BT-Drucksache 18/3118

Neuausrichtung der Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen

Vom 5. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3118
18. Wahlperiode 05.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, Nicole
Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Ralph Lenkert,
Dr. Petra Sitte, Azize Tank, Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Birgit Wöllert
und der Fraktion DIE LINKE.

Neuausrichtung der Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen

In dem Bereich der Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen durch die Bun-
desagentur für Arbeit beklagen zahlreiche Verbände und Träger einen enormen
Preisdruck, der eine qualitativ gute Aus- und Weiterbildung infrage stellt und die
Beschäftigten in prekäre, niedrig entlohnte Arbeitsverhältnisse zwingt. Anfang
Oktober 2014 haben verschiedene Verbände und Gewerkschaften „Eckpunkte
für eine qualitätsorientierte und sozial ausgewogene Vergabe von Arbeitsmarkt-
dienstleistungen“ vorgestellt, die eine sachgerechte und angemessene Verga-
bereform in Umsetzung der EU-Richtlinie 2014/24 einfordert.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie haben sich nach Erkenntnissen der Bundesregierung die finanziellen

Rahmenbedingungen im Bereich der Aus- und Weiterbildung entwickelt, und
wie bewertet sie insbesondere die derzeitige Vergabepolitik der Bundesagen-
tur für Arbeit hinsichtlich der Qualität der Maßnahmen sowie der Beschäf-
tigungsbedingungen in der Branche?

2. Wie haben sich seit Inkrafttreten des Mindestlohns in der nach dem Zweiten
bzw. Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II bzw. SGB III) geförderten Aus-
und Weiterbildung die Preise für die ausgeschriebenen Maßnahmen im Zeit-
raum der Jahre 2010 bis 2014 entwickelt (bitte die Antwort mit konkreten
Daten aufgliedern nach bzw. für regionale Einkaufszentren und für die Maß-
nahmetypen, Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen – koope-
rativ, Ausbildung für behinderte Menschen mit Förderbedarf – kooperativ,
Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen – integrativ, Ausbil-
dung für behinderte Menschen mit Förderbedarf – integrativ, berufsvorberei-
tende Bildungsmaßnahmen, behindertenspezifische berufsvorbereitende Bil-
dungsmaßnahmen, ausbildungsbegleitende Hilfen, Berufseinstiegsbeglei-
tung und Aktivierungsmaßnahmen nach § 45 SGB III sowie bei den Maßnah-
men der Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen und der
berufsvorbereitenden Bildunsmaßnahmen bitte nach gewerblich-technischen
und nichtgewerblich-technischen Maßnahmen trennen und falls möglich
ebenso nach Maßnahmen für Gruppen kleiner und größer als 15 Teilnehmer)?

3. Wie hat sich seit dem Jahr 2000 bis heute der Anteil der Personalkosten an
der Finanzierungsstruktur von Arbeitsmarktdienstleistungen verändert (bitte,
soweit möglich, jeweils Jahresdaten ausweisen)?

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4. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung in der Aus- und Weiterbil-
dungsbranche die Zahl der Beschäftigten entwickelt, und welche Aussagen
lassen sich speziell für den Bereich der Vergabe von Arbeitsmarktdienstleis-
tungen treffen (bitte Daten zur Beschäftigungsentwicklung seit dem Jahr
2000 bis heute, wenn möglich auch nach Art der Beschäftigung, insbeson-
dere befristete bzw. unbefristete Arbeitsverhältnisse bzw. Honorarkräfte
auflisten)?

5. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung das allgemeine Lohn-
niveau in der Aus- und Weiterbildungsbranche entwickelt, und welche Aus-
sagen lassen sich speziell für den Bereich der Vergabe von Arbeitsmarkt-
dienstleistungen treffen (bitte Daten zur Lohnentwicklung seit dem Jahr
2000 bis heute und zur Entwicklung der Zahl und des Anteils der Niedrig-
lohnbeschäftigten auflisten)?

6. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl bzw. der Pro-
zentsatz an Honorarkräften in der Branche der Aus- und Weiterbildung, und
wie hat sich das Honorar für Lehrkräfte in nach SGB II bzw. SGB III geför-
derten Maßnahmen entwickelt?

7. Wie hoch ist die Zahl und der Anteil von Beschäftigten, die aufstockende
Leistungen nach dem SGB II beziehen, und wie hoch sind die für den Be-
reich jährlich verausgabten Aufstockergelder?

8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Wirksamkeit des
Mindestlohns in der Aus- und Weiterbildung, und welche Schlussfolgerun-
gen zieht sie daraus?

