BT-Drucksache 18/2250

Überschuldung privater Haushalte und Kreditvergabe in Deutschland

Vom 30. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2250
18. Wahlperiode 30.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Dr. Axel Troost, Jan Korte,
Jutta Krellmann, Petra Pau, Frank Tempel, Dr. Sahra Wagenknecht und der
Fraktion DIE LINKE.

Überschuldung privater Haushalte und Kreditvergabe in Deutschland

Angesichts der mehr als 6 Millionen überschuldeten Haushalte, von denen
schätzungsweise in Deutschland auszugehen ist, wird dem Kredit als der zen-
tralen Finanzdienstleistung in der öffentlichen Auseinandersetzung vergleichs-
weise wenig Aufmerksamkeit zuteil. Vieles dreht sich in erster Linie um Finanz-
dienstleistungen verschiedenster Art, gleichwohl bei sämtlichen Finanzdienst-
leistungen ein besserer Anlegerschutz unbestritten nötig ist. Dass Überschul-
dung weniger das Resultat von Verschwendung oder einer vorwerfbaren
Lebensführung ist, sondern überwiegend häufig als Folge kritischer Lebens-
ereignisse ausgelöst wird, zeigt u. a. die jüngste Veröffentlichung des Statis-
tischen Bundesamtes (vgl. Destatis, 30. Juni 2014, „Überschuldung: mehr als
ein gesellschaftliches Randphänomen“). Neben der Erfassung des aktuellen
quantitativen Ausmaßes und einzelner Facetten der Überschuldung in Deutsch-
land ist es notwendig, umfassender vorzugehen und auch das regulative Umfeld
und die Praxis der Kreditvergabe näher in den Blick zu nehmen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie wird die Überschuldung von privaten Haushalten in Deutschland er-

fasst?
2. Auf der Grundlage welcher Methodik beruht die Überschuldungsstatistik des

Statistischen Bundesamtes, und nach welcher Methodik gehen nach Kenntnis
der Bundesregierung die Auskunfteien Creditreform und Schutzvereinigung
für Allgemeine Kreditsicherung (SCHUFA) bei der Ermittlung von privater
Verschuldung und Überschuldung vor?

3. Inwiefern und auf der Grundlage welcher Kriterien werden nach Kenntnis der
Bundesregierung von den Auskunfteien Abstufungen hinsichtlich Verschul-
dung und Überschuldung vorgenommen?

4. Auf welche Zahlen zum quantitativen Ausmaß der Überschuldung privater
Haushalte und Personen stützt sich gemeinhin die Bundesregierung?

5. Auf welche Zahlen bezüglich der Überschuldungsproblematik wird die Bun-
desregierung bei der Erstellung des nächsten Armuts- und Reichtumsberichts
zurückgreifen?

6. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl überschuldeter
Haushalte in den letzten zehn Jahren entwickelt?

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7. Welche Höhe erreichten nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2013
die durchschnittlichen Forderungen (Schulden) von Privatpersonen und
-haushalten, und wie haben sich diese seit dem Jahr 2008 entwickelt (bitte
für die Jahre einzeln angeben)?

8. Bei wie vielen Gläubigern hatte nach Kenntnis der Bundesregierung der
durchschnittlich verschuldete Haushalt offen stehende Schulden?

9. Wie verteilen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Gesamtforderun-
gen auf die verschiedenen Gläubigertypen, jeweils in den Jahren 2008 bis
2013 (bitte mit dem wichtigsten Gläubigertyp beginnen und für die einzel-
nen Jahre jeweils den betragsmäßigen Umfang, prozentualen Anteil an den
Gesamtforderungen sowie den Mittelwert der Verschuldungen angeben)?

10. Welches waren nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2013 die Haupt-
überschuldungsgründe, bzw. welche Faktoren wurden als Hauptgründe für
die Überschuldungssituation genannt, und wie haben sich die Hauptüber-
schuldungsgründe über den Zeitraum der letzten fünf Jahre – seit dem Jahr
2008 – entwickelt?

