BT-Drucksache 18/2830

Berichtspflicht zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre

Vom 8. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2830
18. Wahlperiode 08.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Markus Kurth, Brigitte Pothmer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer, Maria Klein-Schmeink, Doris Wagner,
Ekin Deligöz, Katja Dörner, Kai Gehring, Sven-Christian Kindler, Tabea Rößner,
Elisabeth Scharfenberg und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Berichtspflicht zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre

Die steigende Lebenserwartung sowie der demographische Wandel stellen das
System der gesetzlichen Altersversorgung vor große Herausforderungen. Einer
deutlich verlängerten Rentenbezugsdauer sowie einer immer größeren Zahl an
Rentnerinnen und Rentnern stehen immer weniger erwerbstätige Beitragszahle-
rinnen und Beitragszahler gegenüber. Um die Stabilität und Solidität der gesetz-
lichen Altersversorgung auch künftig zu gewährleisten, hat sich der Gesetzgeber
im Jahr 2007 für eine schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 bis
zum Jahr 2029 entschieden. Diese Maßnahme dient zwar der Stabilisierung des
Beitragsaufkommens und soll die Rentenhöhe sichern. Sie kommt aber für sol-
che Beschäftigtengruppen einer Rentenkürzung gleich, die aus verschiedenen
Gründen keine Chance haben, die neue Regelaltersgrenze zu erreichen. Dies
kann insbesondere schwerbehinderte, (langzeit-)arbeitslose, erwerbsgeminderte
und/oder leistungsgeminderte Personen betreffen.
Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber die Bundesregierung verpflichtet,
mit Beginn des Jahres 2010 alle vier Jahre einen Bericht vorzulegen, der die
Beschäftigungssituation Älterer darstellt sowie eine Einschätzung darüber ab-
gibt, „ob die Anhebung der Regelaltersgrenze unter Berücksichtigung der Ent-
wicklung der Arbeitsmarktlage sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situa-
tion älterer Arbeitnehmer weiterhin vertretbar erscheint und die getroffenen
gesetzlichen Regelungen bestehen bleiben können“ (gemäß § 154 Absatz 4 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VI).
Eine solche „Überprüfungsklausel“ ist aber dann wertlos, wenn weder die Be-
schäftigungssituation hinreichend dargestellt, noch konkrete Kriterien der abzu-
gebenden Einschätzung zugrunde gelegt werden. Um seiner gesetzlich vorge-
schriebenen Aufgabe gerecht werden zu können, muss dahingehend der noch in
diesem Jahr vorzulegende Bericht der Bundesregierung im Vergleich zu seinem
Vorgängerbericht deutlich verbessert werden.

Drucksache 18/2830 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
Berichtspflicht
1. Kann und wird die Bundesregierung konkrete Kriterien definieren, anhand

derer im Rahmen der Berichtspflicht gemäß § 154 Absatz 4 SGB VI ent-
schieden werden kann, ob die Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre
weiterhin vertretbar erscheint und die gesetzlichen Regelungen bestehen
bleiben können (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche
Frage 4 7 des Abgeordneten Markus Kurth auf Bundestagsdrucksache
18/2352)?
Wenn ja, wie lauten diese?
Wenn nein, warum nicht?

2. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag, die Frage, ob die
überwiegende Zahl der Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt
sind und welche Qualität diese Beschäftigungen haben, zum entscheiden-
den Kriterium zu erheben (siehe Forderung auf Bundestagsdrucksache
17/3995)?

3. Inwiefern wird eine überparteiliche und unabhängige Klärung über die
Datengrundlagen des Berichts der Bundesregierung gemäß § 154 Absatz 4
SGB VI zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre erfolgen, und wie
werden zivilgesellschaftliche Akteure in die Erstellung des Berichts einbe-
zogen?

4. Wie stellt sich die Einkommens- und Vermögenssituation der 60- bis 64-Jäh-
rigen unter Berücksichtigung der um Abschläge reduzierten Altersrente dar,
und inwieweit wird der Bericht der Bundesregierung diesen Zusammen-
hang darstellen?

