BT-Drucksache 18/2053

Ehrung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Hans Graf von Sponeck durch die Bundeswehr

Vom 3. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2053
18. Wahlperiode 03.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Annette Groth, Inge Höger,
Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau, Harald Petzold (Havelland),
Kersten Steinke, Frank Tempel, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Ehrung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Hans Graf von Sponeck
durch die Bundeswehr

Seit Dezember vorigen Jahres weiß die Bundesregierung aus einem Artikel der
Militärgeschichtlichen Zeitschrift (Nr. 72/2013), dass der Namensgeber der Ge-
neral-Sponeck-Kaserne in Germersheim, Hans Graf von Sponeck, für Kriegs-
verbrechen der Wehrmacht verantwortlich ist. Die Bundesregierung selbst hat in
ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. im Februar die-
ses Jahres ausgeführt, „dass Generalleutnant Hans Graf von Sponeck im Zuge
des Barbarossa-Feldzuges schuldhaft an Verbrechen des nationalsozialistischen
Regimes beteiligt war“ (Bundestagsdrucksache 18/538). Hierbei geht es vor
allem um die „Absonderung“ von Jüdinnen und Juden, was in der Regel deren
Ermordung zur Folge hatte, und die Umsetzung des Kommissarbefehls.
Dem Luftwaffenamt der Bundeswehr waren bereits im März 2004 dringende
Hinweise auf die verbrecherische Vergangenheit Hans Graf von Sponecks vor-
gelegt worden. Ein Major hatte damals nach Archivforschungen berichtet, dass
eine „Mitwisserschaft/Beteiligung“ Hans Graf von Sponecks an Kriegsverbre-
chen für ihn „außer Frage“ stehe und einen „Anstoß zum Nachdenken über eine
Umbenennung der Kaserne“ gegeben. Der Chef des Luftwaffenamtes ist diesem
Anstoß aber weder gefolgt, noch hat er ihn an das Bundesministerium der Ver-
teidigung weitergereicht.
Aus solchem Verhalten schöpft sich die Kritik der Fraktion DIE LINKE. (vgl.
Bundestagsdrucksache 18/538), die Bundeswehr schrecke auch vor der Vereh-
rung von Kriegsverbrechern nicht zurück. Die Bundesregierung weist diesen
Vorwurf zwar zurück, muss aber zugleich zugeben, dass der Chef des Luftwaf-
fenamtes trotz Kenntnis über die Verbrechen Hans Graf von Sponecks untätig
geblieben war, was auf die weitere Verehrung dieses Kriegsverbrechers als
Namenspatron einer Bundeswehrkaserne hinauslief. Das zeigt aus Sicht der
Fragesteller, dass es nicht ausreicht, auf die – aus Sicht der Bundesregierung
„eindeutigen“ – Regelungen des Traditionserlasses hinzuweisen, um solche
Missstände auszuschließen. Ein probates Mittel wäre es hingegen, wenn die
Bundeswehr endlich komplett darauf verzichten würde, ihre Kasernen nach An-
gehörigen der Wehrmacht zu benennen.
Die Fragesteller behaupten hingegen nicht, es gebe in der Bundeswehr über-
haupt keine wehrmachtskritischen Stimmen. Einige von ihnen sind sicherlich
auch bei der Militärgeschichtlichen Zeitschrift anzutreffen.
Welche der beiden Fraktionen (pro/contra Wehrmacht) sich in der konkreten
Frage um General Hans Graf von Sponeck durchsetzt, ist gegenwärtig offen. Die

Drucksache 18/2053 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Fragesteller halten es für völlig unzureichend, dass die Bundesregierung die
Frage, ob die Kaserne in Germersheim weiterhin nach einem Kriegsverbrecher
der Wehrmacht benannt sein soll, nicht zur Chefsache macht, sondern sich damit
zufrieden gibt, dass die Luftwaffe „einen Meinungsbildungsprozess bei den zu-
ständigen Stellen am Standort Germersheim“ angestoßen habe. Wenn darüber,
ob ein Kriegsverbrecher als Namenspatron taugt, erst noch eine Meinung gebil-
det werden muss, stimmt mit dem Geschichtsverständnis der Bundeswehr offen-
bar etwas nicht.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwiefern sind zur Frage der Umbenennung bereits Beschlüsse getroffen

worden?
2. Was genau hat das Kommando Luftwaffe unternommen, um den „Meinungs-

bildungsprozess“ am Standort Germersheim anzustoßen und aufrechtzuer-
halten?
a) Welche Stellen bzw. Personen wurden angeschrieben?
b) Was war der wesentliche Inhalt dieser Schreiben?
c) Wann sind diese Schreiben versandt worden?
d) Welche weiteren Handreichungen, Hinweise u. Ä. zum „Meinungsbil-

dungsprozess“ wurden diesbezüglich an welchen Kreis verbreitet?
3. Welche weiteren Maßnahmen zur Beförderung des „Meinungsbildungspro-

zesses“ wurden seitens anderer Dienststellen der Bundeswehr bzw. der Bun-
desregierung unternommen (bitte konkrete Beiträge und Maßnahmen voll-
ständig schildern)?

