BT-Drucksache 18/39

Aktivitäten der Bundesregierung zur Aufklärung der NSA-Ausspähmaßnahmen und zum Schutz der Grundrechte

Vom 7. November 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/39
18. Wahlperiode 07.11.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Christine Buchholz, Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke,
Annette Groth, Dr. André Hahn, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko,
Katrin Kunert, Stefan Liebich, Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau, Dr. Petra Sitte,
Kersten Steinke, Frank Tempel, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Katrin Werner
und der Fraktion DIE LINKE.

Aktivitäten der Bundesregierung zur Aufklärung der NSA-Ausspähmaßnahmen
und zum Schutz der Grundrechte

Die Reaktionen der Bundesregierung auf die inzwischen nicht mehr bestrittene
Abhörattacke auf das Mobiltelefon der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
standen und stehen in deutlichem Kontrast zum Regierungshandeln in den Mo-
naten Juni bis Ende Oktober 2013.
Die lange Zeit der öffentlichen Verharmlosung („Mir ist nicht bekannt, dass ich
abgehört wurde“ – Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel am 14. Juli 2013), des
demonstrativ verbreiteten Vertrauens in die ungeprüften oder nicht überprüf-
baren Erklärungen der US-amerikanischen Regierung („Nein. Um jetzt noch
einmal klar etwas dazu zu sagen, was wir über angebliche Überwachungen auch
von EU-Einrichtungen und so weiter gehört haben: Das fällt in die Kategorie
dessen, was man unter Freunden nicht macht.“ Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel am 19. Juli 2013), gipfelte in der Erklärung des Chefs des Bundeskanz-
leramtes Ronald Pofalla am 12. August 2013 nach einer Sitzung des Parlamen-
tarischen Kontrollgremiums. Vor laufenden Kameras erklärte der für die Aufklä-
rung zuständige Bundesminister: „Die Vorwürfe sind vom Tisch (…) Die NSA
und der britische Nachrichtendienst haben erklärt, dass sie sich in Deutschland
an deutsches Recht halten. (…) Der Datenschutz wurde zu einhundert Prozent
eingehalten.“ (Alle Zitate nach Süddeutsche Zeitung vom 24. Oktober 2013).
Am 19. August 2013 zog der Bundesminister des Innern, Hans-Peter Friedrich,
nach und erklärte, dass „alle Verdächtigungen, die erhoben wurden, (…) ausge-
räumt (sind).“
Bis dahin hatte die Bundesregierung Fragebögen an die US-Regierung, die
britische Regierung und die großen Telekommunikationsunternehmen geschrie-
ben. Die Antworten trugen nichts zur Klärung bei, ebenso wenig wie die Ge-
spräche der hochrangigen Delegation unter Führung des Bundesinnenministers
in den USA am 11. und 12. Juli 2013 Fakten lieferten. Der Bundesinnenminister
Hans-Peter Friedrich erklärte bei seiner Rückkehr: „Bei meinem Besuch in
Washington habe ich die Zusage erhalten, dass die Amerikaner die Geheim-
haltungsvorschriften im Hinblick auf PRISM lockern und uns zusätzliche Infor-
mationen geben. Dieser sogenannte Deklassifizierungsprozess läuft. Ich habe
bei meinen Gesprächen das Thema Industriespionage angesprochen. Die Ame-
rikaner haben klipp und klar zugesichert, dass ihre Geheimdienste keine Indus-
triespionage betreiben“. Der Deklassifizierungsprozess ergab dann im Septem-

