BT-Drucksache 18/3162

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 18/2710 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b) b) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/588 - Kooperationsverbot abschaffen - Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz verankern c) zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Katja Dörner, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/2747- Kooperationsverbot kippen - Zusammenarbeit von Bund und Ländern für bessere Bildung und Wissenschaft ermöglichen

Vom 12. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3162
18. Wahlperiode 12.11.2014
Änderungsantrag
der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Nicole Gohlke, Sigrid Hupach,
Ralph Lenkert, Cornelia Möhring, Harald Petzold (Havelland), Katrin Werner,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/2710, 18/3141 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)

Der Bundestag wolle beschließen:

Artikel 1 Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen bei der Förderung
von Bildung, Wissenschaft, Forschung und Lehre zusammenwirken. Vereinbarun-
gen, die im Schwerpunkt Hochschulen oder Schulen betreffen, bedürfen der Zustim-
mung von zwei Dritteln der Länder. Dies gilt nicht für Vereinbarungen über For-
schungsbauten einschließlich Großgeräten.“

Berlin, den 11. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Drucksache 18/3162 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Begründung

Das Verbot der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Bildung gilt seit der von der
großen Koalition verabschiedeten Föderalismusreform von 2006 und wurde auf Druck der
unionsregierten Länder Bayern, Hessen und Baden-Württemberg ins Grundgesetz aufgenom-
men. Seitdem hat sich die Situation bei der Finanzierung der Bildungsaufgaben durch Bund,
Länder und Kommunen nicht verbessert. Im Gegenteil: Angesichts von Wirtschaftskrise und
Schuldenbremse ist die Finanzierung guter Bildung in den Ländern und Kommunen deutlich
schwieriger geworden. Die schlechte Ausgangslage bei der Finanzierung öffentlicher Bildung
wird durch wachsende öffentliche Armut verstärkt. Gute Bildung ist ein gesamtgesellschaftli-
ches Anliegen und muss auch so finanziert werden. Der Aufgabe, Bildungsfinanzierung als
Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen zu begreifen, fehlt derzeit die
geeignete Grundlage. Spätestens mit dem Bildungsgipfel 2008 in Dresden haben alle im Bun-
destag vertretenen Parteien anerkannt, dass das Bildungssystem unterfinanziert ist. Die Bun-
deskanzlerin und die Ministerpräsidenten erklärten das Thema damals einmütig zur Chefsa-
che.
Bereits im Rahmen der Föderalismusreform II hätte die Möglichkeit bestanden, für die politi-
schen Weichenstellungen des Dresdner Bildungsgipfels die erforderlichen Korrekturen im
Grundgesetz vorzunehmen und den Fehler von 2006 zu revidieren. Es gab entsprechende
Forderungen von Gewerkschaften, Verbänden, Elternvertretungen, Ökonominnen und Öko-
nomen, Bildungsforscherinnen und -forschern und einigen Landespolitikerinnen und -
politikern. Die damalige große Koalition korrigierte ihren Fehler allerdings nicht, im Gegen-
teil: mit der Schuldenbremse erschwerte sie die fiskalischen Rahmenbedingungen der Bundes-
länder weiter. Notwendige gesellschaftliche Investitionen wurden weiter der Kassen- und
Konjunkturlage der Bundesländer unterworfen. Aktuelle Zahlen aus den Ländern belegen,
dass der Sanierungsbedarf der öffentlichen Schulgebäude erheblich ist. Allein im Bundesland
Berlin beläuft sich der Sanierungsbedarf an den öffentlichen Schulen auf 1,9 Milliarden Euro.
Demgegenüber kann das Land jährlich nur rund 64 Millionen Euro Sanierungsmittel bereit-
stellen (Quelle: Abgeordnetenhaus – Drucksache 17/14477). Dieses Beispiel belegt, dass die
Länder nicht länger in der Lage sind, die notwendigen Investitionen in Bildung zu tätigen.
Hinzu kommen notwendige personelle Investitionen, um den Herausforderungen der Inklusi-
on sowie insgesamt der besseren Kompetenzförderung der Schülerinnen und Schüler gerecht
zu werden (vgl. dazu die Ausführungen im Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 18/588).
Der Bundestag begrüßt grundsätzlich den vorgelegten Gesetzentwurf. Mit ihm soll immerhin
eine Lockerung des Kooperationsverbotes dergestalt vorgenommen werden, dass künftig das
Zusammenwirken von Bund und Ländern zur Förderung von Wissenschaft, Forschung und
Lehre erlaubt sein soll.
Allerdings weist der Gesetzentwurf drei zentrale Mängel auf, die vor dem Hintergrund der
großen Herausforderungen des deutschen Bildungs- und Wissenschaftssystems aus folgenden
Gründen behoben werden müssen:
1. Der Regelungsgehalt des vorliegenden Gesetzentwurfs beschränkt sich auf die Ermögli-