11. Welche weiteren neuen Tendenzen und Entwicklungen wurden nach Kennt-
nis der Bundesregierung im Jahr 2013 sichtbar?

12. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
im Hinblick auf steigende Energieschulden bei überschuldeten Personen
(vgl. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 17. Juni 2014)?

13. Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2013 von Über-
schuldung besonders betroffene und gefährdete Personen und Haushalte?
Wie lassen diese Personen oder Haushalte sich kategorisieren?

14. Welcher Zusammenhang besteht nach Kenntnis der Bundesregierung zwi-
schen überschuldeten Personen bzw. Haushalten und der Art der Erwerbs-
tätigkeit/Erwerbslosigkeit (Vollzeit, Leiharbeit, Grundsicherung etc., bitte
aufschlüsseln)?

15. Wie viele Verbraucherinsolvenzverfahren wurden im Jahr 2013 eröffnet?
16. Haben nach Kenntnisstand der Bundesregierung die gesetzlichen Neurege-

lungen hinsichtlich Verbraucherinsolvenzen aus dem Jahr 2014 – insbeson-
dere die Verkürzung der Dauer bis zur Restschuldbefreiung, die zum 1. Juli
2014 in Kraft getreten ist – bei der Beantragung von Verbraucherinsolvenz-
verfahren eine aufschiebende Wirkung entfaltet und quantitativ zu einer
Steigerung bei den Anträgen ab Mitte des Jahres 2014 geführt?
Sofern dies zutrifft, kann die Bundesregierung das Ausmaß der Steigerung
bei den Anträgen zur zweiten Jahreshälfte beziffern?

17. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Aufnahme von Kon-
sumentenratenkrediten in den Jahren 2008 bis 2013 jährlich entwickelt
(bitte für die Jahre einzeln die absolute Anzahl der geschlossenen Verträge
und prozentualen Zuwachs bzw. Minderung angeben)?

18. Wie viele Verträge der in den Jahren 2008 bis 2013 neu aufgenommenen
Konsumentenratenkredite waren nach Kenntnis der Bundesregierung an
den Abschluss einer Restschuldversicherung gekoppelt (bitte für die Jahre
einzeln angeben)?

19. Welche gesetzlichen Vorgaben bestehen zum Abschluss einer Restschuld-
versicherung in Zusammenhang mit Konsumentenratenkrediten?

20. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der von der Schutzgemeinschaft für Allgemeine Kreditsicherung
(SCHUFA) für die Anzahl aller bei der SCHUFA gespeicherten Konsumen-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2250
tenratenkredite ermittelten durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeit
von 2,5 Prozent für das Jahr 2013 (vgl. SCHUFA, Kredit-Kompass 2014,
S. 17)?

21. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2013 die Ge-
samtsumme der Kreditausfälle in Euro, und warum wird diese nicht ver-
öffentlicht?

22. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die von der SCHUFA er-
mittelte durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit für die dort gespei-
cherten Konsumentenkredite seit dem Jahr 2008 entwickelt?

23. Nach welchen Kriterien ermittelt die Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
tungsaufsicht (BaFin) Zahlen zu Restschuldversicherungen, und wie erklärt
die Bundesregierung etwaige Abweichungen und Unterschiede zu den
Zahlen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.
(GDV)?

24. Wie verteilten sich nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2013 bei
Konsumentenratenkrediten die durchschnittlichen Nebenkosten (bitte nach
Posten einzeln aufschlüsseln, wie Kosten einer Restschuldversicherung,
Bearbeitungsgebühr – auch wenn inzwischen nicht mehr zulässig, Ver-
mittlungsprovision etc.), und wie hoch war ihr Anteil im Verhältnis zum
durchschnittlichen Nettokreditbetrag?

