BT-Drucksache 18/3164

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/2710, 18/3141 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)

Vom 12. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3164
18. Wahlperiode 12.11.2014
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Nicole Gohlke, Sigrid Hupach,
Ralph Lenkert, Cornelia Möhring, Harald Petzold (Havelland), Katrin Werner,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/2710, 18/3141 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht eine Lockerung des
Kooperationsverbotes vor, beschränkt diese aber lediglich auf den Bereich der
Wissenschafts- und Hochschulförderung. Das Verbot der Zusammenarbeit von
Bund und Ländern im Bereich der Bildung war im Rahmen der Föderalismusre-
form von 2006 auf Druck der unionsregierten Länder Bayern, Hessen und Ba-
den-Württemberg ins Grundgesetz aufgenommen worden. Seitdem sind direkte
finanzielle Zuwendungen des Bundes an die Länder nur noch in beschränktem
Maße im Hochschulbereich möglich. Die nun beabsichtige Lockerung des Ko-
operationsverbotes ist eine Reaktion auf den Druck der Hochschulen, die auf-
grund der unzureichenden Grundfinanzierung unter mangelnder Planungssicher-
heit leiden. Hinzu kommt ein erheblicher Sanierungs- und Ausbaubedarf an
Gebäuden und Einrichtungen, der nach der Abschaffung der Bundesaufgabe
Hochschulbau nicht mehr aufgefangen wird. Der Regelungsgehalt der nun be-
schlossenen Grundgesetzänderung sieht aber vor, dass nur in solchen Fällen eine
Förderung stattfinden soll, denen eine überregionale Bedeutung zukommt.
Schon in der Ausschussanhörung wurde deutlich, dass diese Festlegung weiten
Interpretationsspielraum lässt und wenig Verlässlichkeit bietet. Politisch beson-
ders problematisch ist allerdings, dass die in Rede stehenden Vereinbarungen
der Zustimmung aller Länder (Einstimmigkeitsprinzip) bedürfen. Dies ist
gleichzusetzen mit dem Vetorecht einzelner Bundesländer. Eine Rechtfertigung
könnte sich zwar aus der Durchbrechung der föderalen Ordnung ergeben. Aller-
dings erscheint die Reduzierung der Zustimmungsquote auf die auch für Verfas-
sungsänderungen erforderliche Zweidrittelmehrheit hier sachgerechter.

Die vorgeschlagene Beschränkung auf Vorhaben von überregionaler Bedeutung
ist abzulehnen. Es steht zu befürchten, dass sich die Förderung auf Leuchtturm-

Drucksache 18/3164 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
einrichtungen und -projekte beschränken wird. Tatsächlich bedarf es aber einer
Breitenförderung aller Hochschul- und Wissenschaftseinrichtungen. Eine
grundgesetzlich privilegierte Fortsetzung der Exzellenzinitiative steht einem
emanzipatorischen und auf Chancengleichheit abstellenden Bildungsbegriff
diametral entgegen.

Die vorliegende Grundgesetzänderung reduziert sich politisch damit auf einen
bloßen Verhandlungsauftrag zwischen Bund und Ländern und wäre ein Schritt
in die richtige Richtung, würde sie nicht durch ihren eigenen Regelungsgehalt,
insbesondere das Vetorecht, selbst in Frage gestellt werden. Hinzu kommt, dass
die Koalition durch ihr eigenes Handeln den Regelungsgehalt ihrer Grundge-
setzänderung in Frage stellt. So werden mitten im Abstimmungsverfahren der
Grundgesetzänderung die Verhandlungen über die dritte Phase des Hochschul-
paktes abgeschlossen ohne jedoch die proklamierten Vorteile dieser auch nur
ansatzweise zu nutzen. Auch dies lässt an den Motiven und dem tatsächlichen
Umfang der geplanten Änderung des Artikels 91b zweifeln.

Grundsätzlich ist die Lockerung des Kooperationsverbotes richtig. Nicht einmal
zehn Jahre nach der Föderalismusreform I muss die große Koalition ihren politi-
schen Fehler zumindest in einem Teilbereich korrigieren. Die damalige Grund-
gesetzänderung hat – wie von vielen gesellschaftlichen Akteuren prophezeit –
den Praxistest nicht bestanden.