chung des Zusammenwirkens zwischen Bund und Ländern bei der Förderung von Wis-
senschaft, Forschung und Lehre. Im Bereich der allgemeinen Bildung bleibt eine koope-
rative Förderung weiterhin versperrt. Damit wird der größte Teil des Bildungssektors
weiterhin systematisch benachteiligt, obwohl gerade hier die Grundlage für die Kompe-
tenzentwicklung, spätere Berufs- und Teilhabechancen junger Menschen gelegt wird.
Vor diesem Hintergrund sieht dieser Änderungsantrag eine tatbestandliche Erweiterung
um den Bereich der allgemeinen Bildung vor.
Dies entspricht auch der Stellungnahme des Bundesrates zum vorliegenden Gesetzent-
wurf: „Zugleich betont der Bundesrat, dass im gesamten Bildungsbereich große Heraus-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3162

forderungen bestehen und es deshalb zukünftig auch in diesem Bereich neuer Formen der
Zusammenarbeit und ein stärkeres Engagement des Bundes bedarf.“ (Bundesratsdruck-
sache 323/14).

2. Der Gesetzentwurf beschränkt sich in seiner vorliegenden Fassung zudem auf die Förde-
rung von Einrichtungen der Wissenschaft, Forschung und Lehre, die überregionale Be-
deutung haben. Das begegnet gewichtigen sachlichen Bedenken. Es steht zu befürchten,
dass die Bundesregierung mit dieser Regelung vor allem die Überführung der im Rah-
men der Exzellenzinitiative geförderten Einrichtungen in eine Regelfinanzierung ver-
folgt. Dies würde zu einer Verstetigung der Spitzen- und Eliteförderung zu Lasten der
Breitenförderung führen. Das Wissenschaftssystem bedarf aber einer auskömmlichen
und diskriminierungsfreien Förderung sowohl der Breite als auch der Spitze.
Der Änderungsantrag sieht vor dem Hintergrund dieser Erwägungen eine Streichung des
Merkmals der überregionalen Bedeutung vor.

3. Der Gesetzentwurf regelt derzeit hinsichtlich des erforderlichen Quorums für das Zu-
standekommen der entsprechenden Vereinbarungen das Prinzip der Einstimmigkeit. Da-
mit wird faktisch jedem Bundesland ein Vetorecht eingeräumt. Dies wird zwangsläufig
dazu führen, dass der Gegenstand der Vereinbarungen im Zweifel auf den kleinsten poli-
tischen Nenner zwischen Bundesregierung und Bundesländern reduziert wird und sich
nicht an den tatsächlichen Erfordernissen orientieren wird. Zudem wird so vor dem Hin-
tergrund der üblichen Verhandlungspraxis zwischen Bundesregierung und Bundeslän-
dern im Bundesrat sowie innerhalb des Vermittlungsausschusses durch das hohe Druck-
potential eines einzelnen Bundeslandes dem Abschluss sachfremder Deals Vorschub ge-
leistet. Das Einstimmigkeitsprinzip kann auch nicht mit der bei den Bundesländern ver-
bleibenden Gesetzgebungskompetenz in den genannten Bereichen begründet werden. Es
ist allein der damaligen politischen Konfliktsituation in der Föderalismusreformkommis-
sion von 2006 geschuldet und verfassungsrechtlich in dieser Höhe nicht notwendig (vgl.
Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 245/14). Aus den genannten Gründen fordert der Ände-
rungsantrag eine Reduzierung der Zustimmungsquote auf zwei Drittel der Bundesländer.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.