BT-Drucksache 18/3966

Anwendung der US-amerikanischen Blockadegesetze gegen Kuba in der Europäischen Union

Vom 3. Februar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3966
18. Wahlperiode 03.02.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Sevim Dağdelen, Annette Groth, Dr. André Hahn, Andrej Hunko, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Harald Petzold (Havelland), Richard Pitterle, Azize Tank,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Anwendung der US-amerikanischen Blockadegesetze gegen Kuba in der
Europäischen Union

Trotz der jüngsten Annäherung im Verhältnis mit Kuba hat die Regierung der
Vereinigten Staaten von Amerika in den vergangenen Jahren in zunehmendem
Maße versucht, ihre Blockadegesetze gegen den sozialistisch regierten Karibik-
staat auch in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union durchzusetzen. In-
folge dieser Politik sind das US-amerikanische Internetunternehmen eBay Inc.
und seine Tochterfirma PayPal Inc. gegen deutsche Händler vorgegangen, die
kubanische Produkte vertreiben und diese Geschäfte über die Bezahlplattform
von PayPal abrechnen. Diese Vorgehensweise hat sich weisungsgemäß auch die
EU-Vertretung des Dienstleisters, PayPal Europe S.à.r.l. & Cie, S.C.A. mit Sitz
in Luxemburg, zu eigen gemacht. Seit dem Sommer 2011 waren davon nach
Medienberichten (www.amerika21.de/nachrichten/2012/02/48818/blockade-
kuba-eu) mindestens zwei Dutzend Firmen betroffen.
Die Anwendung US-amerikanischer Blockadegesetze in Deutschland ist nicht
nur rechtswidrig und verletzt geltende Handelsprinzipien, sie gefährdet auch die
Existenz hiesiger Gewerbetreibender und benachteiligt Konsumenten. Die Bun-
desregierung hat bislang nichts unternommen, um das nach Auffassung der
Fragesteller rechtswidrige Vorgehen der genannten US-Unternehmen und ihrer
europäischen Vertretungen zu unterbinden.
Seit Sommer 2011 hat PayPal Europe mehrere Kunden schriftlich aufgefordert,
kubanische Produkte aus dem Sortiment zu entfernen. Kämen sie dieser Auffor-
derung nicht nach, würden die Konten durch den Internetbezahldienst gesperrt.
Angesicht der Marktdominanz von PayPal würde dies ein Aus für die geschäft-
liche Existenz der Betroffenen bedeuten. Die Europa-Filialen von eBay und
PayPal argumentieren (www.internetrecht-rostock.de/embargo-kuba-ebay-
paypal-schadenersatz.htm) damit, dass sie „denselben Handelsbeschränkungen
unterliegen, wie die Muttergesellschaft“ in den USA. Diese Argumentation steht
jedoch in deutlichem Widerspruch zu geltendem EU-Recht. Denn als Reaktion
auf die damals verschärften Blockadegesetze der USA (v. a. Helms-Burton-Ge-
setz, Torricelli-Gesetz) hat die Europäische Union im Herbst 1996 eine „Verord-
nung zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von
einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf berufenden und sich
daraus ergebenden Maßnahmen“ erlassen (Verordnung (EG) Nr. 2271/96 vom
22. November 1996, Amtsblatt Nr. L 309 vom 29.11.1996, www.eur-lex.
europa.eu.). Darin wird jeder Mitgliedstaat der EU aufgefordert, „die seines Er-