25. Wo lag nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2013 bei den Nebenkos-
ten von Konsumentenratenkrediten der Median, und wie hoch war bei dem
Medianwert der Anteil im Verhältnis zum Nettokreditbetrag?

26. Wie hoch lagen nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2013 nach
Gläubigertypen, wie u. a. Banken, Versandhandel, Inkasso-Unternehmen,
Telekommunikationsunternehmen, die Nebenkosten für die durchschnitt-
liche Hauptforderung (Zinsen und Kosten, bitte in absoluten Zahlen als auch
als Anteil der Nebenkosten an den Hauptforderungen abbilden), und wie
hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2013 nach Gläubiger-
typen die durchschnittliche Nebenkostenbelastung der Haushalte, berechnet
als Durchschnitt der Haushalte?

27. Inwieweit werden nach Kenntnis der Bundesregierung Haushalte, die sich
vergleichsweise geringen Forderungen gegenübersehen, im Verhältnis zur
Hauptforderung relativ hoch mit Nebenkosten belastet, und sieht die Bun-
desregierung Handlungsbedarf angesichts dessen, dass nach Informationen
der Fragesteller Nebenkosten oft pauschal, ohne Rücksicht auf die Mahn-
summe abgerechnet werden?

28. Wie viele Rückforderungen von unzulässig erhobenen Bearbeitungsgebüh-
ren sind nach Kenntnis der Bundesregierung von Kundinnen und Kunden
mit Verweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (Aktenzeichen XI ZR
170/13 und XI ZR 405/12) bislang bei hierzulande niedergelassenen Kredit-
instituten eingegangen?

29. Auf welche Summe belaufen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die
Rückforderungen bei den Kreditinstituten, und wie viele Kreditinstitute
haben den Kunden die Kosten für die Bearbeitungsgebühren bislang bereits
erstattet?

30. Nach welchen Vorgaben und Kriterien erfolgt nach Kenntnis der Bundes-
regierung das Scoring-Verfahren der SCHUFA zur Beurteilung der Kredit-
fähigkeit von natürlichen Personen?

31. Wie viele Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr
2010 Gebrauch davon gemacht, Selbstauskunft bei der SCHUFA zu stellen
und ihre Daten abzurufen (bitte jeweils für die Jahre ab 2010 angeben)?

Drucksache 18/2250 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
32. Inwieweit trägt nach Kenntnis der Bundesregierung der so genannte Graue
Kreditmarkt zur Überschuldung bei?

33. Welche Anstrengungen unternahm die Bundesregierung seit dem Jahr 2000,
den Grauen Kreditmarkt zu regulieren (bitte einzeln aufführen)?

34. Wann und auf der Grundlage welcher Anhaltspunkte und Kriterien gelten
aus Sicht der Bundesregierung Kreditangebote als „unseriös“, und wie ge-
denkt die Bundesregierung, unseriöse Kreditanbieter im Internet handlungs-
unfähig zu machen?

35. Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Kontext P2P-Kreditplatt-
formen, wie smava oder auxmoney, im Internet?

36. Inwieweit setzt sich die Bundesregierung dafür ein, Zinsobergrenzen für
Verbraucherkredite festzulegen?

37. Inwieweit setzt sich die Bundesregierung dafür ein, sämtliche Kreditkosten
transparent und verständlich zu machen?

38. Inwieweit setzt sich die Bundesregierung für ein Vorleistungsverbot bei der
Kreditvermittlung ein?

39. Inwieweit setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass Vorfälligkeits-
entschädigungen strikt begrenzt werden?
Inwieweit wird in diesem Kontext die Verbraucherkreditrichtlinie und ihre
Umsetzung durch die Bundesregierung überprüft und einer Revision unter-
zogen?

40. Inwieweit wird das Problem der Altersarmut durch unverantwortliche Kre-
ditvergabe und durch Angebote auf dem Grauen Kreditmarkt verschärft?

Berlin, den 30. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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