BT-Drucksache 18/2113

Rechtsextreme Vorfälle in der Bundeswehr und die Reaktion der Militärführung

Vom 10. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2113
18. Wahlperiode 10.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, Annette
Groth, Andrej Hunko, Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau, Harald Petzold (Havelland),
Kersten Steinke, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtsextreme Vorfälle in der Bundeswehr und die Reaktion der Militärführung

Die Bundeswehr beschäftigt rechtsextremistische Soldatinnen und Soldaten
nach ihrer Erkennung in der Regel bis zum regulären Dienstende weiter. Nur
eine Minderheit der erkannten Rechtsextremisten wird vorzeitig entlassen. Das
hat die Bundesregierung voriges Jahr in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage
der Fraktion DIE LINKE. mitgeteilt (Bundestagsdrucksache 17/14670). Dem-
nach sind im Zeitraum von 2010 bis 2012 76 Soldatinnen bzw. Soldaten als
Rechtsextremisten erkannt worden. Nur 18 davon wurden vorzeitig aus dem
Dienstverhältnis entlassen.
Das Soldatengesetz (SG) kennt nur eingeschränkte Möglichkeiten einer vor-
zeitigen Entlassung wegen einer festgestellten Ungeeignetheit. Der § 55 SG er-
möglicht dies bei Soldatinnen und Soldaten nur innerhalb der ersten vier Jahre
nach Dienstantritt. Bei Berufssoldatinnen und Berufssoldaten gibt es eine solche
Regelung überhaupt nicht (§ 46 SG).
Sollte dies bedeuten, dass Soldatinnen und Soldaten auf Zeit sowie Berufssol-
datinnen und Berufssoldaten auch dann, wenn sie als Rechtsextremisten erkannt
worden sind, bis zum Ende ihrer regulären Dienstzeit weiter beschäftigt werden
müssen – unter Umständen mehrere Jahrzehnte –, wäre dies aus Sicht der Frage-
stellerinnen und Fragesteller nicht hinnehmbar. Es wäre aus ihrer Sicht un-
verantwortlich, Neonazis als militärische Vorgesetze einzusetzen oder ihnen
Zugang zu Waffen zu ermöglichen. In diesem Fall läge offenbar gesetzgeberi-
scher Handlungsbedarf vor.
Aus der vorgenannten Antwort der Bundesregierung geht nicht hervor, in wel-
chen der von ihr angeführten 76 Fälle jeweils welche Maßnahmen einschließlich
verwendungseinschränkender Maßnahmen getroffen wurden. Es muss aus Sicht
der Fragestellerinnen und Fragesteller sichergestellt sein, dass die Bundeswehr
alle ihr zur Verfügung stehenden Maßnahmen ausschöpft, um gegen Neonazis in
ihren Reihen vorzugehen, und diese Möglichkeiten ggf. durch gesetzgeberische
Maßnahmen erweitert werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele rechtsextremistische Verdachtsfälle hat der Militärische Abschirm-

dienst (MAD) im Jahr 2013 (neu) bearbeitet?
2. Wie viele dieser Verdachtsfälle haben sich bestätigt?

Drucksache 18/2113 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Um welche Arten rechtsextremer Betätigung handelte es sich hierbei
jeweils (bitte vollständig auflisten, jeweils erbetene Angaben: Dienstgrad,
Beschäftigung als Freiwillig Wehrdienst Leistender, Soldat auf Zeit, Be-
rufssoldat, ziviler Mitarbeiter; bei Soldaten auf Zeit bitte auch die Dienst-
zeit angeben, die bis zur Erkennung als Rechtsextremist bereits geleistet
wurde)?

4. Wie viele der erkannten Rechtsextremisten (bitte jeweils den Angaben nach
Frage 3 zuordnen) wurden vorzeitig entlassen?

5. Welche weiteren Maßnahmen hat die Bundeswehr gegen die erkannten
Rechtsextremisten durchgeführt (bitte auch disziplinarrechtliche Maßnah-
men und Verwendungseinschränkungen angeben und jeweils den Angaben
nach Frage 3 zuordnen)?

6. Wie viele der erkannten Rechtsextremisten (bitte jeweils den Angaben nach
Frage 3 zuordnen) leisten gegenwärtig noch Dienst und in welcher Funktion
(Dienstgrad, Truppengattung)?

7. Wie viele besondere Vorkommnisse mit Verdacht auf rechtsextreme Betä-
tigung wurden dem Wehrbeauftragten im Jahr 2013 gemeldet, was genau
war Inhalt dieser Meldungen (bitte analog zur Antwort auf Frage 15 auf
Bundestagsdrucksache 17/14670 aufschlüsseln und bei Zeitsoldaten ange-
ben, wie viele Jahre sie bereits im Dienst waren), und welche Maßnahmen
hat die Bundeswehr jeweils gegen die betreffenden Soldatinnen und Solda-
ten ergriffen?

