BT-Drucksache 18/2338

Vorhaben der Bundesregierung in der Hochschul-, Wissenschafts- und Forschungsfinanzierung

Vom 8. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2338
18. Wahlperiode 08.08.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Gohlke, Diana Golze, Dr. Rosemarie Hein,
Sigrid Hupach, Ralph Lenkert, Cornelia Möhring, Harald Petzold (Havelland),
Katrin Werner, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Vorhaben der Bundesregierung in der Hochschul-, Wissenschafts- und
Forschungsfinanzierung

In der Präambel des zwischen CDU, CSU und SPD geschlossenen Koalitions-
vertrages für die 18. Wahlperiode erklären die Unterzeichnerinnen und Unter-
zeichner: „Bildung, Wissenschaft und Forschung sind Kernanliegen der Koali-
tion.“ In den Haushaltsplänen des Bundes ist dieser Bereich fast ausschließlich
im Einzelplan 30 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF)
zusammengefasst. Im Haushaltsjahr 2014 wird dieser nach derzeitigen Planun-
gen um rund 1,50 Prozent gegenüber den Ist-Zahlen der Haushaltsrechnung
2013 ansteigen – dies entspricht etwa der Preissteigerungsrate. Im Jahr 2015 ist
eine Steigerung von 8,6 Prozent gegenüber dem Haushaltsplan 2014 (Soll) vor-
gesehen, die jedoch zu knapp 60 Prozent aus der Übertragung der Ausgaben für
das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) von den Ländern auf den
Bund entsteht. Ob die Bundesländer dieses Geld tatsächlich und langfristig zur
Steigerung der Bildungsausgaben verwenden ist noch offen. Ein weiterer nicht
unerheblicher Teil des Anstiegs des Haushalts des BMBF ist auf die Kostenstei-
gerungen bei der Stilllegung und dem Rückbau kerntechnischer Versuchs- und
Demonstrationsanlagen zurückzuführen. Finanzmittel, die für Bildung, Wissen-
schaft und Forschung nicht mehr zur Verfügung stehen.
Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie die Deutsche Forschungs-
gemeinschaft (DFG) werden durch die Vereinbarungen im Rahmen des Paktes
für Forschung und Innovation einen weiteren deutlichen Aufwuchs erhalten.
Gleichzeitig wird die erste Säule des Hochschulpakts 2020, der für den Kapazi-
tätsausbau und die Qualitätsverbesserung der Lehre an den Hochschulen vorge-
sehen ist, im Jahr 2014 nicht aufgestockt, im Jahr 2015 nach den derzeitigen
Haushaltsplanungen sogar gekürzt – um ca. 70 Mio. Euro bzw. knapp 4 Prozent.
Ebenso werden die BAföG-Zuschüsse und -Darlehen an Studierende, gegenüber
den Ist-Zahlen der Haushaltsrechnung von 2013, für die Haushaltsjahre 2014
und 2015 kaum angehoben, während die Zahl der Studierenden vom Winter-
semester 2011/2012 zum Wintersemester 2013/2014 von 2,38 auf 2,61 Millio-
nen angestiegen ist (vgl. Statistisches Bundesamt). Die Erhöhung der Ausgaben
für das BAföG im Bundeshaushalt ergibt sich lediglich durch die vollständige
Übernahme der BAföG-Kosten durch den Bund. Dies ist besonders kritisch zu
sehen, weil vonseiten der Koalition und der Bundesregierung mehrfach erklärt
wurde, dass sie sich für eine Erhöhung der BAföG-Höchstsätze und Freibeträge
einsetzen, und dass dies dringend geboten ist (vgl. u. a. Plenarprotokoll 18/15,
S. 1153 C). Eine Erhöhung sei stets an der ablehnenden Haltung der Länder
gescheitert (vgl. u. a. Plenarprotokoll 18/15, S. 1151 B). Nachdem der Bund nun

Drucksache 18/2338 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
für das Jahr 2015 die gesamten Ausgaben für das BAföG übernehmen will, wird
die Erhöhung der BAföG-Höchstsätze und Freibeträge auf das Wintersemester
2017/2018 hinausgezögert.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber – beispielsweise aus den Kon-

sultationen im Stabilitätsrat –, ob die Bundesländer in ihren Abbaupfaden zur
Umsetzung der Schuldenbremse bis zum Jahr 2020 den Wegfall der im
Gesetz zur Entflechtung von Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen ge-
regelten Zuschüsse des Bundes in Höhe von knapp 2,57 Mrd. Euro (darunter
715,2 Mio. Euro für die Bildung) sowie den Wegfall der Konsolidierungshil-
fen nach Artikel 143d Absatz 2 und 3 des Grundgesetzes (GG) zur Umset-
zung der so genannten Schuldenbremse in Höhe von 800 Mio. Euro einbe-
rechnet haben?

