BT-Drucksache 18/2951

Aufenthaltserlaubnis für Edward Snowden

Vom 17. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2951
18. Wahlperiode 17.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Martina Renner, Annette Groth, Dr. André Hahn,
Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Kerstin Kassner, Katrin Kunert, Niema Movassat,
Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Kathrin Vogler, Halina
Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Aufenthaltserlaubnis für Edward Snowden

Am 20. Mai 2013 landete Edward Snowden, Mitarbeiter der US-amerikanischen
National Security Agency, mit vier Computern und der Absicht, die massive Te-
lefon- und Netzspionage durch die amerikanische Sicherheitsbehörde publik zu
machen, in Hongkong. Etwa zwei Wochen später, am 6. Juni 2013, wurden erste
Informationen aus der Sammlung Edward Snowdens durch die Britische Zei-
tung „The Guardian“ publiziert. Weit über die Dimension der üblichen Geheim-
dienstskandale hinaus haben die Veröffentlichungen Entwicklungen zu Tage
gefördert, die die demokratische Zukunft der Gesellschaften im Kern gefährden.
Währenddessen erhoben die USA Anklage gegen Edward Snowden und
sprachen einen Haftbefehl aus (www.heise.de, „Haftbefehl gegen Snowden“,
22. Juni 2013).
17 Tage später, am 23. Juni 2013, verließ Edward Snowden aus Angst vor Ak-
tionen amerikanischer Dienste China und landete vorerst am Moskauer Flughafen
Scheremetjewo. Von dort aus wollte er am nächsten Tag nach Havanna reisen,
um schließlich Asyl zu ersuchen. Doch Edward Snowdens Sitz blieb leer. Statt
im Flugzeug verweilte er im Transitbereich des Moskauer Flughafens, bis Prä-
sident Wladimir Putin am 26. Juni 2013 verkündete, dass er den Whistleblower
nicht in die USA ausliefern würde. Fünf Tage später wurde bestätigt, dass
Edward Snowden russisches Asyl beantragt habe (www.theguardian.com/world/
2013/jun/23/edward-snowden-nsa-files-timeline).
Wie aus einer auf Wikileaks veröffentlichten Liste hervorgeht, bat Edward
Snowden 20 weitere Staaten um eine Aufenthaltserlaubnis. Dabei handelte es
sich um Österreich, Bolivien, Brasilien, China, Kuba, Finnland, Frankreich,
Indien, Italien, Irland, die Niederlande, Norwegen, Polen, Spanien, Nicaragua,
die Schweiz, Ekuador, Island, Venezuela und die Bundesrepublik Deutschland
(www.wikileaks.org/Edward-Snowden-submits-asylum.html).
Letztendlich lehnten zehn Staaten die Asylgesuche ab, darunter auch die Bun-
desrepublik Deutschland: „Die Voraussetzungen einer Aufnahme des Whistle-
blowers liegen nicht vor“, begründete der Regierungssprecher Steffen Seibert
die Entscheidung (SPIEGEL ONLINE, „Bundesregierung lehnt Asyl für
Snowden ab“, 4. November 2013).
Am 1. August 2013 erhält Edward Snowden schließlich ein auf ein Jahr begrenz-
tes Asyl in Russland und betritt nach über einem Monat Aufenthalt im Transit-
bereich des Moskauer Flughafens erstmals russischen Boden (www.theguardian.
com/world/2013/jun/23/edward-snowden-nsa-files-timeline).

Drucksache 18/2951 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Reaktionen auf die Entscheidung der Bundesregierung waren vielfältig. Be-
sonders beachtenswert war dabei jedoch die daraus hervorgehende öffentliche
Debatte. Mehrere Petitionen, die eine Asylgewährung für Edward Snowden
forderten, darunter eine mit rund 14 000 Mitzeichnerinnen und Mitzeichnern,
wurden durch den Deutschen Bundestag abgelehnt (www.heise.de, „Bundestag
lehnt Petitionen für Snowden-Asyl ab“, 10. Juli 2014). Schließlich lehnte die
große Koalition selbst eine unmittelbare Anhörung Edward Snowdens im für die
Aufklärung der Tätigkeiten der NSA eingerichteten Parlamentarischen Unter-
suchungsausschuss des Deutschen Bundestages ab.
Kurz vor Ablauf seiner einjährigen Aufenthaltsgenehmigung wurde die Debatte
um eine Aufnahme des Whistleblowers in der Bundesrepublik Deutschland er-
neut geführt, jedoch mit wenig neuen Ergebnissen.
Auch nach etlichen weiteren Enthüllungen, der Abhörung des Kanzlerinnen-
handys, Wirtschaftsspionagetätigkeiten und amerikanischen Doppelagenten im
Bundesnachrichtendienst (BND), um nur einige zu nennen, bleibt die Bundes-
kanzlerin Dr. Angela Merkel dabei, dass Asylgewährung kein Akt von Dankbar-
keit oder sonst etwas sei, sondern an klare Voraussetzungen gebunden sei (www.
golem.de, „Asyl ist keine Frage von Dankbarkeit“, 18. Juli 2014). Der Bundes-
minister der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, geht sogar noch
einen Schritt weiter und empfiehlt Edward Snowden die Heimreise in die USA.
Schließlich sei Edward Snowden erst Anfang 30 und wolle sicher nicht den Rest
seines Lebens auf der ganzen Welt gejagt werden oder von einem Asyl zum
nächsten wandern, so der Bundesminister. Obwohl man insgesamt von Edward
Snowdens Enthüllungen profitiert habe, weil man Dinge erfahren habe, die man
vorher nicht gewusst habe, so Heiko Maas, sehe er im Moment nicht, dass
Edward Snowden einmal deutschen Boden betreten werde – nicht einmal zu
einer Befragung im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages
(Frankfurter Rundschau, „Maas rät zur Heimreise“, 30. Juli 2014).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welchen Nutzen für die deutsche Politik und Gesellschaft hatten aus Sicht der

