BT-Drucksache 18/2226

Weiterentwicklung der Leistungsform des Persönlichen Budgets im Lichte eines künftigen Bundesteilhabegesetzes

Vom 24. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2226
18. Wahlperiode 24.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katrin Werner, Diana Golze, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Katja Kipping, Ralph Lenkert,
Cornelia Möhring, Harald Petzold (Havelland), Harald Weinberg, Jörn Wunderlich,
Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Weiterentwicklung der Leistungsform des Persönlichen Budgets im Lichte
eines künftigen Bundesteilhabegesetzes

Mit der Leistungsform Persönliches Budget besteht für alle Menschen mit
Behinderungen, die einen Leistungsanspruch gegenüber einem Sozialleistungs-
träger haben, eine Alternative zur klassischen Sachleistung in Form einer Geld-
leistung oder Gutscheinlösung. Es gilt als „Instrument, das explizit darauf
abzielt, die Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der Menschen mit
Behinderungen zu stärken“ (siehe: „Endbericht Umsetzung und Akzeptanz des
Persönlichen Budgets“, Berlin 2012, S. 1).
Seit dem Rechtsanspruch auf diese Leistungsform vom 1. Januar 2008 stieg
zwar die Zahl der Budgetnehmer stetig an. Dennoch bestehen weiterhin erheb-
liche Umsetzungsdefizite – wie auch der Endbericht verdeutlicht. Die Quote der
Budgetnehmer gegenüber den Anspruchsberechtigten bleibt erschreckend ge-
ring. Trägerübergreifende Budgets stellen nach wie vor Ausnahmen dar. Mehr
als 90 Prozent der Jugendhilfeträger nutzen diese Leistungsform gar nicht.
Lediglich 8 Prozent der Budgetnehmer sind 60 Jahre und älter (vgl. Endbericht).
Das Antrags- und Bewilligungsverfahren verläuft uneinheitlich, bürokratisch
und langwierig.
Ein Problem bleibt die Einkommens- und Vermögensabhängigkeit, also die Be-
dürftigkeitsprüfung. Betroffene berichten noch immer über Informationsdefizite
bei zuständigen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern. Diese Tatsachen aus
der Bewilligungspraxis erhalten eine besondere Bedeutung vor dem Hinter-
grund der Erarbeitung eines Bundesteilhabegesetzes. Für dieses Gesetz fordern
Betroffene und ihre Verbände einkommens- und vermögensunabhängige sowie
bedarfsdeckende Teilhabeleistungen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hat sich die Umsetzung des Persönlichen Budgets seit dem Endbericht

2012 entwickelt, und wie bewertet die Bundesregierung die Umsetzung der
Empfehlungen aus diesem Bericht?

2. Wie viele Anträge wurden seit dem 31. Dezember 2010 bewilligt, und wie
viele wurden abgelehnt (bitte nach Bundesländern und Jahren sowie nach
Erst- bzw. Folgeanträgen aufschlüsseln)?

Drucksache 18/2226 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um regelmäßig aktuelles,
statistisches Material zur Verbreitung und Umsetzung der Leistungsform
Persönliches Budget vorliegen zu haben?

4. Welche hauptsächlichen Ablehnungsgründe gab es, und wie beurteilt die
Bundesregierung die dreimonatige Bearbeitungszeit bei Widerspruchserhe-
bung durch die Antragstellerinnen bzw. Antragsteller?

5. Welche Ursachen sieht die Bundesregierung für die Tatsache, dass der über-
wiegende Anteil der bewilligten Budgets Leistungen eines einzelnen Leis-
tungsträgers betreffen?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass die großen Leistungs-
träger Bundesagentur für Arbeit und Deutsche Gesetzliche Unfallversiche-
rung keine trägerübergreifenden Persönlichen Budgets bewilligen?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass 93 Prozent der befrag-
ten Jugendhilfeträger überhaupt keine Persönlichen Budgets bewilligen,
auch vor dem Hintergrund erforderlicher Elternassistenz?

