BT-Drucksache 18/345

Korruptionsvorwürfe gegen deutsche Rüstungsunternehmen bei Rüstungsexporten nach Griechenland

Vom 24. Januar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/345
18. Wahlperiode 24.01.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Katrin Kunert, Jan van Aken, Annette Groth,
Andrej Hunko, Niema Movassat, Harald Petzold (Havelland), Martina Renner,
Kersten Steinke, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Korruptionsvorwürfe gegen deutsche Rüstungsunternehmen bei
Rüstungsexporten nach Griechenland

Medienberichten zufolge sind deutsche Rüstungskonzerne in mutmaßliche Kor-
ruptionsfälle in Griechenland involviert. Nachdem gegen den ehemaligen Spit-
zenbeamten Antonios Kantas, der von 1992 bis 2002 das griechische Direktorat
für Rüstung geleitet hatte, Ermittlungen aufgrund der Entgegennahme von
Schmiergeldern aufgenommen wurden, belastete dieser in seinen Aussagen
deutsche Rüstungsunternehmen wie ATLAS ELEKTRONIK, KraussMaffei
Technologies GmbH und Rheinmetall AG schwer (vgl. Süddeutsche Zeitung,
28. Dezember 2013). Antonios Kantas steht im Verdacht, rund 14 Mio. Euro an
Schmiergeld erhalten zu haben. Über Panajotis Efstathiou sollen die Schmier-
gelder von den deutschen Rüstungskonzernen an Beamte des griechischen
Staatsapparates geflossen sein. Panajotis Efstathiou äußerte sich dahingehend,
im Auftrag deutscher Rüstungskonzerne gehandelt zu haben (vgl. frontal 21,
14. Januar 2014). Der ehemalige Verteidigungsminister Griechenlands, Akis
Tsochatzopoulos, wurde aufgrund von Annahme von Schmiergeldern bereits
verurteilt. Demzufolge war auch die höchste politische Ebene involviert (vgl.
Neue Zürcher Zeitung, 8. Januar 2014).
Da deutsche Rüstungsexporte in der Regel über den geheim tagenden Bundes-
sicherheitsrat beschlossen werden, trägt auch die Bundesrepublik Deutschland
eine politische Mitverantwortung für den Verkauf deutscher Rüstungsgüter an
Griechenland. Daher drängt sich die Frage auf, ob, und falls ja, welche Schutz-
vorkehrungen im Rahmen der deutschen Waffenexportrichtlinien vorhanden
sind, um durch Korruption zustande gekommene Verkaufsabschlüsse zu erken-
nen und ggf. unterbinden zu können oder ob anderenfalls an einer entsprechen-
den Regelung gearbeitet wird, um künftig Korruption entsprechend entdecken
zu können. Die intransparente Entscheidungsfindung über deutsche Rüstungs-
exporte erschwert dabei das Nachweisen von Korruptionsfällen und von un-
erlaubter Einflussnahme durch deutsche Rüstungsunternehmen (vgl. Lobby-
Control, Lobbyreport 2013, S. 11).
Ferner drängt sich insbesondere durch die anhaltende wirtschaftliche Rezession
in Griechenland die Frage auf, wie die Bundesregierung die Anschaffung deut-
scher Militärtechnologie und deutscher Militärgüter durch Griechenland mit
Blick auf die technologische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes
rechtfertigt, die es im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
der Europäischen Union zu beachten gilt (vgl. Gemeinsamer Standpunkt 2008/
944/GASP des Rates). Es stellt sich die Frage, ob die Bundesregierung im Rah-
men des Europäischen Semesters darauf drängen wird, dass Griechenland ange-

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sichts der dramatischen wirtschaftlichen Notlage seine überproportional hohen
Kosten für Militärausgaben zur Haushaltskonsolidierung senken wird.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche kommerziellen Rüstungsexporte aus Deutschland nach Griechen-

land erfolgten seit dem Jahr 1990 (bitte nach finanziellem Umfang, Waffen-
art und Jahr auflisten)?

2. Hat die Bundesregierung Kenntnis von den Korruptionsvorwürfen gegen
ATLAS ELEKTRONIK, KraussMaffei Technologies GmbH und Rhein-
metall AG?

3. In welchem Umfang wurden seit dem Jahr 1990 Militärgüter von ATLAS
ELEKTRONIK, KraussMaffei Technologies GmbH und Rheinmetall AG
nach Griechenland exportiert (bitte nach finanziellem Umfang, Waffenart
und Jahr auflisten)?

4. In welchem Umfang hat die Bundesregierung seit dem Jahr 1990 Kriegs-
waffen und sonstige Rüstungsgüter aus Überschussbeständen der Bundes-
wehr nach Griechenland abgegeben (bitte nach finanziellem Umfang und
Waffenart und der jeweiligen Stückzahl auflisten)?

5. Inwiefern wurden deutsche Beamte und Angestellte in Griechenland einge-
setzt, um für deutsche Rüstungsgüter und Militärtechnologie zu werben und
den Abschluss entsprechender Anschaffungsvereinbarungen durch die grie-
chische Regierung vorzubereiten (bitte unter Angabe des jeweiligen Da-
tums von diesbezüglichen Dienstreisen der Beamten und Angestellten, ihrer
Behörde oder ihres Ministeriums sowie ihrer Dienstbezeichnung antwor-
ten)?

