BT-Drucksache 18/2692

Geldanlage von Sozialversicherungen

Vom 26. September 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2692
18. Wahlperiode 26.09.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Matthias W. Birkwald, Katja Kipping, Azize Tank, Kathrin Vogler, Birgit Wöllert,
Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Geldanlage von Sozialversicherungen

Aufgrund der aktuellen Einnahmesituation verfügen die Sozialversicherungs-
trägerkassen über finanzielle Reserven. Über alle Zweige der Sozialversiche-
rung hinweg summieren sich diese Reserven auf ca. 70 Mrd. Euro (Frankfurter
Rundschau, 31. August 2014, „Riskante Anlagen“, www.fr-online.de/). Nach
Angaben des Bundesversicherungsamtes (BVA) hatten die bundesunmittelbaren
Kranken-, Unfall- und Rentenversicherungsträger sowie die Träger des Spitzen-
verbandes der landwirtschaftlichen Sozialversicherung und der Künstlersozial-
kasse (KSK) zum 31. Dezember 2013 Finanzmittel in Höhe von 59,730 Mrd.
Euro in verschiedenen Anlageformen angelegt (www.bundesversicherungsamt.
de/, BVA-Tätigkeitsbericht 2013, S. 94).
Zur Verminderung der Risiken von Finanzanlagen und damit zur Sicherung der
Einzahlungen sowie der Versorgung der Versicherten sind die Kassen bei der
Anlage vorübergehend überschüssiger Mittel allerdings an Vorgaben gebunden,
die u. a. in den §§ 80 und 83 ff. des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV)
niedergelegt sind. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise haben die Deutsche
Rentenversicherung Bund (DRV Bund), das Bundesministerium für Arbeit und
Soziales (BMAS) und das BVA für die Kassen Regeln zur Orientierung erlassen
(Frankfurter Rundschau, 31.August 2014, „Riskante Anlagen“, www.fr-online.
de/). Anfang des Jahres 2013 hatte das BVA bei einzelnen Kassen Mängel beim
Risikomanagement der Finanzanlagen beanstandet und die Träger der Kassen
per Rundschreiben aufgefordert, Anlagerichtlinien zu formulieren und sich da-
bei an den genannten Regeln der DRV Bund, des BMAS und des BVA zu orien-
tieren (ebd.).
Der Tätigkeitsbericht 2013 des BVA beanstandet für die genannten 59,730 Mrd.
Euro erneut bei mindestens 34 Sozialversicherungsträgern Risiken in unter-
schiedlichem Ausmaß (BVA-Tätigkeitsbericht 2013, S. 93 bis 95).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. In welchen Zweigen der Sozialversicherung bzw. bei welchen Trägern sind

nach den Prüfungsergebnissen des BVA nach Kenntnis der Bundesregierung
riskante Geldanlagepraxen anzutreffen?
Wie hoch ist bzw. war die Gesamtsumme der Mittel, die in Anlagen einer
höheren Risikoklasse, wie spekulative Wertpapiere oder Sondervermögen,
stecken?

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2. Um welche Anlagebeträge handelt es sich dabei nach Angaben des BVA
(bitte nach den Zweigen der Sozialversicherung aufschlüsseln)?

3. Zu welchem Zweig der Sozialversicherung gehören nach Kenntnis der Bun-
desregierung die beiden Träger, deren Bankeinlagen die Einlagensiche-
rungsgrenze beim Bundesverband deutscher Banken überschritten haben?
Welche konkreten qualitativen und quantitativen Risiken bestehen für die
beiden Träger, und wie viele Versicherte sind davon betroffen?
Um welche zwei konkreten Träger handelt es sich nach Kenntnis der Bun-
desregierung?

4. Wurden diese Risiken nach Kenntnis der Bundesregierung inzwischen be-
seitigt, und falls ja, mit welchen Mitteln bzw. auf welche Weise?
Inwiefern griff das BVA ein?

