BT-Drucksache 18/303

Den Bundesratsbeschluss zur rezeptfreien Pille danach schnell umsetzen

Vom 17. Januar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/303
18. Wahlperiode 17.01.2014

Antrag
der Abgeordneten Kathrin Vogler, Cornelia Möhring, Diana Golze,
Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, Katja Kipping,
Azize Tank, Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Jörn Wunderlich,
Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Den Bundesratsbeschluss zur rezeptfreien Pille danach
schnell umsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 des Arzneimittelgesetzes (AMG) ist das
Bundesministerium für Gesundheit ermächtigt, die Verschreibungspflicht für
Arzneimittel aufzuheben, wenn auf Grund der bei der Anwendung des Arzneimit-
tels gemachten Erfahrungen die Voraussetzungen für die Verschreibungspflicht
nicht oder nicht mehr vorliegen.
Seit längerem wird über die Entlassung der „Pille danach“ mit dem Arzneistoff
Levonorgestrel aus der Verschreibungspflicht diskutiert. Das Arzneimittel wird
als Notfallkontrazeptivum eingesetzt und unterdrückt oder verzögert den Ei-
sprung. In nahezu allen europäischen Ländern ist das Arzneimittel inzwischen
rezeptfrei erhältlich, um einen niedrigschwelligen Zugang zur Verhinderung
ungewollter Schwangerschaften in Notfallsituationen, insbesondere bei jungen
Frauen, zu ermöglichen.
Die Abgabe der „Pille danach“ in Apotheken ohne ärztliche Verschreibung soll
auch in der Bundesrepublik Deutschland einen niedrigschwelligen und schnellen
Zugang zur Verhinderung einer ungewollten Schwangerschaft ermöglichen. Die
derzeitige Praxis der Verschreibungspflicht führt dazu, dass mit der Rezeptaus-
stellung durch eine Gynäkologin oder einen Gynäkologen zu viel Zeit verstrei-
chen kann. Dies ist insbesondere am Wochenende der Fall, weil ein Rezept für
die „Pille danach“ nur in Krankenhausambulanzen oder durch den ärztlichen
Notdienst ausgestellt werden kann.
Die „Pille danach“ kann vor allem jungen Frauen helfen, ungewollte Schwanger-
schaften beziehungsweise Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern. Vorausset-
zung hierfür ist die rechtzeitige Einnahme, die ohne Arztbesuch eher zu gewähr-
leisten ist. Außerdem wird damit Frauen in ländlichen Regionen oder Frauen, für
die der Arztbesuch eine große Hürde darstellt, der Zugang zu einer Notfall-
nachverhütung erleichtert.
Aus frauenpolitischer Sicht ist die „Pille danach“ ein wichtiges Instrument der
selbstbestimmten Reproduktion von Frauen. Der gesicherte und vor allem eigen-
verantwortliche Zugang zur Familienplanung – inklusive der „Pille danach“ –