Bundesregierung die Enthüllungen von Edward Snowden, durch die die
Weltöffentlichkeit über das ganze Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen,
die mit der globalen Massenüberwachung der Geheimdienste verbunden
sind, aufgeklärt wurde?

2. Inwieweit wird nach Auffassung der Bundesregierung dieser Verdienst in der
derzeitigen Situation von Edward Snowden gewürdigt, oder wie sollte er
stattdessen gewürdigt werden?

3. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung für die Entwicklung
moderner Kommunikation und der daraus entstehenden potenziellen Gefah-
ren für den Rechtsstaat, die Privatsphäre und die Demokratie aus den Enthül-
lungen Edward Snowdens, und inwieweit betreffen diese nach Auffassung
der Bundesregierung IT-Unternehmen und andere gesellschaftliche Gruppen?

4. Inwieweit, und wenn ja, mit welchem Ergebnis, hat die Bundesregierung die
von den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages aufgezeig-
ten Aufnahmemöglichkeiten für Edward Snowden geprüft, und inwieweit
beabsichtigt sie, Edward Snowden diese anzubieten (bitte begründen)?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesjustizministeriums hin-
sichtlich der empfohlenen Rückkehr Edward Snowdens in die USA?
Wie begegnet die Bundesregierung den in der Presse veröffentlichten Vorwurf
des Zynismus (vgl. Frankfurter Rundschau vom 29. Juli 2014 „Snowden und
der Zyniker“)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2951
6. Mit welchen politischen und persönlichen Konsequenzen rechnet die Bun-
desregierung bei einer Rückkehr Edward Snowdens in die USA, und welche
Schlussfolgerungen und politischen Konsequenzen zieht sie daraus?

7. Welche rechtlichen und sonstigen Prüfungen hat die Bundesregierung hin-
sichtlich einer möglichen Aufnahme Edward Snowdens in der Bundesrepu-
blik Deutschland zu welchem Zeitpunkt bei wem mit welchen Ergebnissen
in Auftrag gegeben?

8. Hat Edward Snowden vor dem Hintergrund des Ablaufens seiner Aufent-
haltserlaubnis in Russland abermals ein Asylgesuch an die Bundesrepublik
Deutschland gestellt?
Wenn ja, wie wurde darauf aus welchen Gründen reagiert?

9. Ist der Bundesregierung bekannt, bei welchen anderen Staaten Edward
Snowden vor dem Hintergrund des Ablaufens seiner Aufenthaltserlaubnis
in Russland einen Asylantrag gestellt hat?
Wenn ja, welche waren dies?

10. Hat die Bundesregierung Gespräche mit der US-Regierung oder US-Vertre-
tern über die Zukunft Edward Snowdens geführt?
Wenn ja, auf welcher Ebene und mit welchem Ergebnis, und wie waren die
jeweiligen Standpunkte und Argumente?
Wenn nein, warum nicht?

11. Gab es seitens der USA Empfehlungen, Bitten an die Bundesregierung oder
sonstige Versuche einer Einflussnahme hinsichtlich des Umgangs mit Edward
Snowden?
Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, von wem, in welcher Form, und wie wurde
jeweils darauf seitens der Bundesregierung reagiert?

12. Worin genau sieht die Bundesregierung einen drohenden Schaden für
das deutsch-amerikanische Verhältnis im Falle einer Anhörung Edward
Snowdens vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages,
und welches Verhalten der Bundesregierung im Falle einer positiv beschie-
denen Klage der Oppositionsfraktionen vor dem Bundesverfassungsgericht
mit dem Ziel seiner Anhörung würde daraus folgen?

Berlin, den 17. Oktober 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.