5. Zu welchem Zweig der Sozialversicherung gehört nach Kenntnis der Bun-
desregierung der Träger, der eine Einlage bei einer Privatbank getätigt hat,
die nicht Mitglied im Einlagensicherungsfonds ist bzw. war?
Welche konkreten qualitativen und quantitativen Risiken bestehen bzw. be-
standen für diesen Träger, und wie viele Versicherte sind bzw. waren davon
betroffen?
Um welchen konkreten Träger handelt es sich nach Kenntnis der Bundes-
regierung?
Um welche Bank handelt es sich?

6. Wurden diese Risiken nach Kenntnis der Bundesregierung inzwischen be-
seitigt, und falls ja, mit welchen Mitteln bzw. auf welche Weise?
Inwiefern griff das BVA ein?

7. Welche Anlagesumme ist bzw. war nach Kenntnis der Bundesregierung von
den sogenannten Klumpenrisiken betroffen, die das BVA bei 34 Sozialver-
sicherungsträgern identifiziert hat?
Um welche Träger handelt es sich dabei, und wie viele Versicherte sind bei
diesen Trägern jeweils versichert?

8. Welche 16 Träger verfügten nach Kenntnis der Bundesregierung über Giro-
konten bei nur einer einzigen Bank?
Wie viele Versicherte sind bei diesen Trägern jeweils und insgesamt ver-
sichert?

9. Wurden diese Risiken nach Kenntnis der Bundesregierung inzwischen be-
seitigt, und falls ja, mit welchen Mitteln bzw. auf welche Weise?
Inwiefern griff das BVA ein?

10. Weshalb gab es nach Kenntnis der Bundesregierung trotz der Anfang des
Jahres 2013 in einem Rundschreiben an die Sozialversicherungsträger ver-
schickten Mahnung des BVA, in der es heißt, es gebe Mängel im Risikoma-
nagement und es bestehe Bedarf für Verbesserungen, dennoch die im Tätig-
keitsbericht 2013 beschriebenen Verstöße gegen Anlagerichtlinien?

11. Wie viele und welche Kassen sind nach Kenntnis der Bundesregierung der
Anfang des Jahres 2013 ergangenen Aufforderung des BVA nachgekom-
men und haben Anlagerichtlinien erlassen?
Wie viele und welche Kassen sind dabei der Maßgabe des BVA gefolgt und
haben sich an den Regeln orientiert, die die DRV Bund zusammen mit dem
BMAS und dem BVA bereits 2012 erarbeitet hatte?

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12. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der Versicher-
ten in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung, die aktuell bei einem
Träger versichert sind, dessen Anlagen den genannten Regeln der DRV
Bund, des BMAS und des BVA von 2012 genügen?

13. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der Versicher-
ten in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung, die aktuell bei einem
Träger versichert sind, dessen Anlagen zwar nicht den genannten Regeln
der DRV Bund, des BMAS und des BVA genügen, aber nach Einschätzung
des BVA als (weitgehend) risikofrei einzuschätzen sind?

14. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der Versicher-
ten in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung, die aktuell bei einem
Träger versichert sind, dessen Anlagen nicht den genannten Regeln der
DRV Bund, des BMAS und des BVA genügen?

15. Welche Sozialversicherungsträger haben oder hatten nach Kenntnis der
Bundesregierung Anlagen gemäß § 83 Absatz 3 SGB IV getätigt, dem zu-
folge „Anlagen für soziale Zwecke […] mit Vorrang berücksichtigt werden
[sollen]“?
Wie hoch ist die Anlagesumme, die diesem Kriterium genügt, nach Kennt-
nis der Bundesregierung derzeit?
Um welche Anlagegegenstände handelt es sich dabei?

16. Wann haben nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 24 Monaten
die nach § 90 Absatz 4 SGB IV vorgeschriebenen Treffen der Aufsichts-
behörden stattgefunden, und bei welchem dieser Treffen stand dabei das
Thema der Finanzanlagen in den Sozialversicherungen auf der Tagesord-
nung?
Zu welchen Ergebnissen führten die jeweiligen Beratungen?

