BT-Drucksache 18/2424

Bilanz des Bologna-Prozesses in Deutschland

Vom 28. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2424
18. Wahlperiode 28.08.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Gohlke, Diana Golze, Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach,
Ralph Lenkert, Cornelia Möhring, Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte,
Katrin Werner, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Bilanz des Bologna-Prozesses in Deutschland

Vor 15 Jahren, am 19. Juni 1999, unterzeichneten 29 europäische Staaten eine
gemeinsame Erklärung zur Schaffung eines europäischen Hochschulraums, die
sogenannte Bologna-Erklärung. Inzwischen ist die Zahl der Staaten, die sich an
diesem Prozess beteiligen, auf fast 50 angestiegen. Die beteiligten Staaten pro-
klamierten, sich auf vergleichbare bzw. einheitliche Standards und Regelungen
zu einigen, um Mobilitätshemmnisse für Studierende abzubauen und die Koope-
rationen zwischen den Staaten bzw. ihren Bildungseinrichtungen zu erleichtern.
Nach den damaligen Planungen sollte dieser Prozess im Jahr 2010 weitestge-
hend abgeschlossen sein. In Deutschland zeigten sich jedoch bei der Umsetzung
der in der Bologna-Erklärung formulierten Ziele immer wieder Schwierigkeiten.
Seit Beginn der Reform werden insbesondere von Studierenden die starre Stu-
dienstruktur („Verschulung“), zu umfangreiche Leistungsanforderungen, hohe
Prüfungsdichte, Probleme bei der Anerkennung von im Ausland oder an anderen
Hochschulen erbrachten Studienleistungen, soziale Selektivität bei den Über-
gängen vom Bachelor- zum Masterstudium sowie die unzureichende finanzielle
Unterstützung von Studierenden, die einen Auslandsaufenthalt in ihrem Stu-
dium einlegen wollen, kritisiert.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. a) Welche Probleme identifiziert die Bundesregierung bei der Umsetzung des

Bologna-Prozesses in Deutschland 15 Jahre nach der Bologna-Erklärung?
b) Mit welchen Maßnahmen und in welchem Zeitraum plant sie, diese

Probleme zu lösen?
2. Wie erklärt sich die Bundesregierung die regelmäßigen Proteste und Kritik

gegen die Umsetzung des Bologna-Prozesses und die Unterfinanzierung der
Hochschulen (bundesweit im Jahr 2009, zuletzt in Thüringen, Sachsen-Anhalt,
Hessen sowie Sachsen), und welche Kritikpunkte hält sie für angemessen?

3. a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Zulassungsbeschränkungen an vie-
len deutschen Hochschulen, die dazu führen, dass sich Tausende Studien-
berechtigte jedes Semester für ein Studium einklagen?

b) Wie viele Anträge auf einstweilige Anordnung von Studienberechtigten
zur Zuweisung gingen in den letzten zehn Jahren bei Verwaltungsgerich-
ten ein, und in wie vielen Fällen wurde zugunsten des Studienberechtigten
entschieden (bitte auch nach Jahren und Bundesländern aufschlüsseln)?

c) Erwägt die Bundesregierung Maßnahmen, um die Studienplatzvergabe
durch Gerichte einzudämmen, etwa die Zulassungsregelungen an den
Hochschulen bundesweit zu vereinheitlichen (bitte ausführen)?

Drucksache 18/2424 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Wie beurteilt die Bundesregierung die hohen Studienabbruchquoten von
aktuell 28 Prozent bei Bachelorstudiengängen (vgl. DZHW Forum Hoch-
schule 4/2014), und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

5. a) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass trotz
Auslands-BAföG, Bildungskrediten und Stipendienmöglichkeiten 66
Prozent der Studierenden, die keinen Auslandsaufenthalt während des
Studiums absolvieren, die finanzielle Mehrbelastung als einen Haupt-
grund für ihre Entscheidung gegen einen Auslandsaufenthalt während
des Studiums nennen (20. Sozialerhebung des Deutschen Studenten-
werkes e. V.)?

b) Vor dem Hintergrund, dass die Auslandsmobilitätsquote von Studieren-
den mit niedriger Bildungsherkunft mit 9 Prozent besonders gering ist
(vgl. 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes), genügt es aus
der Sicht der Bundesregierung, für diese Studierenden nur das Bera-
tungsangebot zu verbessern oder plant die Bundesregierung noch weitere
Maßnahmen zur Erhöhung der Auslandsmobilität?

c) Wird sich aus der Sicht der Bundesregierung die Verzögerung der Erhö-
hung der BAföG-Sätze und -Freibeträge ins Wintersemester 2016/2017
auf diese Studierenden auswirken?

6. Wie hoch ist der Anteil der Masterstudiengänge in Deutschland, der für eine
Zulassung einen sogenannten qualifizierten Bachelorabschluss (z. B. eine
Mindestdurchschnittsnote) vorsieht?

7. Wie hoch war in den letzten zehn Jahren der Anteil von Masterstudierenden
an den Universitäten, die ihren Bachelorabschluss an einer Fachschule
erworben haben (bitte nach Jahren und Bundesländern aufschlüsseln)?

8. Liegen der Bundesregierung Zahlen vor, wie hoch der Anteil von Kindern
von Akademikerinnen und Akademikern bzw. von Nichtakademikerinnen
und Nichtakademikern eines Jahrgangs ist, die zu einem Masterstudiengang
zugelassen werden, angesichts dessen, dass der regelmäßig in den Sozialer-
hebungen des Deutschen Studentenwerkes e. V. ermittelte Bildungstrichter
den Zusammenhang von Hochschulzugang und Bildungsabschluss der
Eltern (vgl. HIS 2013) zeigt und mit dem Masterabschluss eine weitere
Stufe innerhalb des Bildungssystems geschaffen wurde, an deren Übergang
Zugangsbeschränkungen für Bildungsteilnehmerinnen und Bildungsteil-
nehmer existieren (bitte Zahlen anführen)?

9. Mit welchen Maßnahmen und Initiativen plant die Bundesregierung die
hohen Leistungsanforderungen des Bachelors zu senken und die Studierbar-
keit der Studiengänge zu verbessern vor dem Hintergrund, dass die Deut-
schen Studentenwerke von einer immer größer werdenden Zahl von Studie-
renden berichten, die aufgrund des hohen Zeit- und Leistungsdrucks des
verschulten Bachelor-/Mastersystems ihre psychologischen Beratungsstel-
len aufsuchen?

10. a) Was versteht die Bundesregierung unter Employability?
b) Welchen Stellenwert nimmt Employability aus Sicht der Bundesregie-

rung neben den anderen Bildungszielen (Mündigkeit, Kritikfähigkeit,
Gerechtigkeitssinn etc.) ein?

c) Bietet die kurze Studiendauer der Bachelorstudiengänge nach Ansicht
der Bundesregierung genügend Voraussetzungen für die Vermittlung von
Employability?

Berlin, den 28. August 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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