5. Inwieweit wird der Bericht der Bundesregierung stärker, als dies nach Auf-
fassung der Fragesteller der Vorgängerbericht der schwarz-gelben Bundes-
regierung aus dem Jahr 2010 getan hat, die arbeitsmarktpolitische Situation
und die soziale Situation nach Qualifikationen, Berufsgruppen und gesund-
heitlichen Belastungen durch die Arbeit differenzieren?

6. Inwieweit wird der Bericht der Bundesregierung auf die besonderen wirt-
schaftlichen und gesundheitlichen Risiken von Beschäftigten in besonders
belasteten Tätigkeiten eingehen?

Rente ab 67 und Beschäftigungssituation Älterer
7. Wie hat sich in den letzten Jahren die Bezugsdauer von Altersrenten ent-

wickelt, und wie entwickelt sich diese in Zukunft (bitte nach Einkommens-
gruppen differenzieren)?

8. Welche Auswirkungen hat die schrittweise Anhebung der Regelalters-
grenze auf die Rentenhöhe bzw. das Rentenniveau sowie den Rentenbei-
tragssatz im Jahr 2030?

9. Was würde ein Aussetzen der schrittweisen Anhebung der Regelalters-
grenze bis zum Jahr 2018 für die Rentenhöhe bzw. das Rentenniveau sowie
den Rentenbeitragssatz im Jahr 2030 bedeuten, und was hieße das für die
jeweiligen gesetzlich festgelegten Beitragssatz- und Niveauziele im Jahr
2030?

10. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die gesundheitliche Situa-
tion der Älteren in der Vergangenheit entwickelt, und wie entwickelt sich
diese voraussichtlich in der Zukunft?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2830
11. Wie hoch ist der Anteil sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter im
Alter von
a) 60,
b) 61,
c) 62,
d) 63 und
e) 64 Jahren an der Bevölkerung der jeweiligen Altersgruppe (bitte nach

Männern und Frauen sowie Ost- und Westdeutschland getrennt aufwei-
sen)?

12. Wie hat sich dieser Anteil sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter je-
weils seit dem Jahr 2007 entwickelt?

13. Wie hoch ist der jeweilige Anteil sozialversicherungspflichtiger Beschäf-
tigter, die in Vollzeit arbeiten?

14. Wie hoch ist der jeweilige Anteil sozialversicherungspflichtiger Beschäf-
tigter, wenn die Altersteilzeit, die überwiegend im sogenannten Block-
modell genommen wird, nicht berücksichtigt wird?

15. Wie entwickelt sich die Beschäftigungsquote der 60- bis 64-Jährigen vor
dem Hintergrund, dass aufgrund der abschlagsfreien Rente ab 63 in den
kommenden Jahren bis zu 50 000 Beschäftigte zusätzlich in Altersrente ge-
hen?

16. Wie viele zusätzliche Arbeitsplätze für die 60- bis 64-Jährigen würden be-
nötigt, um eine Beschäftigungsquote für diese Altersgruppe von 50 Prozent
zu erreichen?

17. Wie hoch ist die Erwerbstätigenquote der
a) 60-,
b) 61-,
c) 62-,
d) 63- und
e) 64-Jährigen (bitte nach Männern und Frauen sowie Ost- und West-

deutschland getrennt aufweisen)?
18. Wie hat sich die Erwerbstätigenquote jeweils seit dem Jahr 2007 ent-

wickelt?
19. Wie hoch ist die Erwerbsquote der

a) 60-,
b) 61-,
c) 62-,
d) 63- und
e) 64-Jährigen (bitte nach Männern und Frauen sowie Ost- und West-

deutschland getrennt aufweisen)?
20. Wie hat sich die Erwerbsquote jeweils seit dem Jahr 2007 entwickelt?

