BT-Drucksache 18/2504

Rechtmäßigkeit des Versandes von "Stillen SMS"

Vom 9. September 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2504
18. Wahlperiode 09.09.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Jan van Aken, Annette Groth,
Inge Höger, Ulla Jelpke, Kerstin Kassner, Niema Movassat, Harald Petzold
(Havelland), Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtmäßigkeit des Versandes von „Stillen SMS“

Die Möglichkeiten neuer, digitaler Überwachungsmethoden sind in der Öffent-
lichkeit oft wenig bekannt. Vielfach sind die Maßnahmen aus Sicht der Frage-
steller nicht durch die Strafprozessordnung (StPO) gedeckt. Das gilt etwa für
die „Stillen SMS“ zur Ortung von Mobiltelefonen. Denn von Polizeien und
Geheimdiensten ausgelesene Standortdaten entstehen erst dadurch, dass jene
Behörden einen Kommunikationsvorgang initiieren. Das Abhören von Tele-
kommunikation muss aber als eine passive Überwachungsmaßnahme aus-
geführt werden (Telepolis, 4. April 2012). Indem der Versand der „Stillen SMS“
und die Abfrage der entstehenden Daten in verschiedene Maßnahmen aufgeteilt
werden, können mögliche Grundrechtseingriffe durch Betroffene nicht erkannt
werden. Ohnehin werden die Ausgeforschten nicht über die Maßnahmen in
Kenntnis gesetzt. Also kann auch niemand gegen die mögliche Rechtswidrig-
keit klagen. Inzwischen ist die Bundesregierung dazu übergangen, die ohnehin
spärlichen Details zu „Stillen SMS“ in größerem Umfang geheim zu halten. So
werden etwa Zahlen zu „Stillen SMS“ des Zolls gegenüber früheren Kleinen
Anfragen nicht mehr beauskunftet (Bundestagsdrucksachen 18/2257 und 17/
14714). Die Fragesteller fordern deshalb die größtmögliche Offenlegung neuer,
digitaler Überwachungsmethoden. Die Bundesregierung muss deshalb ihre
Antworten auf frühere parlamentarische Initiativen konkretisieren.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwiefern hält die Bundesregierung „Stille SMS“ weiterhin als durch die

StPO gedeckt?
2. Welche Position vertritt die Bundesregierung hinsichtlich der Frage, ob es

sich beim Versenden der „Stillen SMS“ (nicht der späteren Erhebung von
Daten) um einen Kommunikationsvorgang handelt, und wie begründet sie
dies?

3. Inwiefern spielt es dabei aus Sicht der Bundesregierung eine Rolle, dass es
sich bei „Stillen SMS“ nach Meinung der Fragesteller sowie von Rechts-
wissenschaftlern (Telepolis, 4. April 2012) nicht um eine passive Über-
wachungsmaßnahme handelt, sondern um eine aktive Maßnahme, die erst
durch die Behörden initiiert wird?

Drucksache 18/2504 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Wie interpretiert die Bundesregierung die §§ 100a, 100b, 100g StPO bzw.
§ 20l des Bundeskriminalamtgesetzes (BKAG) sowie §§ 1, 3 des Artikel 10-
Gesetzes – G 10 hinsichtlich einer Ermächtigung zum Versand von „Stillen
SMS“ (nicht der späteren Erhebung von Daten), obwohl diese dort und in
keiner anderen Rechtsvorschrift auch nur andeutungsweise erwähnt sind
(bitte ausführlicher erläutern als auf Bundestagsdrucksache 17/8544 (neu))?

5. Welche der aufgeführten Normen ermächtigen aus Sicht der Bundesregie-
rung ihre Behörden zum Vorgang des Versendens von „Stillen SMS“, einen
Kommunikationsvorgang dadurch also überhaupt erst zu erzeugen?

6. Inwiefern ist die Bundesregierung der Ansicht, dass es sich beim Versenden
von „Stillen SMS“ als „isolierte, taktische Maßnahme“ (Bundestagsdruck-
sache 17/8544 (neu)) um einen niedrigschwelligen Grundrechtseingriff
handelt?