8. Wie gestaltet sich die Zuordnung zur Art der extremistischen Betätigung,
zum Dienstgrad, zur Beschäftigung als Freiwillig Wehrdienst Leistender,
zum Soldat auf Zeit (unter Angabe der bis zur Erkennung als Rechtsextre-
mist geleisteten Dienstzeit), Berufssoldat (jeweils mit Dienstgrad), zivile
Mitarbeiter zu den zwischen den Jahren 2010 und 2012 erkannten 76
Rechtsextremisten?
Welche Maßnahmen hat die Bundeswehr jeweils gegen diese 76 Personen
durchgeführt (einschließlich disziplinarrechtlicher Maßnahmen und Ver-
wendungseinschränkungen)?

9. Welche Maßnahmen hat die Bundeswehr gegen jene 67 Bundeswehrsol-
daten, die im Bericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
(vgl. Anlage zur Antwort der Bundesregierung zu Frage 15 auf Bundestags-
drucksache 17/14670) 2012 als Verdachtsfälle rechtsextremistischer „be-
sonderer Vorkommnisse“ gemeldet worden sind, ergriffen (bitte jeweils die
laufende Nummer angeben und bei Zeitsoldaten angeben, wie viele Jahre
sie bereits im Dienst waren)?

10. Gehört zu den disziplinarrechtlichen Möglichkeiten bzw. zu den möglichen
Verwendungseinschränkungen auch das Verbot, als Ausbilder eingesetzt zu
werden, und wenn ja, inwiefern wurden jene Soldatinnen und Soldaten, die
in der Vergangenheit als Rechtsextremisten erkannt bzw. denen besondere
Vorkommnisse wegen rechtsextremer Betätigung zugeordnet wurden, den-
noch weiterhin als Ausbilder beschäftigt?

11. Inwiefern sieht die Bundesregierung Bedarf für eine Erweiterung der dis-
ziplinarrechtlichen Möglichkeiten sowie der Verwendungseinschränkungen
für rechtsextreme Soldaten?

12. Welche Möglichkeiten gibt es für die Bundeswehr, Soldatinnen und Sol-
daten auf Zeit, deren Dienstzeit schon länger als vier Jahre beträgt, sowie
Berufssoldatinnen und Berufssoldaten wegen rechtsextremistischer Betä-
tigung vorzeitig zu entlassen (bitte möglichst ausführlich unter Nennung der
jeweiligen Rechtsgrundlage aufführen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2113
13. Wie beurteilt die Bundesregierung diese Möglichkeiten zur vorzeitigen Ent-
lassung rechtsextremistischer Soldatinnen und Soldaten, und inwiefern
sieht sie gesetzgeberischen Handlungsbedarf, um die Möglichkeiten zur
vorzeitigen Entlassung von Soldatinnen und Soldaten zu erweitern?
Welche Maßnahmen will sie hierzu ggf. ergreifen und bis wann?

14. Hat die Bundeswehr inzwischen das in der Antwort zu Frage 12 auf Bun-
destagsdrucksache 17/14670 angekündigte Konzept zur Erfassung und Be-
wertung der Inneren und Sozialen Lage in der Bundeswehr erstellt, und
wenn ja, was sind seine Grundzüge, und inwiefern ist es der Bundeswehr
jetzt möglich, nachzuvollziehen, wie viele der dem Wehrbeauftragten ge-
meldeten Vorkommnisse sich bestätigen?
Wenn nein, warum nicht, und bis wann rechnet die Bundesregierung mit der
Fertigstellung?

15. Welche weiteren Maßnahmen will die Bundesregierung in Zusammenhang
mit der Bekämpfung von Rechtsextremisten in der Bundeswehr ergreifen?

16. Wie erklärt es die Bundesregierung, dass die Quote der vorzeitig entlasse-
nen Soldatinnen und Soldaten, die vom MAD als islamistische Extremisten
erkannt worden sind, mit sechs von neun wesentlich höher ist als die Quote
der vorzeitig entlassenen Rechtsextremisten (18 von 75)?

17. Wie viele Soldatinnen und Soldaten wurden im Jahr 2013 wegen islamisti-
scher Betätigung erkannt bzw. dem Wehrbeauftragten gemeldet, und welche
Maßnahmen hat die Bundeswehr jeweils gegen diese ergriffen (bitte voll-
ständig aufführen)?

18. Wie viele Soldatinnen und Soldaten wurden im Jahr 2013 als Extremisten in
anderen politischen Phänomenbereichen erkannt bzw. dem Wehrbeauftrag-
ten gemeldet, und welche Maßnahmen hat die Bundeswehr jeweils gegen
diese ergriffen (bitte Art der Betätigung angeben und vollständig auf-
führen)?

Berlin, den 9. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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