6. Wie rechtfertigt die Bundesregierung die Ausfuhr von Militärtechnologie
und Militärgütern nach Artikel 2, Kriterium 8 zur technischen und wirt-
schaftlichen Leistungsfähigkeit Griechenlands der EU-Rechtsakte 2008/
944/GASP seit Einführung des Euro als gesetzliche Buchungswährung am
1. Januar 1999?

7. Wie positioniert sich die Bundesregierung im Rahmen des Europäischen
Semesters im Europäischen Rat zur Frage einer weiteren Reduzierung der
griechischen Militärausgaben, um die Leistungsfähigkeit der griechischen
Wirtschaft nicht durch überproportional hohe Militärausgaben zu beein-
trächtigen (bitte Begründung anfügen)?

8. Welche ausgleichenden Investitionen (z. B. Verlagerung der Produktion
nach Griechenland) haben nach Kenntnis der Bundesregierung deutsche
Rüstungsunternehmen in Griechenland zur Erlangung von Rüstungsaufträ-
gen seit dem Jahr 1990 zugesagt (bitte nach finanziellem Umfang und Art
der Investition auflisten)?

9. Welche ausgleichenden Investitionen haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung deutsche Rüstungsunternehmen in Griechenland zur Erlangung
von Rüstungsaufträgen seit dem Jahr 1990 tatsächlich umgesetzt (bitte nach
finanziellem Umfang und Art der Investition auflisten)?

10. Welche Maßnahmen betreibt die Bundesregierung über die Gesetzgebung
hinaus (z. B. Schulungen, Verhaltenscodices), um gegen mögliche Korrup-
tion innerhalb der deutschen Beamtenschaft im Rahmen von Auslandsge-
schäften vorzugehen?

11. Liegen der Bundesregierung Informationen über griechische Rechtsge-
suche im Rahmen der Korruptionsvorwürfe gegen deutsche Rüstungsunter-
nehmen und -geschäftsleute vor?
Falls ja, wann sind die Rechtshilfegesuche eingegangen, und wie wurden
sie beschieden?

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12. Welchen Stand hat die Bundesregierung über die Ermittlungen der Bremer
Staatsanwaltschaft gegen die Firmen Rheinmetall AG und ATLAS ELEK-
TRONIK über die mutmaßliche Bestechung griechischer Amtsträger (vgl.
Süddeutsche Zeitung, 28. Dezember 2013)?

13. Welchen Stand hat die Bundesregierung über die Ermittlungen der Münch-
ner Staatsanwaltschaft gegen die Firma Ferrostaal GmbH über die mutmaß-
liche Bestechung griechischer Amtsträger (vgl. Süddeutsche Zeitung,
24. August 2013)?

14. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über Korruptionsvorfälle
von deutschen Rüstungsunternehmen oder deutschen Geschäftsleuten von
Rüstungsunternehmen in Griechenland seit dem Jahr 1990 vor?

15. Welche vergleichbaren Korruptionsvorfälle im Rüstungswesen sind der
Bundesregierung seit dem Jahr 1990 bekannt (bitte auflisten)?

16. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Position des Politikwissenschaftlers Robert Glawes, wonach die
bisherige Praxis der Entscheidungen über deutsche Waffenexporte „in
Kompetenzfragen fortwährend gegen das Grundgesetz verstößt“ (Glawe,
DVBl. 127 (2012), S. 332), da der Bundessicherheitsrat ohne Vorlage bei
der Bundesregierung allein über Waffenexporte entscheidet?

17. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um sicherzustellen, dass
die durch den Bundessicherheitsrat getroffenen Entscheidungen zu deut-
schen Waffenexporten nicht durch Vereinbarungen zustande gekommen
sind, die durch Formen von Korruption beeinflusst wurden?

18. Existiert für die mit kommerziellen sowie staatlichen Rüstungsexporten be-
schäftigten Beamten und Angestellten des Bundes eine Meldepflicht, sofern
diese Kenntnis von Korruption im Zusammenhang mit von ihnen begleite-
ten bzw. betreuten Rüstungsexporten erlangen?
Falls ja, an wen erfolgt eine Meldung, und falls nein, warum existiert eine
solche Meldepflicht nicht?

19. In wie vielen Fällen seit dem Jahr 1990 wurde gegen Beamte oder Ange-
stellte des Bundes wegen Bestechung im Zusammenhang mit Rüstungsex-
porten ermittelt, zu wie vielen Strafverfahren, und zu wie vielen Verurteilun-
gen kam es dabei (bitte unter Angabe des Jahres, des Bundesministeriums
oder der -behörde, in dem die Person arbeitete, der jeweiligen Dienstbe-
zeichnung oder Funktion sowie des jeweiligen Exportvorhabens benennen)?

20. Hält die Bundesregierung auch an der Geheimhaltung der Geschäftsvorha-
ben deutscher Rüstungsunternehmen im Falle von Korruptionsfällen bei
deutschen Waffenexporten fest?

21. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf bei der Verschärfung von An-
tikorruptionsgesetzen bei der Bestechung ausländischer Amtsträger (bitte
Begründung anfügen)?

22. Wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeit der Einführung eines
Lobbyregisters zur Offenlegung des Einflusses von Lobbyorganisationen
ein, in dem diese angeben müssen, welche ehemaligen Politiker, Staatsbe-
dienstete und Militärangehörige bei ihnen angestellt sind?

Berlin, den 23. Januar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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