Drucksache 18/2830 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
21. Wie hoch ist die Arbeitslosenquote der
a) 60-,
b) 61-,
c) 62-,
d) 63- und
e) 64-Jährigen (bitte nach Männern und Frauen sowie Ost- und West-

deutschland getrennt aufweisen)?
22. Wie hat sich die Arbeitslosenquote jeweils seit dem Jahr 2007 entwickelt?
23. Wie hoch ist

a) der Anteil sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter im Alter von
60 bis 64 Jahren an der Bevölkerung der jeweiligen Altersgruppe,

b) die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen,
c) die Erwerbsquote der 60- bis 64-Jährigen sowie
d) die Arbeitslosenquote der 60- bis 64-Jährigen im Vergleich zu allen an-

deren Altersgruppen?
24. Welche Informationen liegen der Bundesregierung zur Beschäftigungssitua-

tion der 60- bis 64-Jährigen differenziert nach Einkommensgruppen vor?
25. Wie hoch ist das durchschnittliche Rentenzugangsalter in Altersrenten, und

wie hat sich dieses seit dem Jahr 2007 entwickelt (bitte nach Männern und
Frauen sowie Ost- und Westdeutschland getrennt aufweisen)?

26. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Diskrepanz zwi-
schen dem mittleren Erwerbsaustrittsalter bestimmter Berufe und dem
durchschnittlichen Rentenzugangsalter vor, und wie bewertet sie diese?

27. a) Wie ist der Versichertenstatus vor Rentenbeginn in Prozent aller Neuzu-
gänge in Altersrente (nicht Regelaltersrente), und wie haben sich diese
Zahlen seit dem Jahr 2000 entwickelt?

b) Wie hoch ist der Anteil der Rentnerinnen und Rentner seit dem Jahr
2000, die direkt vor der Altersrente (nicht Regelaltersrente) einer sozial-
versicherungspflichtigen Beschäftigung ohne Altersteilzeit nachgegan-
gen sind?

28. a) Wie hoch ist der Anteil der Rentnerinnen und Rentner an allen Erwerbs-
personen der jeweiligen Altersgruppe, die vorzeitig mit Abschlägen in
die Altersrente gehen,

b) wie hoch sind die Abschläge durchschnittlich (prozentual und in Euro-
beträgen), und

c) wie hat sich dieser Anteil der Altersrentnerinnen und Altersrentner seit
dem Jahr 2007 entwickelt?

Spezielle Personengruppen
29. Welche Personen bzw. Gruppen haben nach Ansicht der Bundesregierung

besondere Schwierigkeiten, ihre jeweiligen Erwerbsphasen bis zum Errei-
chen einer erhöhten Regelaltersgrenze zu verlängern?

30. Wie viele Personen mit unterdurchschnittlichem Einkommen erreichen
nicht die Regelaltersgrenze, und wie viele dieser Personen beziehen zwi-
schen ihrer letzten Beschäftigung und der Regelaltersgrenze eine Erwerbs-
minderungsrente?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2830
31. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die gesundheitliche Situa-
tion der Menschen mit Behinderungen, erwerbsgeminderten, arbeitslosen
und sonstigen leistungsgeminderten Personen in der Vergangenheit ent-
wickelt, und wie entwickelt sich diese voraussichtlich in der Zukunft?

32. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung
a) der Anteil sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter mit Behinderun-

gen im Alter von 60 bis 64 Jahren an der Bevölkerung der jeweiligen Al-
tersgruppe,

b) die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen mit Behinderungen,
c) die Erwerbsquote der 60- bis 64-Jährigen mit Behinderungen sowie
d) die Arbeitslosenquote der 60- bis 64-Jährigen mit Behinderungen, und

wie haben sich diese Zahlen seit dem Jahr 2007 entwickelt (bitte nach
Frauen und Männern getrennt aufweisen)?

33. Plant die Bundesregierung vor diesem Hintergrund, die Anhebung der Re-
gelaltersgrenze für schwerbehinderte Menschen von 63 auf 65 Jahre wieder
rückgängig zu machen, und wenn nein, warum nicht?