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achtens erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Interessen aller in Artikel 11
der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 genannten Personen (zu ergreifen), die
durch die extraterritoriale Anwendung der im Anhang zu der Verordnung (EG)
Nr. 2271/96 aufgeführten Gesetze, einschließlich Verordnungen und anderer
Rechtsakte sowie der darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnah-
men beeinträchtigt werden, soweit diese Interessen nicht durch die genannte
Verordnung geschützt werden“.
Dies betrifft nicht nur das rechtswidrige Vorgehen der genannten und ggf. wei-
terer US-Unternehmen sowie ihrer europäischen Vertretungen, sondern offenbar
auch deutsche Kreditinstitute. So weigerte sich die Postbank im Januar 2014
„aus geschäftspolitischen Gründen“, eine Überweisung eines bundesdeutschen
Vereins zugunsten des Zahlungsempfängers „Cuba Solidarity Campaign“, eine
zivilgesellschaftliche Organisation in Großbritannien, auszuführen (www.
netzwerk-cuba.de/presse-berichte/articles/paypal-agiert-wieder-als-online-
rambo-gegen-kuba.html).
Die extraterritorialen Auswirkungen der unilateralen US-Blockade gegen Kuba
werden vom Office of Foreign Assets Control (OFAC) des US-Finanzministe-
riums vehement gegen Unternehmen sowie Banken in der EU durchgesetzt.
Derzeit finden Verhandlungen zwischen US-Vertretern und der Deutschen Bank
über die Höhe der zu zahlenden, unilateral durch die USA verhängten Strafen
statt (www.manager-magazin.de/unternehmen/banken/iran-geschaefte-
commerzbank-soll-650-millionen-dollar-strafe-zahlen-a-989751.html). Die
Commerzbank erklärte sich Mitte Dezember 2014 zu einer Zahlung in Höhe von
650 Mio. US-Dollar bereit. Zuvor hatte die französische BNP Paribas fast
9 Mrd. US-Dollar an die USA wegen ähnlicher Vorwürfe des OFAC gezahlt
(www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2014-07/bnp-paribas-muss-zahlen). Die-
ser Betrag war aufgrund der direkten Intervention der französischen Regierung
bereits um eine 1 Mrd. US-Dollar reduziert worden. Auch im Falle der österrei-
chischen BAWAG konnte bereits im Jahr 2007 durch eine Regierungsinterven-
tion gegenüber den US-Behörden die Kündigung von 100 kubanischen Bank-
kunden in Österreich rückgängig gemacht werden (www.news.at/a/kubaner-
geschaeft-bawag-beziehungen-insel-kunden-172249).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Umsetzung der vom Europäischen

Rat als rechtswidrig eingestuften extraterritorialen Bestimmungen der US-
Blockade gegen Kuba
a) im Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland,
b) im Rechtsraum der Europäischen Union?

2. In welchem Rahmen hat die Bundesregierung auf Basis dieser juristischen
Einschätzung Gespräche mit der Regierung der USA geführt, und zu welchen
Ergebnissen kamen diese Gespräche?

3. Wie viele und welche Unternehmen waren in den vergangenen Jahren durch
restriktive Maßnahmen der USA nach Gesetzen, Verordnungen und anderen
Rechtsakten gemäß Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Europä-
ischen Rates vom 22. November 1996 betroffen?

4. Mittels welcher Maßnahmen wurde in Deutschland die genannte EU-Verord-
nung seit ihrem Inkrafttreten vor nunmehr 18 Jahren implementiert und an-
gewendet?

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5. Welche entsprechenden Maßnahmen haben nach Kenntnis der Bundesre-
gierung andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergriffen, um eine
Schädigung europäischer Unternehmen durch extraterritoriale Gesetze der
USA zu verhindern und die Verordnung (EG) Nr. 2271/96 zur Anwendung
zu bringen?

6. Mittels welcher Maßnahmen hat die Bundesregierung ihr wiederholtes
Votum in der UN-Generalversammlung gegen die US-amerikanische Blo-
ckade gegen Kuba konkret umgesetzt und ihm Geltung verschafft?

7. Wie hat die Bundesregierung sowohl bilateral als auch multilateral auf die
Regierung der USA eingewirkt, um gemäß ihres Stimmverhaltens in der
UN-Generalversammlung eine Beendigung der Blockadepolitik Washing-
tons gegen Kuba zu erreichen?