17. Sieht die Bundesregierung nach dem Bericht des BVA die Notwendigkeit,
tätig zu werden, und wenn ja, in welcher Form, und bis wann wird die Bun-
desregierung in dieser Frage entschieden haben?

18. Welche Möglichkeiten der Sanktionierung von Trägern der Sozialversiche-
rung hat das BVA nach Auffassung der Bundesregierung?
Welche Sanktionen wurden in den letzten zehn Jahren wie häufig bei den
Trägern der Sozialversicherung aufgrund von Verstößen gegen die Rege-
lungen zur Geldanlage angewendet (bitte nach Sozialversicherungszweigen
aufschlüsseln)?

19. Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung bei einem Sozialversicherungs-
träger in den letzten zehn Jahren mit einer Anlage ein Verlust erzielt?

20. Verfolgt die Bundesregierung immer noch das Ziel, den Wettbewerb zwi-
schen den Krankenkassen zu stärken (vgl. DIE WELT, 23. März 2014
„Minister Gröhe (CDU) [hat] einen stärkeren Wettbewerb der Krankenkas-
sen versprochen“)?

21. Falls ja, inwiefern berücksichtigt die Bundesregierung dabei auch den Um-
stand, den der Präsident des BVA im Vorwort zum Tätigkeitsbericht 2013
beschrieben hat, dass Krankenkassenvorstände dem BVA gegenüber Ge-
setzesverstöße mit dem stärkeren Wettbewerb begründen, der Wettbewerb
also ursächlich für das Bestreben der Kassen nach einer weniger gesetzes-
konformen Praxis der Krankenkassen verantwortlich ist?
Stimmt die Bundesregierung der Aussage des Präsidenten des BVA zu, die
ebenfalls im Vorwort des Tätigkeitsberichts 2013 zu finden ist, dass die Vor-
stellung falsch sei, der Kassenwettbewerb ließe „quasi automatisch Qualität

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und Wirtschaftlichkeit der Versorgung wie Fallobst im Herbst vom Baum
[…] fallen“?

22. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwiefern es Unter-
schiede in dem Anlageverhalten der bundesunmittelbaren Krankenkassen
und dem Anlageverhalten der den einzelnen Landesaufsichtsbehörden
unterstellten Krankenkassen gibt?
Falls die Bundesregierung hierüber Erkenntnisse hat, worin bestehen diese
Unterschiede?

23. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der Anlagen
(Einlagen, Wertpapiere und Sondervermögen) in den einzelnen Sozialver-
sicherungszweigen, die kurzfristig ohne Verlustrisiko liquidiert werden
können?
Wie kommt es nach Kenntnis der Bundesregierung zu den Unterschieden
zwischen den einzelnen Sozialversicherungszweigen bezüglich der Auf-
teilung zwischen Einlagen, Wertpapieren und Sondervermögen?

24. Wie teilen sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den einzelnen Sozial-
versicherungszweigen die Einlagen in Sicht- und Termingeld auf?

25. Welche Arten von Wertpapieren halten nach Kenntnis der Bundesregierung
die einzelnen Sozialversicherungszweige?

26. Welche Arten von Sondervermögen halten nach Kenntnis der Bundesregie-
rung die einzelnen Sozialversicherungszweige?

27. Gibt es Beschränkungen, wie hoch der Anteil der einzelnen Anlageformen
(Einlagen, Wertpapiere, Sondervermögen) sein darf (bitte nach Risikoklas-
sen differenzieren)?

28. Wie hoch waren die Renditen dieser drei unterschiedlichen Anlageformen
(Einlagen, Wertpapiere, Sondervermögen) nach Kenntnis der Bundesregie-
rung pro Jahr in den letzten fünf Jahren (bitte nach den einzelnen Trägern
der Sozialversicherung aufschlüsseln)?

29. Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Renditen pro Jahr
in den letzten fünf Jahren, die die einzelnen Sozialversicherungszweige er-
zielten?

Berlin, den 25. September 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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