BT-Drucksache 18/2493

Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus verstetigen und finanziell absichern

Vom 9. September 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2493
18. Wahlperiode 09.09.2014
Antrag
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Diana Golze, Nicole Gohlke, Dr. André
Hahn, Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Katrin Kunert, Ralph Lenkert, Michael
Leutert, Cornelia Möhring, Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Martina
Renner, Kersten Steinke, Frank Tempel, Halina Wawzyniak, Katrin Werner, Jörn
Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus verstetigen und finanziell
absichern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In den gemeinsamen Schlussfolgerungen aller Fraktionen des Abschlussberichts des
NSU-Untersuchungsausschusses heißt es unter der Überschrift „Kontinuierliche Un-
terstützung für Demokratieförderung“ und bezogen auf das Engagement der in den
Bundesprogrammen arbeitenden Projekten: „Dieses Engagement muss unterstützt,
ausreichend gefördert, ausgebaut und verstetigt werden.“ (Bundestagsdrucksache
17/14600, S. 866) Alle Fraktionen des 17. Deutschen Bundestages waren sich darin
einig, dass die von den Projekten in den Bereichen der Aktivitäten gegen Rechtsex-
tremismus, Rassismus, Antisemitismus und Opferschutz geleistete Arbeit unver-
zichtbar, zeitlich auf Dauer und finanziell besser zu stellen sind.

Auch 13 Jahre nach dem Beginn der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus
und zur Stärkung demokratischer Strukturen hat diese Aufgabe nichts von ihrer Be-
deutung verloren. Die vom Bund angestoßenen und durch die Bundesländer in un-
terschiedlichem Maße kofinanzierten Programme haben in ihrer Gesamtheit viel An-
erkennung gefunden und sind auch von Seiten der wissenschaftlichen Begleitfor-
schung als wichtige und richtige Ansatzpunkte zur Auseinandersetzung mit der ex-
tremen Rechten und mit demokratiefeindlichen Erscheinungen bewertet worden.

Die bisherigen Erfahrungen mit den Bundesprogrammen haben gezeigt, dass eine
langfristige, auf die Stärkung engagierter Akteure vor Ort setzende Arbeit die beste
Gewähr dafür bietet, lokale Strukturen der extremen Rechten einzudämmen und
auch zurückdrängen zu können. Die erhöhte Sensibilität gegenüber extrem rechten
Aktivitäten ist auch auf die langfristig angelegte Arbeit der über die Bundespro-
gramme finanzierten Projekte zurückzuführen. Diese positive Entwicklung muss
durch eine Verstetigung und finanzielle Ausweitung der Arbeit fortgesetzt werden,
denn die bisherigen Erfolge sind keineswegs gesichert.

So stellt der Bundestag mit Besorgnis fest, dass autoritäre, ausgrenzende und gegen
bestimmte Bevölkerungsgruppen gerichtete Einstellungen nach wie vor eine relativ
große Verbreitung in der Bevölkerung finden. Sie können einen Resonanzboden für
die extreme Rechte bilden, weshalb es notwendig ist, hier verstärkt gegenzusteuern.

Drucksache 18/2493 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Dies kann nach Überzeugung des Bundestages jedoch nur mit einer zielgenauen, an
konkreten Inhalten ausgerichteten, fachlich qualifizierten Arbeit der Bundespro-
gramme geschehen.

In den vergangenen 13 Jahren ist insbesondere in den neuen Bundesländern und Ber-
lin, aber auch in einigen westlichen Bundesländern, ein flächendeckendes Netz hoch
professioneller, unverzichtbarer Beratungsprojekte für Opfer rechter und rassisti-
scher Gewalt sowie Mobiler Beratungsteams entstanden, die u. a. Kommunen, poli-
tisch Verantwortliche, Verbände und Vereine beraten und schulen.

Die Arbeit dieser erfolgreichen Beratungsprojekte ebenso wie der positiv evaluierten
Modellprojekte wird jedoch immer wieder massiv behindert: So durch die jeweils
zeitlich begrenzte Förderung durch das Bundesfamilienministerium und die perma-
nent drohenden Kürzungen der Kofinanzierung aus den Ländern und generell durch
eine zu gering bemessene Finanzierung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

die erfolgreiche Arbeit der bisherigen Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus
fortzuführen, an entscheidenden Stellen zu verbessern, den finanziellen Rahmen der
Programme auszuweiten und die Programme zu verstetigen. Hierzu sind folgende
Maßnahmen zu ergreifen:
1. Der finanzielle Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben! Aktiv gegen

Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“, das zum 1. Januar
2015 starten soll, wird auf 50 Mio. Euro erhöht und ausschließlich für den Be-
reich Rechtsextremismus verwendet.

2. Die Bundesregierung legt dem Bundestag schnellstmöglich eine Gesetzesinitia-
tive vor, mit der die Finanzierung der Bundesprogramme gegen Rechtsextremis-
mus als eine dauerhafte Aufgabe des Bundes fixiert wird.

Berlin, den 9. September 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Nur wenn die bisher zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel des Bundes auf mindestens 50 Mio. Euro jährlich
verdoppelt werden, kann der dringend notwendige Ausbau der professionellen Beratungsprojekte für Betrof-
fene rechter und rassistischer Gewalt sowie der Mobilen Beratungsteams auch in den westdeutschen Bundes-
ländern mit den professionellen Qualitätsstandards der Beratungsprojekte und Mobilen Beratungsteams in den
ostdeutschen Bundesländern und Berlin umgesetzt werden sowie letztere gesichert und drohende Kürzungen
abgewendet werden.

Die Verdoppelung des bisherigen Budgets für die Projekte im Bereich Rechtsextremismus ist ein dringend
notwendiges Signal an die Betroffenen und die Gesellschaft, dass die politisch Verantwortlichen erkannt haben,
dass Rechtsextremismus und Rassismus keine zeitlich begrenzten Phänomene sind, die von selbst wieder ver-
schwinden, sondern dass sie Dauerprobleme der gesamten Gesellschaft sind, zu deren Bekämpfung eben auch
dauerhafte Beratungsstrukturen notwendig sind.

Um eine von den Sachverständigen des NSU-Untersuchungsausschusses, Prof. Barbara John und Britta Schel-
lenberg, empfohlene Verstetigung der Förderung zu realisieren, greift der Bundestag eine Empfehlung von

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2493
Prof. Barbara John zum Aufbau einer Stiftung auf. Dass eine langfristige, dauerhafte Finanzierung der
Arbeit gegen Neonazismus und für Demokratieförderung auf Bundesebene verfassungsrechtlich möglich ist,
haben u. a. der Staatsrechtler Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis (HU Berlin) und Prof. Dr. Klaus Joachim
Grigoleit (TU Dortmund) in einem Gutachten im Auftrag des Zentralrats der Juden in Deutschland, kirchlicher
Vereine und Initiativen wie der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche & Rechtsextremismus“, des Deutschen
Gewerkschaftsbunds sowie weiterer Verbände und Initiativen gegen Rechtsextremismus festgestellt
(http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/gutachten.pdf). Dies setzt ein Bundesgesetz sowie die
politische Entscheidung für ein Finanzierungsmodell voraus: Damit aus einem Flickenteppich aus unzureichen-
der Bundes- und Länderförderung für die freien Träger endlich eine effektive, koordinierte und verlässliche
Unterstützung wird, die zudem der Tatsache Rechnung trägt, dass rechte Gewalt und neonazistische Aktivitäten
gesamtdeutsche Probleme und nicht auf die ostdeutschen Bundesländer beschränkt sind.

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