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gehört zu den sexuellen und reproduktiven Menschenrechten, wie sie im Jahr
1994 auf der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo festgeschrieben wurden.
Durch die Apothekenpflicht des Präparats wird auch nach der Entlassung aus der
Verschreibungspflicht die notwendige Beratung der Patientinnen kompetent ge-
währleistet, bei der gegebenenfalls an die Ärztin oder den Arzt weiter zu verwei-
sen ist.
Die wissenschaftlichen Studien der Weltgesundheitsorganisation, die Empfeh-
lungen des Europarates sowie die positiven Erfahrungen aus dem Ausland zeigen,
dass es keine sachlichen Gründe gibt, die rezeptfreie Vergabe der „Pille danach“
abzulehnen. Medizinische Risiken in der Anwendung sind bisher nicht bekannt-
geworden. Bedenken im Hinblick auf eine eventuelle Vernachlässigung der
Langzeitverhütung sowie mögliche negative gesundheitliche Auswirkungen bei
zu häufiger Einnahme und fehlender ärztlicher oder gynäkologischer Begleitung
haben sich in langjähriger Anwendung ebenfalls nicht bestätigt.
In vielen Ländern, wie in den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien,
Frankreich, Schweden, Finnland, Portugal, Dänemark und in der Schweiz, liegen
gute Erfahrungen mit der Aufhebung der Verschreibungspflicht vor. Untersu-
chungen in diesen Ländern zufolge hat die Freigabe geholfen, Schwangerschafts-
abbrüche zu verhindern. Auch habe der erleichterte Zugang zur „Pille danach“
keinen Einfluss auf die Verwendung regulärer Verhütungsmittel und das Sexual-
verhalten. Weder stieg die Zahl ungeschützter Sexualkontakte noch konnte eine
Zunahme von Geschlechtskrankheiten beobachtet werden.
Vor diesem Hintergrund ist die Freigabe, wie sie der Sachverständigenausschuss
für Verschreibungspflicht nach § 53 Absatz 2 AMG bereits im Jahr 2003 befür-
wortet hat, unter Arzneimittelsicherheitsaspekten geboten.
Die verschreibungsfreie Verfügbarkeit der „Pille danach“ mit Levonorgestrel hat
zur Folge, dass sie für Jugendliche ab 12 Jahren (sofern keine Entwicklungsstö-
rung vorliegt) und Erwachsene nicht mehr zu Lasten der gesetzlichen Kranken-
versicherung verordnungsfähig ist. Momentan werden die Kosten jedoch bis zum
vollendeten 20. Lebensjahr übernommen (bei Volljährigen abzüglich der gesetz-
lichen Zuzahlung). Damit durch die beantragte Neuregelung niemand schlechter
gestellt wird und sich keine sozialselektiven Effekte einstellen, ist eine Regelung
zur Erstattungsfähigkeit der rezeptfrei erhältlichen „Pille danach“ erforderlich.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. die vom Bundesrat mit Beschluss vom 8. November 2013 geänderte

Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung
und die Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arz-
neimittel schnellstmöglich in Kraft zu setzen, so dass so dass Notfall-
kontrazeptiva mit maximal 1,5 mg Levonorgestrel pro abgeteilter Arz-
neiform ab dem 1. Mai 2014 rezeptfrei erhältlich ist;

2. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der mit Wirkung zum 1. Mai 2014 in
das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch eine Regelung zur Erstattungsfähig-
keit von rezeptfreien Präparaten zur Notfallkontrazeption einfügt.

Berlin, den 17. Januar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/303

Begründung

Bereits am 5. Juli 2013 hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, bei der nächsten Änderung der
Arzneimittelverschreibungsverordnung die Aufhebung der Verschreibungspflicht für den Wirkstoff Levo-
norgestrel zur Notfallkontrazeption vorzusehen (Bundesratsdrucksache 555/13). Dieses Anliegen wurde mit
dem Beschluss zur Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung und der Verord-
nung überapothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel am 8. November 2013 bekräftigt (Bundes-
ratsdrucksache 705/13). Der vorliegende Antrag enthält überwiegend diesen Beschluss des Bundesrates.
In den Jahren 2012 und 2013 legten die Fraktionen der SPD und DIE LINKE. Anträge mit dem gleichen
Ziel im Bundestag vor. Sie wurden mit der Koalitionsmehrheit von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Die
Bundesregierung hat eine eigene Initiative zur Verordnungsänderung noch am 29. August 2012 mit Ver-
weis der fehlenden Bundesratsmehrheit verweigert (vgl. Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE., Bundestagsdrucksache 17/10557). Die neue Mehrheitssituation im Bundesrat macht dieses Argu-
ment jedoch obsolet.
In beiden Bundesratsbeschlüssen wurde betont, dass eine Regelung zur Erstattungsfähigkeit der „Pille da-
nach“ notwendig ist. Diese soll gemäß des Beschlusses vom 5. Juli 2013 sicherstellen, „dass es durch die
Aufhebung der Verschreibungspflicht nicht zu Verschlechterungen bei der Kostenübernahme für Notfall-
kontrazeption mit diesem Wirkstoff durch die Krankenversicherung kommt.“

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