2. Wieso werden die Mittel, auf die sich die Koalition am 26. Mai 2014 für den
Bereich Bildung geeinigt hat, als „zusätzliche Bildungsausgaben“ bezeich-
net, wenn für diesen Zeitraum in der „Verwaltungsvereinbarung zwischen
Bund und Ländern gemäß Artikel 91b Abs. 1 Nr. 2 des Grundgesetzes über
den Hochschulpakt 2020 (zweite Programmphase)“ eine Kürzung der
Bundesmittel – der ersten und zweiten Phase des Hochschulpakts 2020 – in
gleicher Höhe bereits vorgesehen ist?
Wie wird dies, wie von der Bundesministerin für Bildung und Forschung,
Dr. Johanna Wanka, erklärt (vgl. Plenarprotokoll 18/30, S. 2459 C), zu einem
Anstieg des Haushaltsvolumens des BMBF beitragen?

3. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Länder die Entlastung
durch die vollständige Übernahme des BAföG durch den Bund für zusätz-
liche Bildungsausgaben aufwenden?
Über welche Möglichkeiten verfügt die Bundesregierung, eine Zweckbin-
dung dieser Mittel durchzusetzen?

4. Plant der Bund langfristig mit zusätzlichen Einnahmen aus Zinsen und Til-
gung für Darlehen nach dem BAföG anlässlich der vollständigen Übernahme
der BAföG-Ausgaben (bitte mit Begründung)?

5. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung der Darlehensanteil für das
Studierenden-BAföG in den Haushalten der einzelnen Bundesländer ver-
bucht?

6. Wieso werden im Referentenentwurf der Bundesregierung für das „Fünfund-
zwanzigste Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgeset-
zes“ auf Seite 3 bei der Darstellung der Mehrausgaben für den Bund durch
die Übernahme der vollen Finanzierung des BAföG für die Jahre 2015 bis
2018 weniger veranschlagt als bei der Entlastung der Bundesländer?

7. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, welcher Anteil der Darlehen für
das Studierenden-BAföG zurückgezahlt wird?

8. Entstehen den Bundesländern nach Kenntnis der Bundesregierung durch die
vollständige Übertragung der BAföG-Ausgaben auf den Bund langfristig
Mindereinnahmen infolge der sich reduzierenden Rückzahlungen von Dar-
lehen?
Wenn ja, in welchem Umfang (bitte mit Begründung)?

9. Sieht die Bundesregierung langfristig eine Mehrbelastung für die Bundeslän-
der, wenn diese – wie von ihr gefordert – die von ihr errechnete Entlastung
aus der vollständigen Übertragung der BAföG-Ausgaben auf den Bund zur
Finanzierung anderer Bildungsausgaben verwenden (bitte mit Begründung)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2338
10. Wie wird sich nach Kenntnis der Bundesregierung die langfristige Entlas-
tung der Bundesländer durch die vollständige Übernahme der BAföG-Aus-
gaben durch den Bund entwickeln, wenn berücksichtigt wird, dass ein Teil
der für den Darlehensanteil des Studierenden-BAföG verausgabten Finanz-
mittel von den Empfängerinnen bzw. Empfänger zurück gezahlt wird?

11. Wie sehen die Vorschläge der Bundesministerin für Bildung und Forschung
zur Weiterentwicklung der Exzellenzinitiative aus, die sie laut ihrer Rede
am 10. April 2014 zur Einbringung des Entwurfs des Einzelplans 30 im Ple-
num des Deutschen Bundestages an die Bundesländer übermittelt hat?

