The Regulatory Part“, September
2013) geht es dabei darum, bestehende Regeln kompatibel zu machen, ohne
Standards zu schwächen oder die Regulierungsrechte von Parlamenten und Ge-
bietskörperschaften einzuschränken. Auch aus den Reihen der Bundesregierung
wird regelmäßig verlautbart, dass in TTIP keine Vereinbarungen getroffen wer-
den, die europäische Standards bedrohen.
Im Dezember 2014 wurde ein Textvorschlag der Europäischen Kommission für
das Kapitel zur „Regulatorischen Kooperation“ bekannt (Initial Provisions for
Chapter [ ] Regulatory Cooperation: www.corporateeurope.org/sites/default/files/
231214_regulatory_coherence_draft_proposal.pdf). Im Januar 2015 gelangte
eine überarbeitete Fassung an die Öffentlichkeit (www.corporateeurope.org/
sites/default/files/attachments/ttip-eu-regulatory-coherence-draft-proposal-
23.01.15.pdf). Mittlerweile findet sich der aktuelle Textvorschlag auch auf der
Website der Europäischen Kommission.
Diesen Dokumenten zufolge, schlägt die EU den USA unter anderem vor, ein
„Frühwarnsystem“ über geplante Regulierungen, ein Verfahren für Folge-
abschätzungsberichte, Stakeholder-Konsultationen und einen Regulierungsrat
(Regulatory co-operation Body, RCB) einzurichten.
Sollte dieser Vorschlag mit TTIP umgesetzt werden, könnte dies nach Einschät-
zung der Fragesteller einen erheblichen Einflussgewinn für Banken und Kon-
zerne zulasten der gewählten Parlamente bedeuten. Es ist mit einem solchen Ka-
pitel kaum zu vermeiden, dass verschiedene Standards in Bereichen wie Um-
weltschutz, Verbraucherschutz oder Finanzmarktregulierung abgebaut werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Regierungen der Mitglied-

staaten der Europäischen Union in die Verhandlungen zur regulatorischen
Kooperation in die TTIP eingebunden?

2. Wann und auf welchem Weg hat die Bundesregierung den Textvorschlag
„Initial Provisions for CHAPTER [ ] Regulatory Cooperation“ der Europä-
ischen Kommission erhalten?

Drucksache 18/4037 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Welchen Beitrag hat die Bundesregierung zum Zustandekommen des o. g.
Textvorschlags der Europäischen Kommission geleistet?

4. Welche Änderungsvorschläge gedenkt die Bundesregierung beizusteuern?
5. Was sind nach Einschätzung der Bundesregierung bei der regulatorischen

Kooperation die wesentlichen Konfliktlinien mit der US-Seite und die we-
sentlichen Unterschiede zwischen den von der EU einerseits und den USA
andererseits vorgelegten Textvorschlägen?

6. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Tatsache, dass der Vorschlag keinerlei branchenspezifische Ausnah-
men, beispielsweise für Lebensmittelstandards, Chemikalien oder die Fi-
nanzmarktregulierung, vorsieht?

7. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass dieses Kapitel zukünftig
zu einem Abbau von Standards in den in Frage 6 exemplarisch benannten
Bereichen führen könnte, sofern es in der vorgeschlagenen Form verab-
schiedet wird?

8. Welche Beteiligung des Europäischen Parlaments und der nationalen Parla-
mente in der EU ist nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Ausgestal-
tung des Kapitels zur regulatorischen Kooperation vorgesehen?

9. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Ansinnen der Lobbyverbände Chamber of Commerce und Business-
Europe, durch die regulatorische Kooperation in die Lage zu kommen,
Gesetze entscheidend mitgestalten zu können („essentially co-write legisla-
tion“, siehe www.corporateeurope.org/sites/default/files/businesseurope-
uschamber-paper.pdf, S. 4)?

10. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass eine stärkere Stakeholder-
Beteiligung bei Regulierungsfragen angesichts der starken Präsenz von In-
teressensvertretern der Wirtschaft und des Finanzsektors in Brüssel zu ei-
nem Ungleichgewicht bezüglich der Einflussmöglichkeiten verschiedener
Interessensgruppen führen könnte (bitte begründen)?
Wenn ja, welche Konsequenzen sollten daraus gezogen werden?

11. Welche Maßnahmen sind nach Auffassung der Bundesregierung geeignet,
um einen gleichgewichtigen Einfluss der verschiedenen Interessensgruppen
im Rahmen der Stakeholder-Konsultationen zu gewährleisten?

12. Welche Form der Beteiligung von Stakeholdern in Regulierungsfragen hält
die Bundesregierung für sinnvoll?

13. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Vorschlag der Kommission, ein Frühwarnsystem für geplante Ge-
setze einzuführen, das auch Stakeholder erfasst (Artikel 5 des Textvor-
schlags)?

14. Würde die Bundesregierung es für ein Problem halten, wenn ein solches
Frühwarnsystem dazu führt, dass Interessensvertreter der Wirtschaft und
des Finanzsektors früher in Regulierungsfragen eingebunden werden als
nationale Parlamente (bitte begründen)?

15. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass die Prioritätensetzung
beim vorgesehenen „impact assessment“ (siehe Artikel 7 Absatz 2 des Text-
vorschlags) stärker die Interessen der Wirtschaft als jene der Bürgerinnen
und Bürger reflektiert?

16. Sollte das „impact assessment“ nach Auffassung der Bundesregierung auch
analysieren, welche Folgen eine Regulierung für das Allgemeinwohl hat,
und wie wäre das zu gewährleisten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4037
17. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu dem vorgeschlagenen „impact
assessment“, vor dem Hintergrund, dass dort die Auswirkungen auf den
Verbraucherschutz, die Produktqualität, die Menschenrechte und die Um-
welt unberücksichtigt sind?

18. Wie bewertet die Bundesregierung die Vereinbarkeit der in Artikel 7 (insbe-
sondere Absatz 3) vorgesehenen Regeln mit dem Vorsorgeprinzip in der Ge-
setzgebung?

19. Sollten nach Auffassung der Bundesregierung auch Vertreterinnen und Ver-
treter der EU-Mitgliedstaaten in den vorgesehenen Regulatory Cooperation
Body (RCB) eingebunden werden (bitte begründen)?

20. Welche Art der Beteiligung des Europäischen Parlaments und der nationa-
len Parlamente im RCB hält die Bundesregierung für erstrebenswert?

21. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu dem noch im Dezember 2014
in Rede stehenden Ansinnen, von einer Berichterstattungspflicht für staat-
liche Institutionen unterhalb der nationalen Ebene (vgl. EU-Verhandlungs-
dokument)?

22. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass auch Vertreter von Ländern
und Kommunen in die regulatorische Kooperation eingebunden werden
sollten, wenn diese, wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen,
auch die lokale Gesetzgebung beeinflussen können soll?

23. Wie können Länder und Kommunen nach Auffassung der Bundesregierung
sinnvoll und angemessen in die regulatorische Kooperation mit den USA
eingebunden werden?

24. Wie positioniert sich die Bundesregierung in der im Textvorschlag nicht
umfassend geklärten Frage nach der Kompetenzverteilung bei künftigen
Regulierungsfragen zwischen dem RCB und den Parlamenten der Mitglied-
staaten bzw. dem Europäischen Parlament?

25. Welche Auswirkungen würde das vorgeschlagene Kapitel zur regulatori-
schen Kooperation nach Einschätzung der Bundesregierung auf zukünftige
parlamentarische Gestaltungsspielräume in der EU haben?

26. Wie kann über den vorgeschlagenen RCB nach Ansicht der Bundesregie-
rung gewährleistet werden, dass keine Standards geschwächt werden?

27. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung der weitere Verhandlungspro-
zess zur regulatorischen Kooperation mit den USA strukturiert sein?

Berlin, den 17. Februar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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