BT-Drucksache 18/2275

Planungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Förderung von haushaltsnahen Dienstleistungen

Vom 30. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2275
18. Wahlperiode 30.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jörn Wunderlich, Diana Golze, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie
Hein, Sigrid Hupach, Ralph Lenkert, Cornelia Möhring, Harald Petzold (Havelland),
Azize Tank, Harald Weinberg, Katrin Werner, Sabine Zimmermann (Zwickau)
und der Fraktion DIE LINKE.

Planungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
zur Förderung von haushaltsnahen Dienstleistungen

In Europa dominieren zwei unterschiedliche Modelle zur Förderung von haus-
haltsnahen Dienstleistungen: durch nachwirkende steuerliche Absetzbarkeit (so
z. B. neben Deutschland in Großbritannien) oder mittels Gutscheinsystem (z. B.
Belgien, Frankreich oder Österreich). Eine staatliche Förderung soll haushalts-
nahe Dienstleistungen für Familien attraktiv und besser nutzbar machen sowie
den Bereich der Schwarzarbeit in Privathaushalten eindämmen. Während ein
Gutscheinsystem in der Regel allen Familien zugutekommt, profitieren von der
steuerlichen Absetzbarkeit vor allem Familien mit hohem Einkommen – so auch
in Deutschland. Ebenso existieren in Deutschland sozialversicherungsrechtliche
Sonderregelungen für Beschäftigte in Privathaushalten, so dass bereits jetzt von
einer doppelten Subventionierung gesprochen werden kann.
Im Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD darauf verständigt, den
haushaltsnahen Dienstleistungsbereich zu fördern: „Wir werden eine Dienst-
leistungsplattform aufbauen, auf der legale gewerbliche Anbieter haushaltsna-
her familienunterstützender Dienstleistungen für Familien und ältere Menschen
leicht zu finden und in Anspruch zu nehmen sind.“ Konkrete Planungen zur Um-
setzung des Koalitionsvertrages sind derzeit nicht bekannt. Allerdings kündigte
die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Ma-
nuela Schwesig, in ihrer Vorhabenplanung für das vierte Quartal 2014 die „Er-
stellung eines Curriculums zur Qualifizierung in haushaltsnahen Dienstleistun-
gen“ an. Der Erstellung einer Dienstleistungsplattform wurde somit seitens der
Bundesfamilienministerin eine Qualifizierungsphase vorgeschoben.
Die Bundesregierung kann bezüglich der haushaltsnahen Dienstleistungen auf
umfangreiche Vorarbeiten zurückgreifen. So wurden seit dem Jahr 2005 18 Pu-
blikationen und Studien zum Thema haushaltsnahe Dienstleistungen durch
das BMFSFJ veröffentlicht (www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/
publikationsliste.html?). Noch in der letzten Wahlperiode wurde an der Justus-
Liebig-Universität in Gießen unter der Leitung von Professorin Dr. Uta Meier-
Gräwe mit der Unterstützung des BMFSFJ ein Kompetenzzentrum mit dem Ti-
tel „Professionalisierung und Qualitätssicherung haushaltsnaher Dienstleistun-
gen“ (PQHD) eingerichtet. Die Finanzierung erfolgt durch das BMFSFJ in Höhe
von 200 000 Euro.
Potenzielle Arbeitskräfte für den Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen
sind nach Ansicht von Thomas Fischer (Leiter des Referates Chancengleichheit

Drucksache 18/2275 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
im BMFSFJ – hier am 17. September 2013 auf der Tagung „Cooking, Caring,
Cleaning – Zukunftsperspektiven haushaltsnahe Dienstleistungen in Deutsch-
land“ des Kompetenzzentrums PQHD in Gießen) in der sogenannten Stillen Re-
serve zu finden. Diese bestehe zu großen Teilen aus nichterwerbstätigen Frauen
(35 Prozent ohne abgeschlossene Berufsausbildung) und geringqualifizierten
Personen.
Durch ihr Engagement im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen möchte
die Bundesregierung für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf so-
wie Familie und Pflege sorgen und den beruflichen Wiedereinstieg für vor allem
Frauen erleichtern. Gleichzeitige droht die Entstehung eines neuen Niedriglohn-
sektors mit Minijobs und kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen.
Laut Medienberichten wird die Umsetzung der Dienstleistungsplattform von der
Bundesfamilienministerin gerade in Frage gestellt, der Koalitionspartner
CDU/CSU besteht aber auf die Umsetzung der Plattform (DER TAGESPIEGEL
vom 27. Juli 2014 www.tagesspiegel.de/wirtschaft/plaene-fuer-portal-gestoppt-
familienministerium-will-doch-keine-putzkraefte-vermitteln/10256770.html).
Vor diesem Hintergrund werfen sich zahlreiche Fragen bezüglich des vorgese-
henen Ausbaus der haushaltsnahen Dienstleistungen auf.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was versteht die Bundesregierung unter dem Begriff der haushaltsnahen