4. Welchen Verlauf hat der „Meinungsbildungsprozess“ bislang am Standort
Germersheim genommen?
a) Ist der Autor der Studie über Hans Graf von Sponeck, Erik Grimmer-

Solem, zu Vorträgen oder Seminaren in die Kaserne Germersheim einge-
laden worden?

b) Wurden die Soldatinnen und Soldaten am Standort aufgefordert, den Arti-
kel aus der Militärgeschichtlichen Zeitschrift zu lesen, und wurden darauf-
hin Diskussionen darüber durchgeführt (bitte ggf. angeben, wie viele Sol-
daten sich an diesen Diskussionen beteiligt haben und wie viele insgesamt
am Standort Dienst tun)?

c) Hat es eine Probeabstimmung unter den Soldatinnen und Soldaten des
Standortes über eine Namensänderung gegeben, und wenn ja, mit wel-
chem Ergebnis?

d) Welche weiteren Maßnahmen im Rahmen des „Meinungsbildungsprozes-
ses“ sind derzeit am Standort geplant (bitte möglichst mit Datum ange-
ben)?

5. Ist der Gedenkstein in der Germersheimer Kaserne, der „Gewissen und Ver-
antwortung“ von Hans Graf von Sponecks würdigt, mittlerweile entfernt oder
durch eine kritische Kommentierung ergänzt worden, und wenn nein, warum
nicht?

6. Geht es aus Sicht der Bundesregierung bei dem „Meinungsbildungsprozess“
nur um das Prozedere einer Umbenennung, oder geht es darum, die grund-
sätzliche Frage, ob überhaupt eine Umbenennung erfolgen soll, zu entschei-
den?

7. Bis wann wird der „Meinungsbildungsprozess“ voraussichtlich abgeschlos-
sen sein?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2053
8. Ist die Bundesregierung gewillt, den Ausgang des „Meinungsbildungspro-
zesses“ auch dann zu akzeptieren, wenn kein Antrag auf eine Umbenennung
gestellt wird?
Falls sie entschlossen ist, auf jeden Fall eine Umbenennung durchzusetzen,
bis wann will sie dies spätestens durchgesetzt haben?

9. In welcher Form ist die Gemeinde Germersheim über die Geschichte Hans
Graf von Sponecks informiert worden?
a) Hat sich die Gemeinde bereits zu diesem Thema geäußert, und wenn ja,

mit welchem Tenor?
b) Welche konkrete Rolle spielt die Haltung der Gemeinde im „Meinungs-

bildungsprozess“ der Kasernenbelegschaft?
10. Wie viele Personen (bitte damaligen Dienstgrad angeben) haben seit 2004

den Bericht des Majors zur Kenntnis erhalten?
Soweit diese Personen heute noch bei der Bundeswehr beschäftigt sind,
a) in welchen Dienstgraden und in welchen Funktionen,
b) inwiefern wurde oder wird geprüft, ob gegen diese Soldatinnen und Sol-

daten disziplinarrechtlich vorgegangen wird, weil sie es zugelassen ha-
ben, dass eine Bundeswehrkaserne nach einem Kriegsverbrecher be-
nannt blieb, obwohl der Traditionserlass nach eigener Aussage der Bun-
desregierung „eindeutig“ ist,

c) was will die Bundesregierung unternehmen, um den Traditionserlass
noch eindeutiger zu machen, sodass ihn auch die eigenen Stäbe und zu-
mindest höhere Offiziere verstehen und nicht tatenlos bleiben, wenn sie
Kenntnis davon erhalten, dass der Namenspatron einer Kaserne ein
Kriegsverbrecher sein könnte,

d) ist eine Präzisierung oder Überarbeitung des Traditionserlasses beabsich-
tigt,

e) wie erklärt sich die Bundesregierung die damalige Untätigkeit derjenigen
Soldatinnen und Soldaten, die Kenntnis von dem Bericht hatten?

11. Welches Verfahren genau gilt in der Bundeswehr für eine Standortumbenen-
nung?
Sind dafür Abstimmungen vorgesehen, und wenn ja, dürfen sich daran alle
Soldatinnen und Soldaten beteiligen, entscheidet dann die einfache Mehr-
heit der Abstimmenden, oder sind andere Mehrheiten und Quoren vorge-
sehen (wenn ja, welche)?

12. Hat es in der Vergangenheit jemals Kasernenumbenennungen gegeben, die
in Abweichung vom obigen beschriebenen Verfahren erfolgt sind, und wenn
ja, aus welchem Grund, und um welche Kasernen handelte es sich (bitte
vollständig anführen und die – ehemaligen – Namen angeben)?

13. Hat es in Zusammenhang mit der Umbenennung der ehemaligen General-
Konrad-Kaserne in Hohenstaufenkaserne im Jahr 2012 eine Abstimmung
unter der Standortbelegschaft gegeben, und wenn ja, wie hoch war die Teil-
nahmequote an der Abstimmung, und wie viele Soldatinnen und Soldaten
stimmten für und wie viele gegen eine Umbenennung?

Berlin, den 3. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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