Drucksache 18/39 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
ber 2013, dass PRISM ein System sei, das Inhalte von Kommunikation spei-
chere und auswerte, aber nicht flächendeckend ausspähe (www.bmi.bund.de/
SharedDocs/Interviews/DE/2013/09/bm_tagesspiegel.html).
Bisher gibt es keinerlei Hinweise auf eigene Erkenntnisse der Bundesregierung,
die als Ergebnis einer systematischen Aufklärungsarbeit bezeichnet werden
könnten – weiterhin bleiben die aus dem Fundus des Whistleblowers Edward
Snowden stammenden Dokumente die einzigen harten Fakten.
Offensichtlich hat innerhalb der Bundesregierung nach dem Bekanntwerden der
Ausspähung des Handys der Bundeskanzlerin und der vermuteten Überwachung
nicht nur des deutschen Regierungsviertels durch US-Dienste eine vollkom-
mene Umwertung der bisherigen US-Erklärungen stattgefunden. Angesichts des
seit dem Jahr 2002 laufenden Lauschangriffs auf das Handy der Bundeskanzle-
rin, der mittlerweile u. a. auch von der Vorsitzenden des Geheimdienstausschus-
ses der Kongresskammer, Dianne Feinstein, bestätigt wurde, will die Bundesre-
gierung – so lautet die Sprachregelung jetzt – allen bisherigen Erklärungen der
US-Regierung und des Geheimdienstes NSA noch einmal auf den Grund gehen.
Nach einer Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums am 24. Ok-
tober 2013 sagte der Chef des Bundeskanzleramtes Ronald Pofalla, alle münd-
lichen und schriftlichen Aussagen der NSA in der Geheimdienst-Affäre würden
erneut überprüft und dieser Schritt sei bereits veranlasst. Wie die „New York
Times“ (1. November 2013) unter Berufung auf einen früheren Mitarbeiter der
NSA meldet, war der Lauschangriff auf die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
allerdings nur die Spitze des Eisbergs: Auch die Mobiltelefone anderer deutscher
Spitzenpolitiker, darunter offenbar auch die kompletten Oppositionsführungen,
und ranghoher Beamter waren demnach im Visier des US-Geheimdienstes. Es
ist gut, dass die Bundesregierung nun endlich wenigstens teilweise öffentlich
Handlungsbedarf erkennt, aber auch bezeichnend, dass dies in dieser Form erst
nach eigener Betroffenheit der Bundeskanzlerin geschieht und nicht aufgrund
der bereits länger bekannten massenhaften Ausspähung von Kommunikations-
daten im In- und Ausland von Bürgerinnen und Bürgern in der Bundesrepublik
Deutschland. Das macht sie und die bisher Erklärungen der US-Regierung blind
vertrauende Bundesregierung nicht gerade zur glaubwürdigen Verfechterin von
Datenschutz und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Zudem bleiben für die Öffentlichkeit weiterhin die entscheidenden Fragen un-
beantwortet:
Welche eigenen Erkenntnisse und Aktivitäten haben die Bundesregierung bis
zum Oktober 2013 zu den offiziellen Erklärungen veranlasst, es sei alles rech-
tens, was die US-amerikanischen und britischen Dienste auf deutschem Boden
unternähmen? Schließlich gibt es keinerlei verwertbare Informationen dazu,
was die Bundesregierung bisher unternommen hat und in Zukunft unternehmen
wird, um die wahrscheinlich millionenfachen Grundrechtsverstöße der „besten
Freunde“ zu beenden. Unklar bleibt auch, welche Konsequenzen sie daraus für
Rechtsgrundlagen und Praxis der deutschen Sicherheitsbehörden und ihrer
Kooperation mit ausländischen Diensten ziehen wird.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann, und in welcher Weise haben Bundesregierung, Bundeskanzlerin,

Bundeskanzleramt, die jeweiligen Bundesministerien sowie die ihnen nach-
geordneten Behörden und Institutionen (z. B. Bundesamt für Verfassungs-
schutz – BfV, Bundesnachrichtendienst – BND, Militärischer Abschirm-
dienst – MAD, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik – BSI,
Cyber-Abwehrzentrum) jeweils von der Ausforschung oder Überwachung
von (Tele-)Kommunikation der Bundeskanzlerin durch den US-amerikani-
schen Geheimdienst NSA oder andere „befreundete Dienste“ erfahren, und
wie haben sie im Einzelnen und konkret darauf reagiert?