Dienstleistungen?
2. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Bedarf nach haushaltsnahen

Dienstleistungen ein (bitte aufschlüsseln nach Haushaltsgrößen und Haus-
haltseinkommen)?

3. Wann wird die Dienstleistungsplattform ihren Betrieb aufnehmen?
4. Wie soll die von der Bundesregierung angekündigte Dienstleistungsplatt-

form aufgebaut sein?
5. Welche Dienstleistungen sollen auf der Plattform konkret gebündelt wer-

den?
6. Was wird die Dienstleistungsplattform ihren Nutzerinnen und Nutzer kon-

kret bieten?
7. Wer kann Dienstleistungsangebote in die Plattform einstellen?
8. Wird die Dienstleistungsplattform Funktionen der Arbeitsvermittlung über-

nehmen?
9. In wie weit unterscheidet sich die Dienstleistungsplattform von bestehenden

regionalen bzw. überregionalen Angeboten, wie z. B. Kleinanzeigen in lo-
kalen Zeitungen oder bestehenden Internetforen?

10. Tritt die Dienstleistungsplattform in Konkurrenz zu gewerblichen Anbie-
tern, wie z. B. „Helpling“ der Risikokapitalgesellschaft Rocket Internet AG?

11. Werden durch die Dienstleistungsplattform nach Ansicht der Bundesregie-
rung Arbeitsplätze geschaffen, und wenn ja, wie viele, in welchen Beschäf-
tigungsverhältnissen, und in welchem Entlohnungssektor?

12. Welche Einkommensgruppe wird nach Ansicht der Bundesregierung in wel-
chem Umfang auf welche Dienstleistungen zurückgreifen?

13. Wie soll nach Meinung der Bundesregierung die Förderung von haushalts-
nahen Dienstleistungen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
befördern?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2275
14. Wer soll mit dem Aufbau der Dienstleistungsplattform betraut werden, und
mit welchen Kosten (Aufbau und laufender Betrieb) rechnet die Bundes-
regierung?

15. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass gewerbliche Anbieter, die
sich auf der Dienstleistungsplattform anmelden, die entsprechenden arbeits-
schutzrechtlichen Maßnahmen einhalten?

16. Welche Aufgaben hat das an der Justus-Liebig-Universität gegründete
Kompetenzzentrum PQHD?

17. Welche Zielsetzung für seine Arbeit hat das Kompetenzzentrum PQHD for-
muliert?

18. Aus welchem Haushaltstitel des BMFSFJ wurde im Jahr 2013 das Kompe-
tenzzentrum PQHD mit 200 000 Euro finanziert?
Warum wurden die Mittel aus dem Haushaltstitel dafür aufgewendet?
Wie soll das Kompetenzzentrum langfristig finanziert werden, und wie viele
Mittel werden für das Kompetenzzentrum im Haushalt 2014 und 2015 be-
reitgestellt?

19. Welche Ergebnisse hatte die Tagung des Kompetenzzentrums PQHD am
17. September 2013 unter dem Namen „Cooking, Caring, Cleaning“, und
wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse?

20. Welche Studien, Publikationen und Forschungsvorhaben wurden bisher
durch die Bundesregierung zum Thema „haushaltsnahe Dienstleistungen“
seit dem Jahr 2005 in Auftrag gegeben, wer hat diese durchgeführt, mit wel-
chen Kosten waren diese verbunden, und aus welchem Haushaltstitel wur-
den diese Studien bezahlt (bitte einzeln nach Jahren und Studien aufschlüs-
seln)?