8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Umsetzung der ex-
traterritorialen Bestimmungen der US-Blockade gegen Kuba innerhalb der
EU durch US-amerikanische Unternehmen und/oder ihre europäischen Fi-
lialen, Subunternehmen oder Vertragspartner?
a) Wenn keine Erkenntnisse vorliegen, werden diese Informationen zusam-

mengetragen oder ist eine entsprechende Datenerhebung geplant?
b) Wenn nein, weshalb nicht?

9. Inwieweit sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf hinsichtlich der re-
striktiven Maßnahmen durch US-amerikanische Unternehmen und/oder
ihre europäischen Filialen, Subunternehmen oder Vertragspartner gegen
EU-Bürger, die kubanische Produkte vertreiben?

10. Welches Vorgehen empfiehlt die Bundesregierung deutschen Unternehmen,
die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit im Rechtsraum der Bundesrepublik
Deutschland von den rechtswidrigen Bestimmungen der extraterritorial
wirkenden US-Blockadegesetze betroffen sind und/oder von US-Unterneh-
men und/oder deren europäischen Vertretungen unter Verweis auf diese US-
Gesetze sanktioniert werden?

11. An wen können sich betroffene Unternehmen in der Bundesrepublik
Deutschland wenden?

12. Sind bei solchen Meldungen Fristen zu beachten?
13. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung

aus der Ablehnung von Überweisungen durch deutsche Kreditinstitute zu-
gunsten lokaler zivilgesellschaftlicher Organisationen innerhalb der EU, die
mit kubanischen Partnern arbeiten?

14. Steht die Bundesregierung mit deutschen Kreditinstituten bzw. Fachverbän-
den in Kontakt, um das Vorgehen gegen die Sanktionsdrohungen der USA
wegen geschäftlicher Kontakte zu beraten?

15. Inwiefern ist die Bundesregierung zum Handeln bereit oder gar verpflichtet,
wenn ihr die Anwendung der rechtswidrigen Bestimmungen der US-
Blockade nicht unmittelbar von den Betroffenen, sondern von Dritten ge-
meldet wird?

16. Macht sich ein deutsches Unternehmen strafbar, wenn es
a) die Anwendung von US-amerikanischen Blockadegesetzen im Rechts-

raum der Bundesrepublik Deutschland nicht anzeigt oder
b) den in der genannten EU-Verordnung aufgeführten US-Blockadegeset-

zen durch Erfüllung ausländischer Forderungen zur Umsetzung verhilft
oder verhelfen lässt?

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17. Inwiefern können die im Rahmen der TTIP-Verhandlungen mit den USA
vorgesehenen Regulierungen und Rechtsangleichungen künftig derartige
extraterritorialen Akte der USA bzw. von Wirtschaftsinstitutionen unter
dem politischen Einfluss der USA noch weiter verstärken oder hemmen,
und wie kann diesbezüglich der Schutz von EU-Unternehmen und zivilge-
sellschaftlichen Organisationen in der EU gewährleistet werden?

18. Teilt die Bundesregierung die Meinung der Europäischen Kommission,
dass das TTIP ein Verbot der Diskriminierung europäischer Unternehmen
durch US-amerikanische Gesetze stärken würde (u. a. www.trade.ec.europa.
eu/doclib/docs/2013/july/tradoc_151624.pdf), und wenn ja, weshalb geht
sie davon aus, dass diesem Diskriminierungsverbot gegenüber der beste-
henden „Verordnung zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterrito-
rialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von
darauf berufenden und sich daraus ergebenden Maßnahmen“ Geltung ver-
schafft werden kann?

19. Inwieweit stehen die US-Blockadegesetze gegen Kuba den derzeitigen Ver-
handlungen über eine politische und wirtschaftliche Annäherung der EU
mit der Regierung in Havanna entgegen?

20. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eine etwaige Ausset-
zung oder Abänderung der unilateral verhängten und extraterritorial wir-
kenden Blockadegesetze der USA gegen Kuba im Zuge der jüngst in Aus-
sicht gestellten diplomatischen Annäherung zwischen beiden Staaten?

Berlin, den 3. Februar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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