12. Was meint die Bundesbildungsministerin mit der Formulierung in ihrer
Rede am 10. April 2014 zur Entwicklung der Exzellenzinitiative, sie wolle
eine „[…] nachhaltige Entwicklung und nicht immer wieder einen neuen
Wettbewerb [ …]“?
Bedeutet dies, dass alle oder ein Teil der derzeit geförderten Exzellenzclus-
ter, Graduiertenschulen und Zunkunftskonzepte ihre Förderung dauerhaft
erhalten sollen und es keine Wettbewerbe mehr um diese Finanzmittel gibt
(bitte mit Begründung)?
Wenn ja, würde die Bundesregierung dies als eine Verbesserung der Grund-
finanzierung der Hochschulen im Sinne des Koalitionsvertrages betrach-
ten?

13. Welche „neuen Schritte für den wissenschaftlichen Nachwuchs“ sollten
dies nach Vorstellung der Bundesbildungsministerin sein?

14. a) Warum verweigert die Bundesregierung den Bundesländern weitere Un-
terstützung zur Schaffung von zusätzlichen Studienplätzen für die deut-
lich höhere Zahl an Studienbewerberinnen bzw. Studienbewerber, die
die Kultusministerkonferenz (KMK) im Juli 2012 und nun erneut im Mai
2014 prognostiziert hat (Pressemitteilung der Hochschulrektorenkonfe-
renz vom 14. Mai 2014)?
Wieso beharrt die Bundesregierung unter diesen Bedingungen im Haus-
haltsplan 2015 auf der Kürzung der ersten Säule des Hochschulpakts?
Verfügt die Bundesregierung über genauere Zahlen, bzw. sind die Vor-
ausberechnungen der KMK aus Sicht der Bundesregierung fehlerhaft?

b) Wenn nicht, wieso erklärt die Bundesministerin für Bildung und For-
schung in ihrer Rede zum Einzelplan 30 am 10. April 2014 im Deutschen
Bundestag „Bund und Länder haben es gemeinsam geschafft, dass über
den Hochschulpakt die entsprechenden Kapazitäten aufgebaut wurden
und jetzt vorhanden sind, sodass diejenigen, die studieren wollen, auch
wirklich studieren können.“, wenn gleichzeitig die im Rahmen des
Hochschulpakts 2020 geplanten Kapazitäten nicht ausreichen (www.
zeit.de), um die zu erwartenden bzw. bereits vorhandenen Studienbewer-
berinnen bzw. Studienbewerber aufzunehmen?

c) Ist es richtig, dass die Globale Minderausgabe, von ca. 250 Mio. Euro im
Haushaltsjahr 2013, für das Haushaltsjahr 2014 um 160 Mio. angehoben
wurde, um die Ausfinanzierung des Hochschulpakts 2020 im Haushalt
zu ermöglichen?
Wenn ja, wie plant das BMBF diese zusätzlichen Minderausgaben auf
die Haushaltstitel zu verteilen?
Warum steigt die globale Minderausgabe im Entwurf für den Haushalts-
plan 2015 gegenüber 2014 weiter an (bitte mit Begründung)?

Drucksache 18/2338 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
15. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung vor dem Hinter-
grund der Rede am 10. April 2014, dass es im Laufe des Ausbaus der
Kapazitäten nicht zu „Demos auf der Straße von Eltern, Großeltern und
Jugendlichen“ gekommen sei, dass an großen Protestveranstaltungen, bei-
spielsweise an dem so genannten Bildungsstreik von 2009, keine Studieren-
den sowie ihre Eltern und Großeltern beteiligt waren?

16. Wie soll die Honorierung von Hochschulen gemessen und ausgestaltet wer-
den, die „gute Lehre und Angebote, die mehr Studierende qualitätsgesichert
zu einem erfolgreichen Abschluss führen, […]“ (vgl. Koalitionsvertrag
zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode des Deutschen
Bundestages)?

17. Hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren überprüft, ob die Bun-
desländer die Zahlungen des Bundes im Rahmen des Hochschulpaktes zur
Schaffung zusätzlicher Studienplätze verwendet haben bzw. ob die in Arti-
kel 1 Absatz 3 Satz 2 der Verwaltungsvereinbarung über den Hochschulpakt
2020 (zweite Programmphase) genannten Empfehlungen des Wissen-
schaftsrates zur Verbesserung der Qualität der Lehre implementiert wur-
den?
Wenn ja, wann, wie wurde diese Prüfung durchgeführt, und was waren die
Ergebnisse dieser Prüfung?

18. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
in diesem Kontext aus der Entwicklung, dass seit dem Jahr 2006 die laufen-
den Ausgaben (Grundmittel) der Hochschulen in Trägerschaft der Länder
sich zunehmend auf die Forschung und Entwicklung konzentrieren und
gleichzeitig die absoluten durchschnittlichen laufenden Ausgaben (Grund-
mittel) pro Studierenden seit dem Jahr 2008 kontinuierlich sinken – ohne
Berücksichtigung der Inflation (vgl. Statistisches Bundesamt)?

19. Wieso sind die Ausgaben für das BAföG im Haushaltsentwurf für das Jahr
2014, insbesondere für die Studierenden, im Vergleich zu dem Ansatz im
Haushaltsjahr 2013 reduziert worden, obwohl die Zahl der Studierenden im
Wintersemester 2013/2014 weiter angestiegen ist?

20. Was meint die Bundesbildungsministerin mit ihrer Aussage am 10. April
2014 im Deutschen Bundestag, Bildungsgerechtigkeit sei notwendig, „[…]
damit die Menschen das Gefühl haben, dass es im Bildungssystem gerecht
zugeht“?

21. Was meint die Bundesministerin für Bildung und Forschung, wenn sie an
gleicher Stelle erklärt: „Dieses Gefühl [, dass es im Bildungssystem gerecht
zugeht,] haben sie [die Menschen] aber an vielen Stellen nicht“?

22. Sieht die Bundesregierung neben einer möglicherweise gefühlten Unge-
rechtigkeit im Bildungssystem auch tatsächliche Ungerechtigkeiten?
Wenn ja, welche, und wie hat sie vor, diese zu beseitigen?

23. An welchen Stellen im Bildungssystem haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung die Menschen das Gefühl, dass es nicht gerecht zugeht, und wie
spiegelt sich dieses mögliche Ungerechtigkeitsgefühl in dem von der Bun-
desregierung vorgelegten Referentenentwurf zur Novellierung des BAföG
wider?

24. Sieht die Bundesregierung über diesen Referentenentwurf hinaus weiteren
Handlungsbedarf bei der Weitentwicklung des BAföG?
Wenn ja, soll dies noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden (bitte
mit Begründung)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2338
25. Gibt es Pläne vonseiten der Bundesregierung, die Anhebung des BAföG zu
verstetigen, z. B. regelmäßig im Zuge der BAföG-Berichterstattung (bitte
mit Begründung)?

26. Wie stark hätten der BAföG-Höchstsatz und die Freibeträge ansteigen müs-
sen, wenn sie seit der letzten BAföG-Novelle 2010 gemäß dem vom Statis-
tischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex angepasst worden
wären?

27. Aus welchem Grund senkt die Bundesregierung in ihrem Entwurf für den
Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr
die Ausgaben für die Forschung in den Haushaltstiteln „Klimaforschung,
Biodiversität und Globalisierte Lebensräume“ sowie in „Umwelttechnolo-
gien und Ressourcen“, obwohl die Bundesministerin für Bildung und For-
schung in der Pressemitteilung 30/2014 zum dritten Teilbericht des Welt-
klimarates darauf hinweist, dass diese Forschung „mit Hochdruck fortge-
führt werden“ muss?

28. Wieso wurden aus den Haushaltstiteln „Klimaforschung, Biodiversität und
Globalisierte Lebensräume“ sowie „Umwelttechnologien und Ressourcen“
im Einzelplan 30 des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 ein-
zelne Teilbereiche herausgelöst und in die zwei neuen Haushaltstitel „Ge-
sellschaftswissenschaften für Nachhaltigkeit“ sowie „Küsten-, Meeres- und
Polarforschung, Geoforschung“ aufgeteilt?
Sind mit dieser neuen Organisation zusätzliche Kosten, z. B. für Projektträ-
gerleistungen und Programmmanagement, verbunden?

Berlin, den 6. August 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.