21. Welche Ergebnisse haben die Studien geliefert, und wie beurteilt die Bun-
desregierung diese (bitte jede Studie einzeln aufführen und beurteilen)?

22. Welche Modelle zur Förderung von haushaltsnahen Dienstleistungen sind
der Bundesregierung im europäischen Vergleich bekannt?
An welchen der bekannten Modelle orientiert sich die Bundesregierung bei
der Entwicklung der Dienstleistungsplattform?

23. Welche Meinung hat die Bundesregierung zur Förderung von haushalts-
nahen Dienstleistungen mittels Steuerentlastungen?
Wie hoch sind die Mindereinnahmen in Deutschland aufgrund der steuer-
lichen Absetzbarkeit von haushaltsnahen Dienstleistungen?
Wer profitiert nach Meinung der Bundesregierung von diesem Modell?

24. Welche Meinung hat die Bundesregierung zum „Belgischen Modell“, bei
dem staatliche oder von Unternehmen subventionierte Gutscheine für die
Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen eingelöst werden
können?
Mit welchen Mehrausgaben rechnet die Bundesregierung bei der Umset-
zung dieses Modells?
Wer profitiert nach Meinung der Bundesregierung von diesem Modell?

25. Welches Qualifikationsniveau bzw. welche formalen Berufsqualifikationen
weisen nach Kenntnis der Bundesregierung Menschen, die haushaltsnahe
Dienstleistungen verrichten, auf?

Drucksache 18/2275 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
26. Wie sollte eine entsprechende Ausbildung ausgestaltet sein, und welche In-
halte sollte sie aufweisen?
Unterstützt die Bundesregierung eine modularisierte Ausbildungsform für
haushaltsnahe Dienstleistungen, wie sie auf der Tagung des Kompetenzzen-
trums am 17. September 2013 vorgestellt wurde, die als Ziel einen Ab-
schluss unterhalb des Ausbildungsberufes des Hauswirtschafters/der Haus-
wirtschafterin hat?

27. Auf der Grundlage welchen Referenzberufes werden im Ausland erworbene
Qualifikationen im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen anerkannt
(bitte begründen)?

28. Wie kann nach Einschätzung der Bundesregierung abgesichert werden, dass
die vermittelten Kräfte in Haushalten von Menschen mit Pflegebedarf tat-
sächlich Dienstleistungen im Haushalt erbringen und keine Tätigkeiten der
Grundpflege übernehmen?

29. Wie viele haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse gab es jährlich in
Deutschland ab dem Jahr 2005 (bitte nach geringfügigen und sozialver-
sicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen differenzieren)?

30. Wie hoch ist aktuell der durchschnittliche monatliche Bruttoverdienst von
haushaltsnah Beschäftigten (bitte nach geringfügigen und sozialversiche-
rungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen sowie nach Geschlecht und
Alter differenzieren)?

31. In welchem finanziellen Umfang werden derzeit haushaltsnahe Dienstleis-
tungen erbracht, die im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit stattfinden?

32. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Umfang von
Schwarzarbeit im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen?

33. Wie viele Fälle von Schwarzarbeit im Bereich der haushaltsnahen Dienst-
leistungen werden jährlich aufgedeckt?

34. Gibt es ein spezifisches Konzept der Bundesregierung für die Kontrolle der
Einhaltung des zukünftigen Mindestlohns im Bereich der haushaltsnahen
Dienstleistungen?

35. Wie soll bei der Förderung der haushaltsnahen Dienstleistungen durch eine
Dienstleistungsplattform Schwarzarbeit verhindert werden?

36. In welchem Umfang entgehen dem Bundeshaushalt jährlich Steuereinnah-
men durch die steuerliche Absetzbarkeit von haushaltsnahen Dienstleistun-
gen und Beschäftigungsverhältnissen?

37. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass im Falle von geringfügigen
haushaltsnahen Beschäftigungsverhältnissen in einem Privathaushalt eine
„doppelte Subventionierung“ vorliegt (Subventionierung durch vermin-
derte Sozialabgaben für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in Privat-
haushalten sowie die steuerliche Absetzbarkeit von solchen Beschäfti-
gungsverhältnissen)?
Wie rechtfertigt die Bundesregierung dies?

Berlin, den 30. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.