7. Sofern die Bundesregierung sich als Ermächtigung auf die Generalklausel
gemäß §§ 161, 163 StPO bezieht, wie begründet sie diese Einschätzung?

8. Inwiefern ist die Bundesregierung wie die Fragesteller der Ansicht, dass die
Generalklausel gemäß §§ 161, 163 StPO nur niedrigschwellige Grundrechts-
eingriffe umfasst?

9. Inwiefern ist durch Aufspaltung des Versands und der Abfrage von Kom-
munikationsvorgängen und die Kombination mehrerer Ermächtigungs-
grundlagen aus Sicht der Bundesregierung dennoch sichergestellt, dass die
Gesetze nicht so abstrakt geraten, dass mögliche Grundrechtseingriffe nicht
mehr erkennbar sind (Legal Tribune Online, 8. August 2014)?

10. Wie ist aus Sicht der Bundesregierung trotz mehrfach kombinierter Ermäch-
tigungsgrundlagen das Recht auf effektiven Rechtsschutz sichergestellt?

11. Wie sollen Betroffene aus Sicht der Bundesregierung ihren Rechtsschutz
wahrnehmen und vor Gerichten klagen können, wenn diese offensichtlich
niemals von der Maßnahme durch Behörden des Bundesministeriums des
Innern und des Zolls erfahren?

12. Wie viele Betroffene wurden überhaupt jemals über den Versand von „Stil-
len SMS“ an ihre Mobiltelefone informiert?

13. Sofern diese Zahl gering ist oder sich sogar auf null beläuft, wie vereinbart
die Bundesregierung dies mit der Benachrichtigungspflicht nach § 101
StPO?

14. Was spricht aus Sicht der Bundesregierung dagegen, ein Gesetz zum Ver-
senden von „Stillen SMS“ zu erlassen?

15. Wie hat sich die Bundesregierung in den vergangenen zwei Jahren im Bun-
desrat zur Entwicklung strengerer Kriterien für die Anordnung, Durchfüh-
rung und Protokollierung zukünftiger Maßnahmen zur Funkzellenauswer-
tung oder des Versendens „Stiller SMS“ positioniert?

16. Bis auf welchen Bereich ist eine Ortung im innerstädtischen Bereich sowie
im ländlichen Raum mittels von Bundesbehörden versandten „Stillen SMS“
bzw. der darauf folgenden Funkzellenabfrage möglich (bitte möglichst
nachvollziehbare Entfernungen angeben)?

17. Was ist der Bundesregierung über die Praxis deutscher Telekommunika-
tionsprovider bekannt, Standortdaten der Mobiltelefone in den jeweiligen
Funkzellen, wie im Telekommunikationsgesetz gefordert, höchstens zu Ab-
rechnungszwecken vorzuhalten und dann „unverzüglich“ zu löschen (bitte,
soweit bekannt, die Zeit der Speicherung von Standortdaten durch Telekom-
munikationsprovider mitteilen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2504
18. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern Mobilfunkgeräte
auch ohne Bestehen einer aktiven Verbindung Standortdaten an Funkzellen
aussenden, und inwiefern werden auch diese von den Providern gespei-
chert?

19. Aus welchem Grund ist die Bundesregierung dazu übergegangen, den Um-
fang des Versandes von „Stillen SMS“ durch den Zoll gegenüber früheren
Kleinen Anfragen nicht mehr zu beauskunften (Bundestagsdrucksache 18/
2257)?

20. Aus welchem Grund hat die Bundesregierung den Versand von „Stillen
SMS“ durch den Zoll zuvor dennoch beauskunftet (Bundestagsdrucksache
17/14714)?

21. Über welche bzw. wie viele Anwendungen zum Versand von „Stillen SMS“
verfügen das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz
derzeit, und um welche Produkte welcher Hersteller handelt es sich?

22. Welche Lizenzgebühren fallen hierfür jährlich an?
23. An welche Bundesbehörden haben das Bundeskriminalamt und das Bundes-

amt für Verfassungsschutz Anwendungen zum Versand von „Stillen SMS“
weitergegeben?

24. Wann ist die Weitergabe erfolgt, und inwiefern fallen auch hier Lizenzge-
bühren an?

Berlin, den 9. September 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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