BT-Drucksache 18/28

Vermehrung und Freisetzung von Legionellen in kommunalen Kläranlagen und industriell-gewerblichen Vorreinigungsanlagen

Vom 1. November 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/28
18. Wahlperiode 01.11.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Karin Binder, Herbert Behrens,
Katrin Kunert, Ralph Lenkert, Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Hubertus Zdebel
und der Fraktion DIE LINKE.

Vermehrung und Freisetzung von Legionellen in kommunalen Kläranlagen und
industriell-gewerblichen Vorreinigungsanlagen

Als ein möglicher Auslöser der Legionellenerkrankung von 165 Menschen und
für den legionellenbedingten Tod von drei Menschen in Warstein im August und
im September 2013 wird die Vermehrung von Legionellen in der Abwasservor-
reinigungsanlage der Warsteiner Brauerei vermutet (siehe u. a. Onlineausgaben
der FAZ vom 4. September 2013, DIE ZEIT vom 11. September 2013 und der
Ruhr-Nachrichten vom 5. September 2013). Es wird angenommen, dass die
hohen Abwassertemperaturen in Verbindung mit einem reichlich vorhandenen
Nährstoffangebot (Hefen aus dem Brauprozess) sowohl die Vermehrung der
Legionellen als auch der Amöben – als Wirt der Legionellen – begünstigt haben.
Aus der Vorkläranlage der Brauerei soll sodann das amöben- und legionellenhal-
tige Brauereiabwasser in die kommunale Kläranlage von Warstein und von dort
in den Westerbach gelangt sein. Zwei Kilometer unterhalb der Einleitung der
kommunalen Kläranlage habe ein Industriebetrieb Kühlwasser aus der Wester
entnommen. Durch das Rückkühlwerk sollen die Legionellen dann in die
Atmosphäre emittiert worden sein.
Nachdem bereits infolge des Legionellenausbruchs in Ulm im Jahr 2010 von
Fachleuten eine schärfere Kontrolle von Rückkühlwerken angemahnt worden
ist, wurde diese Forderung im Hinblick auf den Warsteiner Legionellenausbruch
wiederholt (u. a. vom Hygienespezialisten Prof. Dr. Martin Exner) – offenbar
weil seit dem Legionellenausbruch in Ulm keine entsprechenden Schritte unter-
nommen worden sind.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit liegen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und

Reaktorsicherheit (BMU) und/oder dem Bundesministerium für Gesundheit
(BMG) Informationen vor, die den obigen Vorgang, wie er in der Presse
beschrieben worden ist, bestätigen, modifizieren oder gänzlich infrage
stellen?

2. Inwieweit liegen dem BMU und/oder dem BMG Informationen seitens der
Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) vor, welche Länder auf-
grund der Ereignisse in Warstein bereits gezielt Untersuchungen in den Vor-
reinigungsanlagen der Lebensmittelbranche und verwandter Branchen mit

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vergleichsweise hohen Abwassertemperaturen und hohem Nährstoffangebot
in Auftrag gegeben haben?
Zu welchen Ergebnissen haben diese Untersuchungen ggf. geführt?

3. Inwieweit liegen dem BMU und/oder dem BMG Informationen seitens der
LAWA vor, welche Länder aufgrund der Ereignisse in Warstein bereits ge-
zielt Untersuchungen in den kommunalen Kläranlagen in Auftrag gegeben
haben, in die die Abwässer aus den genannten Indirekteinleiterbranchen ein-
geleitet werden?
Zu welchen Ergebnissen haben diese Untersuchungen ggf. geführt?

4. Hält die Bundesregierung die bisherigen Aktivitäten der Länder zur Eruie-
rung von Legionellenbefunden in indirekteinleitenden Betrieben mit ver-
gleichsweise hohen Abwassertemperaturen und hohem organischen Nähr-
stoffangebot sowie in kommunalen Kläranlagen für ausreichend?
Welche Schritte hält die Bundesregierung ggf. für angemessen?
Welche Gespräche laufen derzeit diesbezüglich zwischen der Bundesregie-
rung, dem BMU und dem BMG mit der LAWA, mit anderen geeigneten Län-
derkoordinationsgremien und ggf. in Bund-Länder-Arbeitskreisen?

5. Welche Informationen liegen dem BMU und/oder dem BMG in Hinblick da-
rauf vor, wie die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und
Abfall e. V. (DWA) sowie die Branchenverbände der Lebensmittelindustrie
und anderer infrage kommenden Branchen auf die Legionellenbefunde in
Warstein reagieren wollen, um die Vermehrung und Freisetzung von Legio-
nellen und Amöben in kommunalen Kläranlagen bzw. in industriellen Vorrei-
nigungsanlagen künftig zu verhindern?

6. Muss befürchtet werden, dass aufgrund des Klimawandels (höhere Sommer-
temperaturen, lang anhaltende Hitzeperioden) und aufgrund weitergehender
Wassersparbemühungen in Industrie und Gewerbe die Abwassertemperatu-
ren im Sommer auch in kommunalen Kläranlagen derart ansteigen, dass ver-
mehrt mit einem Legionellenwachstum in den Belebtschlammbecken gerech-
net werden muss?
Wird die Bundesregierung diese Problematik ggf. in der Deutschen Klimaan-
passungsstrategie berücksichtigen?

7. Inwieweit muss befürchtet werden, dass das Personal auf kommunalen Klär-
anlagen und auf industriellen Vorreinigungsanlagen durch Aerosolbildung
der Gefahr einer Legionelleninfektion ausgesetzt ist, insbesondere dann,
wenn Oberflächenbelüfter und andere aeorsolbildende Belüftungseinrichtun-
gen eingesetzt werden?
Welche Schritte werden seitens des BMU, des BMG sowie nach Kenntnis der
Bundesregierung der Länder, der DWA und der Branchenverbände erwogen,
um das auf „legionellenverdächtigen“ Anlagen tätige Personal ggf. vor Infek-
tionen zu schützen?

8. Wird die Bundesregierung nach den Vorgängen in Warstein die branchenspe-
zifischen Anhänge der Abwasserverordnung für die Lebensmittelindustrie
und verwandter Branchen dahingehend überarbeiten, dass künftig in die
„allgemeinen Anforderungen“ sowohl für direkt- als auch für indirektein-
leitende Betriebe die Verhinderung einer Vermehrung und Freisetzung von
Legionellen mit aufgenommen wird?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/28
9. Was wird die Bundesregierung unternehmen, damit Rückkühlwerke und
ähnliche Anlagen künftig so konsequent überwacht werden, dass die Be-
völkerung im Immissionsbereich dieser Anlagen vor einer Infizierung mit
Legionellen sicher geschützt ist?
Hält die Bundesregierung die von Nordrhein-Westfalen gestartete Initiative
des Bundesrates zu einer schärferen Kontrolle von Rückkühlwerken für
ausreichend?

10. Geht die Bundesregierung davon aus, dass bei der Vielzahl der anstehenden
Legionellenuntersuchungen im Abwasserbereich die Kapazität von Labor-
einrichtungen ausreicht, um in komplizierten Substraten – wie Belebt-
schlamm, Abwasser und Klärschlamm – Legionellen sicher zu detektieren?

Berlin, den 1. November 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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