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2. Welche Erkenntnisse haben die Bundesregierung wann veranlasst, davon
auszugehen, dass das Handy der Bundeskanzlerin über Jahre hinweg ausge-
forscht wurde?

3. Welche eigenen Untersuchungen, Recherchen und Überprüfungen durch
deutsche Sicherheitsbehörden hat die Bundesregierung veranlasst, um die
seit Juli 2013 schwelenden Gerüchte über die Überwachung der Bundes-
kanzlerin und weiterer Regierungsmitglieder und des Parlaments aufzuklä-
ren, und welche Ergebnisse haben diese Arbeiten im Detail erbracht?

4. Welche eigenen Untersuchungen, Recherchen und Überprüfungen hat die
Bundesregierung seit September 2013 konkret veranlasst, deren Ergebnisse
jetzt dazu geführt haben, allen bisherigen Erklärungen der US-Regierung
und des Geheimdienstes NSA noch einmal auf den Grund gehen zu müssen?

5. Welche Erklärungen (bitte der Antwort beilegen) sind im Einzelnen damit
gemeint?

6. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Fälle von Ausforschung
oder Überwachung von (Tele-)Kommunikation deutscher Spitzenpolitiker
und ranghoher Beamter durch den US-amerikanischen Geheimdienst NSA
oder andere „befreundete Dienste“, und welche Konsequenzen hat sie je-
weils daraus gezogen (bitte aufschlüsseln nach Betroffenen, Art und Dauer
der Bespitzelung und Reaktion der Bundesregierung)?

7. Welche weiteren, über die auf Bundestagsdrucksache 17/14739 gemachten
Angaben hinausgehenden Maßnahmen hat die Bundesregierung nach Be-
kanntwerden der Handy-Spionage der Bundeskanzlerin im und rund um das
Regierungsviertel ergriffen, um dort tätige oder sich aufhaltende Personen
vor der Erfassung und Ausspähung durch Geheimdienste zu schützen?

8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu privaten Firmen, die im
Auftrag der NSA im Bereich der Geheimdienstarbeit tätig sind und ggf. an
Spionage- und Überwachungsaktivitäten in der Bundesrepublik Deutsch-
land beteiligt sind (vgl. stern, 30. Oktober 2013)?
a) Wie viele dieser Firmen sind in Berlin ansässig und wie viele davon im

Regierungsviertel?
b) Welche davon sind seit wann im Visier der deutschen Spionageabwehr?
c) Welche deutschen Sicherheitsfirmen arbeiten seit wann mit diesen Fir-

men zusammen?
d) Welche Behörden sind hierzu mit Ermittlungen oder Recherchen be-

fasst?
e) Inwiefern und mit welchem Inhalt haben welche Behörden hierzu mit

welchen zuständigen Stellen in den USA Kontakt aufgenommen?
9. Welche Aktivitäten haben das BfV und seine zuständige Abteilung für Spi-

onageabwehr sowie die für Spionage zuständige Staatsschutzabteilung des
Bundeskriminalamtes (BKA) angesichts der Enthüllungen seit Juni 2013 zu
welchem Zeitpunkt eingeleitet, und zu welchen konkreten Ergebnissen ha-
ben sie jeweils bisher geführt?

10. Wie viele Fälle von Wirtschaftsspionage, insbesondere durch US-amerika-
nische Behörden oder Unternehmen, wurden durch die entsprechenden Ab-
teilungen des BfV seit dem Jahr 2000 mit welchem Ergebnis bearbeitet
(bitte pro Jahr und, wenn möglich, nach Herkunftsland des Angreifers auf-
listen)?

11. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse zu ausgespähten Wirtschaftsver-
bänden, und wenn ja, wie viele Fälle wurden durch die entsprechenden Ab-

Drucksache 18/39 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
teilungen des BfV seit dem Jahr 2000 mit welchem Ergebnis bearbeitet
(bitte pro Jahr auflisten)?

12. Aufgrund welcher eigenen Erkenntnisse konnte der Bundesinnenminister
Hans-Peter Friedrich die Aussage der US-Regierung bestätigen, die NSA
betreibe in Deutschland keine Wirtschaftsspionage, und welche Behörden
waren in eine Aufklärung dieser Aussage eingebunden?

13. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse zu durch die NSA oder andere aus-
ländische Geheimdienste ausgespähten Journalisten, Medien etc., und wenn
ja, wie viele Fälle wurden durch die entsprechenden Abteilungen des BfV
oder anderer Behörden seit dem Jahr 2000 mit welchem Ergebnis bearbeitet
(bitte pro Jahr auflisten)?
a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die mögliche Aus-

spähung der Redaktion und sonstigen Mitarbeiter des Magazins „DER
SPIEGEL“?

b) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die mögliche Ausspä-
hung von Redaktion und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ARD-
Hauptstadtstudios?

14. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die vermutete Existenz
von Spionage- und Abhöreinrichtungen in den Botschaften und Konsulaten
der USA und Großbritanniens in der Bundesrepublik Deutschland?

15. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse zu durch die NSA oder andere aus-
ländische Geheimdienste ausgespähten Nichtregierungsorganisationen, Ge-
werkschaften und Parteien?

16. Wie viele Spionagefälle insgesamt wurden mit welchem Ergebnis von den
entsprechenden Abteilungen des BfV seit 2000 bearbeitet (bitte pro Jahr
und, wenn möglich, nach Herkunftsland des Angreifers auflisten)?

17. Wie viele Spionagefälle insgesamt wurden mit welchem Ergebnis von der
Staatsschutzabteilung des BKA seit 2000 bearbeitet (bitte pro Jahr auflis-
ten)?

18. Welchen Inhalt hat der „Beobachtungsvorgang“ der Generalbundesanwalt-
schaft wegen des „Verdachts nachrichtendienstlicher Ausspähung von Da-
ten“ durch den US-Geheimdienst NSA und den britischen Geheimdienst
Government Communications Headquarters (GCHQ)?
a) Welche britischen oder US-Behörden wurden hierzu wann und mit wel-

chem Ergebnis kontaktiert?
b) Welchen Inhalt haben entsprechende Stellungnahmen des Bundeskanz-

leramtes, des Bundesministeriums des Innern (BMI) und des Auswärti-
gen Amts, der deutschen Geheimdienste und des BSI zu dem „Beobach-
tungsvorgang“?

19. Welche Abteilungen des BKA und des BSI wurden wann mit welchen ge-
nauen Aufgaben in die Aufklärung der in der Öffentlichkeit erhobenen Vor-
würfe der fortgesetzten, massenhaften und auf Dauer angelegten Verlet-
zungen der Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und auf
Integrität kommunikationstechnischer Systeme eingeschaltet, und welche
Ergebnisse hat das bisher gebracht?

20. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass es auch Angriffe und
Ausspähaktionen von Datenbanken deutscher Sicherheitsbehörden durch
US-amerikanische und andere ausländische Dienste gab und gibt?
Wenn ja, welche sind das (bitte konkret auflisten)?
Wenn nein, kann sie ausschließen, dass es zu entsprechenden Angriffen und
Ausspähaktionen gekommen ist (bitte begründen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/39
21. Wann wurden nach den ersten Enthüllungen im Juni 2013 die Datenanliefe-
rungen deutscher Nachrichtendienste – einschließlich des MAD – bzw. an-
derer Sicherheitsbehörden an Nachrichtendienste der USA oder der NATO
im Rahmen der üblichen Kooperationen (bitte dazu die Rechtsgrundlagen
auflisten)
a) eingestellt,
b) durch wen genau kontrolliert,
c) jetzt, im Nachhinein unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtsverstoßes

ausgewertet?
22. Liefern der BND, das BfV und der MAD auch nach den Medienberichten

und Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden weiterhin Daten an
ausländische Geheimdienste wie die NSA aus der Überwachung satelliten-
gestützter Internet- und Telekommunikation?
a) Wenn ja, aus welchen Gründen, in welchem Umfang, und in welcher

Form?
b) Wenn nein, warum nicht, und seit wann geschieht dies nicht mehr?

