BT-Drucksache 18/2630

Pille danach jetzt aus der Rezeptpflicht entlassen

Vom 24. September 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2630
18. Wahlperiode 24.09.2014
Antrag
der Abgeordneten Cornelia Möhring, Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann
(Zwickau), Diana Golze, Matthias W. Birkwald, Katja Kipping, Azize Tank, Harald
Weinberg, Birgit Wöllert, Jörn Wunderlich, Pia Zimmermann und
der Fraktion DIE LINKE.

Pille danach jetzt aus der Rezeptpflicht entlassen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In der weit überwiegenden Anzahl der europäischen Länder kann die „Pille da-
nach“ auf Basis des Wirkstoffs Levonorgestrel rezeptfrei und komplikationslos in
Apotheken gekauft werden. Im Gegensatz zu den Nachbarländern ist der Zugang zu
diesem Medikament in der Bundesrepublik Deutschland an eine ärztliche Ver-
schreibung gebunden. Für die betroffenen Frauen führt dies zu einer höchst unbe-
friedigenden Situation, für die es keine tragfähige Begründung gibt und die des-
halb dringend änderungsbedürftig ist.

Die „Pille danach“ auf der Basis von Levonorgestrel wird als Notfallkontrazep-
tivum in solchen Fällen angewandt, in denen eine andere Verhütungsmethode
im Ausnahmefall nicht zur Anwendung kam oder eine geplante Verhütung fehl-
geschlagen ist und eine Schwangerschaft vermieden werden soll. Das Medika-
ment wirkt umso verlässlicher, je früher es nach dem Geschlechtsverkehr zur
Anwendung kommt. Dies wird dadurch beeinträchtigt, dass gerade nachts oder
am Wochenende erst ärztliche Notfalldienste mit entsprechenden Wartezeiten
aufgesucht werden müssen, um das Rezept zu erhalten.

Die Weltgesundheitsorganisation nahm bereits 2010 eine Bewertung der „Pille
danach“ auf Levonorgestrelbasis vor und kam zu dem Schluss, dass die Anwen-
dung der Methode einfach und eine ärztliche Betreuung für eine korrekte An-
wendung nicht erforderlich sei. Zudem zeige eine evidenzbasierte Bewertung,
dass diese Nachverhütungsmethode sehr sicher sei und nicht abortiv oder schä-
digend auf eine bereits bestehende Schwangerschaft wirke. Nebenwirkungen
seien selten und verliefen in der Regel mild.

Diese Einschätzung deckt sich mit der Bewertung des Sachverständigenaus-
schusses für Verschreibungspflicht beim Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM), der im Rahmen der 71. Sitzung am 14. Januar 2014
empfohlen hat, Levonorgestrel aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Dies
wurde unter anderem damit begründet, dass entsprechende Recherchen in den
vorliegenden klinischen Studien sowie der Datenbank des BfArM ergeben hät-
ten, dass keine ursächlich auf Levonorgestrel zurückzuführenden schweren Ne-
benwirkungen berichtet worden seien. Alle Anwendungserfahrungen seien in

Drucksache 18/2630 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Übereinstimmung mit den Ergebnissen der vorgestellten Daten zu Levonorge-
strel positiv.

Die Abgabe der „Pille danach“ in Apotheken ohne ärztliche Verschreibung sollte
daher auch in der Bundesrepublik Deutschland einen niedrigschwelligen und
schnellen Zugang zur Verhinderung einer ungewollten Schwangerschaft ermög-
lichen. Dies entspricht auch den Regelungen anderer Länder im Umgang mit
Notfallkontrazeptiva. So steht unter anderem in Belgien, Dänemark, Frankreich,
Großbritannien, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Schweden,
der Schweiz und Spanien Frauen die „Pille danach“ ohne eine Verschreibungs-
pflicht zur Verfügung. Die Europäische Arzneimittelagentur (European Medici-
nes Agency – EMA) prüft derzeit sogar einen Antrag auf Entlassung aus der
Verschreibungspflicht für ein weiteres Notfallkontrazeptivum mit dem Wirk-
stoff Ulipristalacetat, obgleich in Bezug auf diesen Wirkstoff deutlich weniger
Erfahrungen zu Risiken und Nebenwirkungen vorliegen.