34. a) Wie viele Frauen und Männer im Alter von 60 bis 64 Jahren beziehen
eine Erwerbsminderungsrente (bitte nach Jahren getrennt aufweisen)?

b) Wie viele dieser Bezieherinnen und Bezieher einer Erwerbsminderungs-
rente sind auf Leistungen der Grundsicherung im Alter angewiesen?

c) Wie hoch sind durchschnittlich die Abschläge auf ihre Erwerbsminde-
rungsrenten (bitte in absoluten Zahlen und in Prozent angeben)?

35. Plant die Bundesregierung vor diesem Hintergrund, die Abschläge auf die
Erwerbsminderungsrente zumindest für Personen ab 60 Jahren, die vor Er-
höhung der Regelaltersgrenze die maximalen Abschläge auf die Erwerbs-
minderungsrente von 10,8 Prozent noch unterschritten haben, abzuschaffen,
und wenn nein, warum nicht?

36. a) Wie viele Personen im Alter von 60 bis 64 Jahren sind arbeitslos (bitte
nach Jahren und Dauer der Arbeitslosigkeit getrennt aufweisen)?

b) Wie viele Personen im Alter von 60 bis 64 Jahren beziehen Leistungen
nach dem SGB II und/oder Leistungen nach dem SGB III (bitte nach Jah-
ren sowie Frauen und Männern getrennt aufweisen)?

c) Wie viele Personen fallen derzeit noch unter die sogenannte 58er-Rege-
lung nach § 53a SGB II?

d) Wie hoch sind die durchschnittlichen Zahlbeträge solcher Empfängerin-
nen und Empfänger einer Altersrente, die aus Langzeitarbeitslosigkeit in
Altersrente zugehen?

e) Wie viele mindestens 63-jährige Bezieherinnen und Bezieher von Leis-
tungen nach dem SGB II werden jahresdurchschnittlich verpflichtet,
eine Rente wegen des Alters in Anspruch zu nehmen?

37. a) Plant die Bundesregierung vor diesem Hintergrund weitere Beschäfti-
gungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für ältere (Langzeit-)Arbeits-
lose?

b) Plant die Bundesregierung auf die Verpflichtung, dass Bezieherinnen
und Bezieher von Leistungen nach dem SGB II eine Rente wegen des
Alters in Anspruch zu nehmen, sofern das 63. Lebensjahr vollendet ist
und die Inanspruchnahme einer Rente keine Unbilligkeit darstellt, zu
verzichten?

Drucksache 18/2830 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
c) Plant die Bundesregierung die Wiedereinführung des Rentenbeitrags für
Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger nach dem SGB II,
und wenn nein, warum nicht?

38. a) Wie viele Personen erreichen nach Kenntnis der Bundesregierung pro
Jahrgang aufgrund hoher körperlicher und psychischer Belastungen
nicht die Regelaltersgrenze?

b) Wie viele dieser Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung
keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente und gehören nicht
zum Kreis der Menschen mit Behinderungen?

c) Wie viele dieser Personen mit Leistungseinschränkungen, die unter den
üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes höchstens sechs
Stunden am Tag arbeiten können, können nach Kenntnis der Bundes-
regierung allein deshalb nicht von der abschlagsfreien Rente ab 63 pro-
fitieren, weil sie jünger als 63 Jahre alt sind?

d) Welcher Gesetzesänderung bedürfte es, um die Teilrente für alle Beschäf-
tigten mit Leistungseinschränkungen, das heißt auch Frauen, Personen
unter 63 Jahren sowie Geringverdienern, attraktiv zu machen, sodass
durch eine Verkürzung der Arbeitszeit die individuellen Erwerbsphasen
verlängert werden können?

39. Plant die Bundesregierung eine arbeits- und sozialrechtliche Flankierung
für Personen, die aufgrund einer Leistungseinschränkung in ihrem Beruf
nicht mehr in Vollzeit weiterarbeiten können, gleichzeitig aber „zu gesund“
für eine Erwerbsminderungsrente sind, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 8. Oktober 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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