23. Welchen Umfang hatten die Datenanlieferungen der deutschen Nachrichten-
dienste bzw. anderer Sicherheitsbehörden an Nachrichtendienste der USA
oder der NATO im Rahmen der üblichen Kooperationen seit dem Jahr 2000
(bitte monatlich aufschlüsseln nach Nachrichtendienst/Sicherheitsbehörde,
Empfänger und Datenumfang)?

24. Wann und mit welcher Zielsetzung wurde der Bundesbeauftragte für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit in die Überprüfung der bisherigen
Erklärungen der USA eingeschaltet?

25. Hat die Bundesregierung eine vollständige Sammlung der Snowden-Doku-
mente?
Wenn nein,
a) was hat sie unternommen, um in ihren Besitz zu kommen,
b) von welchen Dokumenten hat sie Kenntnis, und ist das nach Kenntnis der

Bundesregierung der komplette Bestand der bisher veröffentlichten Do-
kumente?

26. Welche Behörden bzw. welche Abteilungen welcher Behörden und Institu-
tionen analysieren die Dokumente seit wann, und welche Ergebnisse haben
sich bisher konkret ergeben?

27. Gab oder gibt es angesichts der Hacking- bzw. Ausspähvorwürfe gegen die
USA Überlegungen oder Pläne, das Cyberabwehrzentrum mit Abwehrmaß-
nahmen zu beauftragen?
a) Wenn ja, wie sehen diese Überlegungen oder Pläne aus?
b) Wenn nein, warum nicht?

28. Wurde seit den jüngsten Enthüllungen der Cybersicherheitsrat oder ein ver-
gleichbares Gremium einberufen?
a) Wenn ja, wann geschah dies, und welche Themen und Fragen wurden

konkret mit welchen Ergebnissen beraten?
b) Wenn nein, warum nicht?

29. Welche Antworten liegen der Bundesregierung seit wann auf die Fragen-
kataloge des BMI vom 11. Juni 2013 an die US-Botschaft und vom 24. Juni
2013 an die britische Botschaft zu den näheren Umständen rund um die
Überwachungsprogramme PRISM und TEMPORA vor, und welche

Drucksache 18/39 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Schlussfolgerungen bzw. Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus
angesichts der neuesten Erkenntnisse?

30. Welche Antworten liegen der Bundesregierung seit wann auf die Fragen-
kataloge des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) vom 12. Juni 2013 an
den United States Attorney General Eric Holder und vom 24. Juni 2013 an
den britischen Justizminister Christopher Grayling und die britische Innen-
ministerin Theresa May zu den näheren Umständen rund um die Über-
wachungsprogramme PRISM und TEMPORA vor, und welche Schluss-
folgerungen bzw. Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus an-
gesichts der neuesten Erkenntnisse?

31. Sofern immer noch keine Mitteilungen Großbritanniens und der USA hierzu
vorliegen, wie wird die Bundesregierung auf eine Beantwortung drängen?

32. Wie kann und wird die Bundeskanzlerin über die notwendigen politischen
Konsequenzen entscheiden, obwohl sie sich bezüglich der Details für unzu-
ständig hält, wie sie im Sommerinterview in der Bundespressekonferenz
vom 19. Juli 2013 mehrfach betont hat?

33. Inwieweit treffen die Berichte der Medien und des Whistleblowers Edward
Snowden bezüglich der heimlichen Überwachung von Kommunikations-
daten durch US-amerikanische und britische Geheimdienste nach Kenntnis
der Bundesregierung zu?

34. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung derzeit darüber, wie die NSA
das Internet überwacht und konkret
a) über das Projekt PRISM, mit dem die NSA bei Google, Microsoft, Face-

book, Apple und anderen Firmen auf Nutzerdaten zugreifen soll,
b) über das NSA-Analyseprogramm Xkeyscore, mit dem sich Datenspei-

cher durchsuchen lassen sollen,
c) über das TEMPORA-Programm, mit dem der britische Geheimdienst

GCHQ u. a. transatlantische Glasfaserverbindungen anzapfen soll,
d) über das unter dem Codename ‚Genie‘ von der NSA offenbar kontrol-

lierte Botnet,
e) über das MUSCULAR-Programm, mit dem sich die NSA Zugang zu den

Clouds bzw. den Benutzerdaten von Google und Yahoo verschaffen soll?
f) wie die NSA offenbar Onlinekontakte von Internetnutzern kopiert,
g) wie die NSA offenbar das für den Datenaustausch zwischen Banken ge-

nutzte SWIFT-Kommunikationsnetzwerk anzapft?
35. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung derzeit darüber, wie die NSA

Telefonverbindungen ausspäht, und ob davon auch deutsche Bürgerinnen
und Bürger in welchem Umfang betroffen sind?

36. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung derzeit darüber, wie die NSA
gezielt Verschlüsselungen umgeht?
a) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das Bullrun-Projekt,

mit dem die NSA die Web-Verschlüsselung SSL angreifen soll und Hin-
tertüren in Software und Hardware eingepflanzt haben soll?

b) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass die NSA
offenbar Standards beeinflusst und sichere Verschlüsselung angreift?

37. Hat sich im Lichte der neuen Erkenntnisse die Einschätzung der Bundes-
regierung (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14739) bezüglich der Voraus-
setzungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Whistleblower
Edward Snowden nach § 22 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) aus völ-
kerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen (Satz 1) oder zur
Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland (Satz 2)

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/39
geändert, und wird das BMI vom § 22 AufenthG Gebrauch machen, um
Edward Snowden eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland anzubieten und
ggf. erteilen zu können, auch um ihn hier als Zeugen zu den mutmaßlich
strafbaren Vorgängen im Rahmen möglicher Strafverfahren oder parlamen-
tarischer Untersuchungen vernehmen zu können?
Wenn nein, prüft die Bundesregierung alternative Möglichkeiten zur Ver-
nehmung bzw. Anhörung des sachkundigen Zeugen Edward Snowden, z. B.
durch eine Befragung an seinem derzeitigen Aufenthaltsort im Ausland
(bitte begründen)?

38. Welche der im Acht-Punkte-Katalog zum Datenschutz, den die Bundes-
kanzlerin am 19. Juli 2013 vorgestellt hat, aufgeführten Vorhaben wurden
wann wie umgesetzt, bzw. wann ist ihre Umsetzung wie geplant?

39. Wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für eine zügige Ver-
abschiedung EU-weit geltender Datenschutzstandards mit hohem Schutz-
niveau einsetzen, und wenn ja, wird dies unter anderem
a) einen Einsatz für hohe Transparenzvorgaben sowie verständliche und

leicht zugängliche Informationen über Art und Umfang der Datenver-
arbeitung in prägnanter Form,

b) die Stärkung der Betroffenenrechte unter Berücksichtigung der Langle-
bigkeit und Verfügbarkeit digitaler Daten, insbesondere der Rechte auf
Datenlöschung und Datenübertragbarkeit sowie

c) die Stärkung bestehender Verbraucher- und Datenschutzinstitutionen
beinhalten?
Wenn nein, warum nicht?

40. Inwieweit treffen Medienberichte zu, wonach der BND eine Anordnung an
den Verband der deutschen Internetwirtschaft e. V. bzw. einzelne Unterneh-
men versandte, die Unterschriften aus dem BMI und dem Bundeskanzler-
amt trägt und in der 25 Internet-Service-Provider aufgelistet sind, von deren
Leitungen der BND am Datenknotenpunkt De-Cix in Frankfurt einige an-
zapft (SPIEGEL ONLINE, 6. Oktober 2013)?

41. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass es sich bei
dem Datenverkehr über Systeme der Unternehmen 1&1, Freenet, Strato,
QSC, Lambdanet und Plusserver vorwiegend um innerdeutschen Datenver-
kehr handelt?