9. Wie viele Aus- und Weiterbildungseinrichtungen im Bereich SGB II bzw.
SGB III hat der Zoll seit Inkrafttreten des Mindestlohnes überprüft, und wie
viele Verstöße hat er festgestellt?
Wie viele Bußgelder sind verhängt worden?
Wie hoch waren die durchschnittlichen Bußgelder?

10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, in welchem Ausmaß
die Branche der Aus- und Weiterbildung durch den Mindestlohn erfasst
wird (bitte entsprechende Zahlen zur Branchenabdeckung nennen)?
Welche Erkenntnisse hat sie dazu, ob Unternehmen sich umstrukturiert ha-
ben, um den Mindestlohn zu umgehen, da dieser nur gezahlt werden muss,
wenn das Unternehmen mindestens 50 Prozent der Aufträge im Bereich
SGB II und SGB III abwickelt?

11. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Vergabe von Arbeitsmarktdienstleis-
tungen derart zu gestalten, dass das sozialversicherungspflichtige Normal-
arbeitsverhältnis als Standard in der öffentlich geförderten Aus- und Weiter-
bildung etabliert wird und die Löhne der Beschäftigten an den Tarifvertrag
des öffentlichen Dienstes angeglichen werden (bitte begründen)?

12. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag, die Vergabe von
Bildungsmaßnahmen über die Bundesagentur für Arbeit über eine eigene
Vergaberichtlinie zu regeln, bzw. eigenständige, ausdifferenzierte Regelun-
gen zu schaffen, die genau auf die Besonderheiten der Arbeitsmarktdienst-
leistungen eingehen?

13. Sollte nach Ansicht der Bundesregierung die Qualität der Angebote bei der
Vergabe stärker berücksichtigt werden und Entscheidungen über den Zu-
schlag nicht allein auf der Grundlage des Preises getroffen werden?
Wie könnte dieser Aspekt in einer Neuregelung der Vergabe sichergestellt
werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3118
14. Läuft nach Auffassung der Bundesregierung die nach Einschätzung der Fra-
gesteller derzeit hohe Standardisierung von Maßnahmen einer gegenüber
den Betroffenen notwendigen individuellen Ausgestaltung von Maßnahmen
entgegen, und wie begründet sie ihre Antwort?

15. Wie hat sich die Zahl der „abschlussorientierten Maßnahmen“ im Bereich
der öffentlich geförderten beruflichen Aus- und Weiterbildung seit dem Jahr
2000 entwickelt?
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dieser Entwick-
lung?
Verfolgt die Bundesregierung das Ziel, im Zuge von Neuregelungen bei der
Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen wieder stärker „abschlussorien-
tierte Maßnahmen“ zu berücksichtigen und zu fördern (bitte begründen)?

16. Wie viele Träger bzw. Einrichtungen, die Aus- und Weiterbildungsmaßnah-
men nach SGB II bzw. SGB III anbieten, sind nach Kenntnis der Bundesre-
gierung aufgrund der derzeitigen Vergabepraxis von Arbeitsmarktdienst-
leistungen nicht in der Lage, diese Maßnahmen kostendeckend durchzufüh-
ren?

17. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung dazu, wie viele Träger seit
dem Jahr 2000 wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten aus dem Markt aus-
geschieden sind?

18. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung seitens der Agenturen und
Jobcenter sichergestellt, dass zwischengeschaltete Dienstleister, die die or-
ganisatorische und finanztechnische Gesamtkoordination erbringen, Zah-
lungen für die von den Trägern erbrachte Leistung rechtzeitig an die Träger
weitergeben, und inwiefern kommt es hier in der Praxis zu Problemen?

19. Welchen Inhalt und welchen verbindlichen Charakter haben die Empfehlun-
gen des Beirats nach § 182 SGB III der Bundesagentur für Arbeit vom
29. November 2013 (bitte die Antwort auch darauf ausrichten, worin die
Notwendigkeit der Reglementierung des Anteils der Maßnahme bei nicht
zertifizierten Unterauftragnehmern besteht, insbesondere, wenn es sich da-
bei um den Anteil des Berufsschulunterrichts an nicht zertifizierten Berufs-
schulen handelt)?

20. Welche Träger der beruflichen Weiterbildung konnten nach Kenntnis der
Bundesregierung aufgrund der Umsetzung der Empfehlung des Beirates ab
September 2014 keine Umschulungsmaßnahmen mehr anbieten?

Berlin, den 5. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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