Allerdings ist die große Koalition offenbar noch nicht bereit, den Fehler voll-
ständig zu korrigieren. Andernfalls hätte sie die Gelegenheit genutzt und eine
vollständige Abschaffung des Kooperationsverbotes vorgeschlagen.

Denn ein erheblicher Sanierungsbedarf an Gebäuden und Einrichtungen besteht
nicht nur im Hochschulbereich, sondern im gesamten Bildungsbereich, für den
die Länder die Verantwortung tragen. Angesichts der Schuldenbremse sind sie
nicht mehr in der Lage, Bildungseinrichtungen im erforderlichen Maße zu sanie-
ren, geschweige denn so auszubauen, dass sie modernen Erfordernissen der
Bildungsarbeit gerecht werden können. Erinnert sei exemplarisch nur an den
Ausbau der Ganztagsschulen, an die Umsetzung inklusiver Bildung, die Nut-
zung moderner digitaler Medien im Unterricht.

Nach der Föderalismusreform von 2006 darf der Bund jedoch im Bildungsbe-
reich nur noch dann finanzieren, wenn er eine eigene Gesetzgebungskompetenz
hat. Die Umsetzung wesentlicher Zukunftsaufgaben der Bildung kann damit
nicht vom Bund mitfinanziert werden. Damit wird ihre Umsetzung erschwert.
Das gilt für die notwendige Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern ebenso
wie für die Unterrichtsversorgung und die Umsetzung der UN-Konvention über
die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Stattdessen wurden in den ver-
gangenen Jahren Umwegfinanzierungen erfunden, zum Beispiel um den Über-
gang von der Schule in die Berufsausbildung zu verbessern, für die Finanzierung
von Lernmitteln oder die Schülerbeförderung. Alle diese Programme und Maß-
nahmen sind aber nicht geeignet, die Qualität der schulischen Bildung wirksam
zu verbessern.

Die nun beschlossene Grundgesetzänderung wird an diesem Mangel nichts än-
dern können. Auch darum ist sie aus Sicht Der Fraktion DIE LINKE. abzu-
lehnen.

In der Plenardebatte im Bundesrat zur Grundgesetzänderung am 19.09.2014
wurde deutlich, dass die Länder durchaus die Notwendigkeit sehen, wichtige
Bildungsaufgaben über die nun grundgesetzlich vereinbarten hinaus in gemein-
samer Verantwortung zu finanzieren.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3164
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. umgehend eine Änderung des Grundgesetzes vorzulegen, die eine
gemeinsame Finanzierung wichtiger Bildungsaufgaben in allen
Bildungsbereichen ermöglicht und mit den Ländern dazu die Diskussion zu
führen,

2. zu prüfen, welche Finanzierungsmöglichkeiten seitens des Bundes sowie
Kooperationen zwischen Bund und Ländern in der Bildung ohne eine
Grundgesetzänderung bestehen – etwa bei Schulsozialarbeit, inklusiver
Bildung oder Ganztagsbetreuung – und diese auch auszuschöpfen,

3. auf die Kultusministerkonferenz einzuwirken, den Abbau der in den
vergangenen Jahren entstandenen Disparitäten in der Bildung zwischen den
Bundesländern abzubauen und insbesondere darauf zu achten, die
Vergleichbarkeit und Anschlussfähigkeit der Bildungswege trotz
unterschiedlicher Regelungen über Ländergrenzen hinweg zu sichern und
die erreichten Abschlüsse auf der Grundlage gemeinsamer
Bildungsstandards ohne Abstriche gegenseitig anzuerkennen,

4. gemeinsam mit den Ländern Warteschleifen beim Übergang zwischen
Schule und Beruf abzubauen und allen Ausbildungsinteressierten einen
verbindlichen Weg zu einem vollwertigen Berufsabschluss zu garantieren,

5. die Spielräume des Grundgesetzes auszunutzen, um eine bedarfsgerechte
Grundfinanzierung der Hochschulen dauerhaft sicherzustellen und dafür
keine weiteren zeitlich befristeten Pakte aufzulegen.

Berlin, den 11. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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