BT-Drucksache 18/3830

Bericht über die Weiterleitung von Akten aus der Stasi-Unterlagenbehörde über das Bundesministerium des Innern an die National Security Agency im Jahr 1992

Vom 26. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3830
18. Wahlperiode 26.01.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Roland Claus, Caren Lay, Sigrid Hupach, Jan Korte,
Herbert Behrens, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, Kerstin Kassner, Ralph Lenkert,
Harald Petzold (Havelland), Petra Pau, Martina Renner, Dr. Petra Sitte,
Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Bericht über die Weiterleitung von Akten aus der Stasi-Unterlagenbehörde über
das Bundesministerium des Innern an die National Security Agency im Jahr 1992

Seit Januar 2014 ist der Dokumentarfilm „Land unter Kontrolle“ in verschiede-
nen Fernsehsendern der Bundesrepublik Deutschland – unter anderem „3sat“
und „ZDF-Info“ – mehrfach ausgestrahlt worden. Der Film ist in der Media-
thek von „3sat“ unter dem Datum 27. Januar 2014 in voller Länge abrufbar
(www.3sat.de/, Stand: 23. Januar 2015). Der Texttrailer auf der Homepage
lautet: „Die Bundesrepublik ist ein überwachtes Land, das beweist der NSA-
Skandal. Und es war nie anders. ‚Kulturzeit extra: Land unter Kontrolle‘ blickt
auf die bundesdeutsche Geschichte der Überwachung von ihren Anfängen bis
heute.“
Folgt man der Sequenz des Films von Minute 19:00 bis Minute 22:06, so hat der
seinerzeitige Direktor beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staats-
sicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU),
Hansjörg Geiger, im Jahr 1992 eine hochgeheime Anforderungsliste der Na-
tional Security Agency (NSA) zusammen mit 20 laufenden Aktenmetern „von
Hand zu Hand an den Innenminister übergeben“, und dieser „händigte die Akten
ungesichtet 1992 den Amerikanern aus“. Dieser Vorgang ist bereits im Nach-
richtenmagazin „DER SPIEGEL“ (Nr. 30/1999, S. 52 bis 53) unter der Über-
schrift „Spurenvernichtung im Amt“ beschrieben und kommentiert worden.
Dort heißt es u. a.: „Die Stasi hatte Beweise dafür gesammelt, dass US-Agenten
die Bundesregierung ausspionierten. Doch nach der Wende ließ das Bonner
Innenministerium die belastenden Akten von bewaffneten Grenzschützern ab-
holen und nach Washington bringen. Die stählernen Container bargen ein Staats-
geheimnis: 13.088 Seiten Dokumente. […] Kernstück der Sammlung war die
sogenannte National Sigint Requirement List (NSRL), ein 4258 Seiten starkes
Dokument, in dem die NSA festlegt, in welchen Ländern was abgehört werden
soll.“
Neben der überragenden Bedeutung, die dieser Vorgang für die Geschichte der
Aktivitäten der NSA in Deutschland und für die Verbindungen zwischen der
NSA und deutschen Behörden im Allgemeinen besitzt, stellen sich im Besonde-
ren auch Fragen zur Tätigkeit des seinerzeitigen BStU, Joachim Gauck. Dieser
hat in seinem „Ersten Tätigkeitsbericht“ (auf Bundestagsdrucksache 12/5100
vom 11. Juni 1993) unter Punkt 6.7 „Verwendung der Unterlagen für Zwecke der
Nachrichtendienste“ erklärt: „Bisher hat es noch keinen Fall gegeben, in dem
der Bundesminister des Innern die ersatzlose Herausgabe von Unterlagen ange-

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ordnet hat, die das StuG unter engen Voraussetzungen erlaubt.“ (S. 67). Der
Widerspruch zum Fakt der Aktenübergabe 1992 ist evident.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die im Dokumentarfilm „Land

unter Kontrolle“ aus dem Jahr 2014 und im Nachrichtenmagazin „DER
SPIEGEL“ aus dem Jahr 1999 beschriebene Übergabe von Akten aus dem
Bestand des BStU an das Bundesministerium des Innern (BMI) abgelaufen?

2. Wer hat wem die Weisung zu dieser Übergabe erteilt?
3. Wer hat die Weisung zu dieser Übergabe entgegengenommen, und wem ge-

genüber ausgeführt?
4. Wie erklärt sich die Bundesregierung den Widerspruch zwischen dem Fakt

der Aktenübergabe im Jahr 1992 und der Aussage des BStU, Joachim Gauck,
vom 11. Juni 1993 (vgl. Bundestagsdrucksache 12/5100), wonach es „keinen
Fall“ einer solchen Aktenübergabe an das BMI gegeben habe?

5. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass der Beirat des BStU, der laut Bun-
destagsdrucksache 12/5100 (S. 10 und 76) mit dem BStU den Bericht disku-
tiert bzw. beraten hat, der Aussage zugestimmt hat, wonach es „keinen Fall“
einer solchen Aktenübergabe an das BMI gegeben habe?

6. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Weitergabe der Akten an die
NSA erfolgt?

7. Hat es nach der Übergabe der Akten an die NSA eine Zusammenarbeit zwi-
schen der NSA und deutschen Behörden zur Auswertung der Akten gegeben?
Wenn ja, welche Behörden waren einbezogen?

Berlin, den 23. Januar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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