Die Erfahrungen der Nachbarländer mit Notfallkontrazeptiva auf Levonorge-
strelbasis haben gezeigt, dass eine ärztliche Betreuung nicht erforderlich ist. So-
wohl von Anwenderinnen als auch von der Apothekerschaft wird der rezeptfreie
Verkauf positiv bewertet. In mehreren Studien wurden eine Zunahme der Ver-
wendung von regulären Verhütungsmitteln und eine damit einhergehende bes-
sere Familienplanung nachgewiesen. Studien belegen auch, dass Schwanger-
schaftsabbrüche in den Ländern, in denen die „Pille danach“ rezeptfrei erworben
werden kann, gesunken sind. Auch hat die Rezeptfreiheit in diesen Ländern nicht
zu einer Zunahme von riskantem Sexualverhalten geführt.

Bei einer entsprechenden Abgaberegelung in der Bundesrepublik Deutschland
würde die Beratungskompetenz der Apotheken stärker in den Vordergrund ge-
rückt werden, da diese auf der Grundlage der Apothekenpflicht über Risiken,
Nebenwirkungen und die korrekte Einnahme sachgerecht zu informieren haben.
Als Ausübende eines naturwissenschaftlich geprägten Heilberufs sind Apothe-
kerinnen und Apotheker hierzu bestens qualifiziert. Sie sind nicht nur in der
Lage, eine sichere Abgabe der Notfallkontrazeptiva zu gewährleisten, sondern
aufgrund ihrer Beratungskompetenz geradezu prädestiniert, die für die Anwen-
dung notwendigen Sachinformationen adressaten- und situationsgerecht zu ver-
mitteln.

Die Entlassung der Notfallkontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel aus
der Verschreibungspflicht wird seit vielen Jahren aus guten Gründen gefordert.
Ein schneller Zugang zu diesem Präparat trägt dazu bei, ungewollte Schwanger-
schaften sowie Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden. Die derzeitige Ver-
schreibungspflicht ist aus gesundheitspolitischer Sicht nicht zu begründen und
sollte aufgehoben werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

der Forderung des Bundesrates zu entsprechen und Notfallkontrazeptiva mit
dem Wirkstoff Levonorgestrel schnellstmöglich aus der Verschreibungspflicht
zu entlassen.

Berlin, den 24. September 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2630
Begründung

Bereits am 5. Juli 2013 hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, bei der nächsten Änderung der
Arzneimittelverschreibungsverordnung die Aufhebung der Verschreibungspflicht für den Wirkstoff Levonor-
gestrel zur Notfallkontrazeption vorzusehen (Bundesratsdrucksache 555/13). Dieses Anliegen wurde mit dem
Beschluss zur Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung und der Verordnung über
apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel am 8. November 2013 sowie am 23. Mai 2014 bekräftigt
(Bundesratsdrucksachen 705/13 sowie 169/14). Der vorliegende Antrag enthält den Beschluss des Bundesrates
vom 23. Mai 2014.

In den Jahren 2012 bis 2014 legten die Fraktionen SPD, DIE LINKE. und von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Anträge mit dem gleichen Ziel im Bundestag vor. Die Bundesregierung hat eine eigene Initiative zur Verord-
nungsänderung noch am 29. August 2012 mit Verweis der fehlenden Bundesratsmehrheit verweigert (vgl. Ant-
wort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., Bundestagsdrucksache 17/10557). Die seit 2013 beste-
hende Mehrheitssituation im Bundesrat macht dieses Argument jedoch obsolet. Sowohl im Bundestag als auch
im Bundesrat stellen Fraktionen bzw. Länder, die die Rezeptfreiheit von Notfallkontrazeptiva mit Levonorge-
strel befürworten, die Mehrheit.

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