42. Inwieweit trifft es, wie vom Internetverband berichtet, zu, dass die viertel-
jährlichen Abhöranordnungen immer wieder verspätet eintrafen, der Ver-
band im letzten Quartal sogar damit gedroht habe, „die Abhörleitungen zu
kappen, weil die Papiere um Wochen verspätet waren“?

43. Wie kam die Initiative der Bundeskanzlerin und der brasilianischen Präsi-
dentin Dilma Rousseff zustande, eine UN-Resolution gegen die Über-
wachung im Internet auf den Weg zu bringen, und seit wann existieren
hierzu entsprechende Diskussionen?

44. Inwiefern liegen der Bundesregierung nunmehr genügend „gesicherte
Kenntnisse“ oder andere Informationen vor, um die Vereinten Nationen
anrufen zu können und die Spionage der NSA förmlich verurteilen und un-
terbinden zu lassen, und welche Schritte ließ sie hierzu in den letzten sechs
Wochen durch welche Behörden „sorgfältig prüfen“ (Bundestagsdrucksa-
che 17/14739)?

45. Was ist der konkrete Inhalt der Resolution?
Inwieweit wäre die Resolution nach ihrer Abstimmung auch für die Ver-
hinderung der nach Auffassung der Fragesteller gegenwärtigen ausufernden

Drucksache 18/39 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Spionage westlicher Geheimdienste geeignet, da diese stets behaupten, sie
hielten sich an bestehende Gesetze?

46. Welche rechtlichen Verpflichtungen ergäben sich nach einer Verabschie-
dung der Resolution für die Geheimdienste der UN-Mitgliedstaaten?
Wird sich die Bundesregierung, sofern die verabschiedeten Regelungen
nicht verpflichtend sind, für einen Beschluss im Sicherheitsrat und dabei
auch für die Zustimmung von Großbritannien und den USA einsetzen?

47. Über welche neueren, über die Angaben auf Bundestagsdrucksache 17/
14788 hinausgehenden Kenntnisse verfügt die Bundesregierung, ob und in
welchem Umfang US-amerikanische Geheimdienste im Rahmen des Spio-
nageprogramms PRISM oder anderer mittlerweile bekannt gewordener,
ähnlicher Werkzeuge auch Daten von Bundesbürgern auswerten?

48. Inwieweit und mit welchem Ergebnis wurde dieses Thema auch beim Tref-
fen deutscher Geheimdienstchefs mit US-amerikanischen Diensten am
6. November 2013 in den USA erörtert?

49. Inwieweit ergeben sich aus dem Treffen und den eingestuften US-Doku-
menten, die laut der Bundesregierung deklassifiziert und „sukzessive“ be-
reitgestellt würden (Bundestagsdrucksache 17/14788) hierzu weitere Hin-
weise?

50. Inwieweit geht die Bundesregierung weiterhin davon aus, dass „im Zuge
des Deklassifizierungsprozesses ihre Fragen abschließend von den USA be-
antwortet werden“ (Bundestagsdrucksache 17/14602), und welcher Zeit-
horizont wurde hierfür von den entsprechenden US-Behörden jeweils kon-
kret mitgeteilt?

51. Mit wem haben sich der außenpolitische Berater der Bundeskanzlerin,
Christoph Heusgen, sowie der Geheimdienst-Koordinator Günter Heiß bei
ihrer Reise im Oktober 2013 in die USA getroffen, und welche Themen
standen bei den Treffen jeweils auf der Tagesordnung?
a) Inwieweit und mit welchem Inhalt oder Ergebnis wurde dabei auch das

Spionagenetzwerk „Five Eyes“ thematisiert?
b) Wie bewertet die Bundesregierung den Ausgang der Gespräche?

52. Wie viele Kryptohandys hat die Bundesregierung zur Sicherung ihrer eige-
nen mobilen Kommunikation mittlerweile aus welchen Mitteln angeschafft,
und wer genau wurde damit wann ausgestattet (bitte nach Auftragnehmer,
Anzahl, Modell, Verschlüsselungssoftware, Kosten und Datum der Aus-
händigung an die jeweiligen Empfänger aufschlüsseln)?