8. Inwieweit werden die laut Budgetverordnung vorgegebenen Fristen beim
Antragsverfahren in den einzelnen Bundesländern nach Kenntnis der Bun-
desregierung eingehalten?

9. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung eine mögliche Änderung von
§ 88 Absatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Absenkung der Wider-
spruchsfrist?

10. Welche Aktivitäten gab es seitens der Bundesregierung, um zu verhindern,
dass die Verfahrensdauer unverhältnismäßig lang ist?

11. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, ob in der
Bedarfsfeststellung regional und bei den verschiedenen Leistungsträgern
unterschiedlich verfahren wird?

12. Welche Unterschiede in den Bedarfsfeststellungsverfahren sind der Bun-
desregierung bekannt, und wie beurteilt sie die Möglichkeit, dass diese zu
unterschiedlichen Bescheiden (Bewilligungen, Ablehnungen) bei gleichem
Hilfebedarf führen können?

13. Wie will die Bundesregierung eine solche Ungleichbehandlung ausschlie-
ßen?

14. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Forderung ver-
schiedener Verbände nach einem bundeseinheitlichen Bedarfsfeststellungs-
verfahren (www.deutscher-behindertenrat.de, Positionspapier zur Schaffung
eines Bundesleistungsgesetzes, Dezember 2013), auch vor dem Hintergrund
des geplanten Bundesteilhabegesetzes?

15. Welche Änderungen an Verordnungen und Durchführungsbestimmungen
hält die Bundesregierung für erforderlich, um die Wirkung und Nutzung des
Instrumentes des Persönlichen Budgets zu erhöhen (bitte die jeweiligen Ak-
tivitäten konkret nennen)?

16. Welche Änderungen plant die Bundesregierung diesbezüglich in der Bud-
getverordnung hinsichtlich des Katalogs der budgetfähigen Leistungen?

17. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Kritik von Behindertenverbänden an den Gemeinsamen Servicestel-
len?

18. Welche Aktivitäten an begleitender Forschung und Öffentlichkeitsarbeit
plant die Bundesregierung ausgehend von den Schlussfolgerungen des End-
berichtes Umsetzung und Akzeptanz des Persönlichen Budgets 2012 zu er-
greifen beziehungsweise zu unterstützen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2226
19. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung für die Vereinfa-
chung des Budgetverfahrens angesichts des Anteils von mehr als 40 Prozent
Budgetnehmern, die ihr Budget eher schlecht bzw. nicht allein verwalten
können (Endbericht, S. 42), und angesichts eines Anteils von mehr als
50 Prozent, die das Antragsverfahren als anstrengend empfinden (End-
bericht, S. 43)?

20. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um Unsicherheiten bezie-
hungsweise Vorbehalte gegenüber dem Persönlichen Budget bei Menschen
mit Behinderungen abzubauen?

21. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den „typischen
Sorgen von Menschen mit Behinderungen“, die sich „auf mögliche Ver-
schlechterungen bei den Leistungen, die Befürchtung einer fehlenden
Rückkehrmöglichkeit zur Sachleistungsform und einen vermeintlich hohen
Antrags- und Verwaltungsaufwand“ beziehen (Endbericht, S. 56)?

22. Wie bewertet die Bundesregierung das Verhältnis von Persönlichen Bud-
gets über ambulante Leistungserbringer zu denen im Arbeitgebermodell?

23. Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die wohnort-
nahe Angebotsstruktur im ambulanten Bereich, und welche Veränderungen
hält die Bundesregierung über welche Maßnahmen für erforderlich?

24. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Umsetzung
des Persönlichen Budgets für das Bundesteilhabegesetz, insbesondere aus
dem Befund, dass das Persönliche Budget nach Einschätzung der Fragestel-
ler überwiegend für Assistenzleistungen verwendet wird?

25. Wie wird sich der Stellenwert der Leistungsform Persönliches Budget im
Rahmen eines Bundesteilhabegesetzes verändern, insbesondere in Bezug
auf ein mögliches und angekündigtes Teilhabegeld?

Berlin, den 24. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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