53. Wie lauten die Anwendungsvorschriften zur Benutzung von Kryptohandys
bei der Bundesregierung, bei den Bundesministerien und Behörden, und wie
viele Fälle von missbräuchlichem oder unkorrektem Gebrauch sind der
Bundesregierung bekannt (bitte aufschlüsseln nach Bundesministerien, Be-
hörden und der Bundesregierung, Anzahl bekanntgewordener Verstöße und
jeweiligen Konsequenzen)?

54. Wird sich die Bundesregierung, wie vom Bundesdatenschutzbeauftragten
Peter Schaar und dem Verbraucherzentrale Bundesverband gefordert, auf
europäischer und internationaler Ebene dafür einsetzen, dass keine um-
fassende und anlasslose Überwachung der Verbraucherkommunikation er-
folgt?
Wenn ja, in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/39
55. Wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für eine Aussetzung
und kritische Bestandsaufnahme der Rechtsgrundlagen für die Übermitt-
lung von Verbraucherdaten an Drittstaaten, wie das Safe-Habor-Abkommen
oder das SWIFT-Abkommen und das PNR-Abkommen, einsetzen?
Wenn ja, in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?

56. Plant die Bundesregierung, die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen
mit den USA auszusetzen, bis der NSA-Skandal vollständig mithilfe von
US-Behörden aufgedeckt und verbindliche Vereinbarungen getroffen sind,
die ein künftiges Ausspähen von Bürgerinnen und Bürgern und Politikerin-
nen und Politikern etc. in Deutschland und der EU verhindern?
Wenn nein, warum nicht?

57. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob, und wenn ja, in welchem
Umfang, die USA und das Vereinigte Königreich die Kommunikation der
Bundesministerien und des Deutschen Bundestages – analog zur Ausspä-
hung von EU-Institutionen – mithilfe der Geheimdienstprogramme PRISM
und TEMPORA ausgespäht, gespeichert und ausgewertet hat?

58. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus dem im Jahr 2009
erfolgten erfolgreichen Angriff auf den GSM-Algorithmus gezogen (vgl.
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdruck-
sache 17/1072, Frage 2)?

59. Wie bewertet die Bundesregierung heute die in den geleakten NSA-Doku-
menten erhobene Behauptung, der BND habe „daran gearbeitet, die deut-
sche Regierung so zu beeinflussen, dass sie Datenschutzgesetze auf lange
Sicht laxer auslegt, um größere Möglichkeiten für den Austausch von
Geheimdienst-Informationen zu schaffen“ (vgl. hierzu SPIEGEL ONLINE
vom 20. Juli 2013), und ist sie diesem Vorwurf mit welchen Ergebnissen
nachgegangen?
Wenn nein, warum nicht?

60. Sind der Bundesregierung die Enthüllungen des „Guardian“ vom 1. Novem-
ber 2013 bekannt, in denen mit Bezug auf die Snowden-Dokumente von
einer Unterstützung des GCHQ für den BND bei der Umdeutung und Neu-
interpretation bestehender Überwachungsregeln, mit denen nach Auffas-
sung der Fragesteller u. a. das G10-Gesetz gemeint sein dürfte, berichtet
wird?
Wenn ja, wie bewertet sie diese, und hat sie sich diesbezüglich um eine Auf-
klärung bemüht?

61. Wie bewertet die Bundesregierung Enthüllungen des „Guardian“ vom
1. November 2013, wonach das GCHQ jahrelang auf die Dienste und die
Expertise des BND beim Anzapfen von Glasfaserkabeln zurückgriff, da die
diesbezüglichen technischen Möglichkeiten des BND einem GCHQ-Doku-
ment zufolge bereits im Jahr 2008 einem Volumen von bis zu 100 GBit/s
entsprochen hätten, während die Briten sich damals noch mit einer Kapazi-
tät von 10 GBit/s hätten abfinden müssen, vor dem Hintergrund, dass der
BND eine solche Zusammenarbeit bislang abstritt?

Berlin, den 7. November 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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