BT-Drucksache 18/2013

Schulsozialarbeit an allen Schulen sicherstellen

Vom 2. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2013
18. Wahlperiode 02.07.2014

Antrag
der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Diana Golze, Nicole Gohlke, Sigrid
Hupach, Susanna Karawanskij, Kerstin Kassner, Ralph Lenkert, Cornelia
Möhring, Harald Petzold (Havelland), Katrin Werner, Jörn Wunderlich und
der Fraktion DIE LINKE.

Schulsozialarbeit an allen Schulen sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Schulsozialarbeit hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen und sich
als wirksame Kooperation von Jugendhilfe und Schule in der Praxis bewährt. Als
professionelles sozialpädagogisches Angebot verbindet Schulsozialarbeit Elemente
der Jugendsozialarbeit, Jugendarbeit sowie des erzieherischen Kinder- und Jugend-
schutzes und rückt die Lebenslagen und Bedürfnisse von Schülerinnen und Schü-
lern in den Fokus ihrer Arbeit.

Begleitend zur schulischen Bildungsarbeit fördert Schulsozialarbeit die individuel-
le und soziale Entwicklung von Schülerinnen und Schülern. Sie schafft an der
Schule Angebote und Aktivitäten, die es den Schülerinnen und Schülern über das
schulische Angebot hinaus ermöglichen, ihre Fähigkeiten zu entfalten, Unterstüt-
zung bei der Bewältigung alltäglicher Probleme zu erhalten, zur Selbsthilfe befä-
higt zu werden und Anerkennung zu erfahren. Schulsozialarbeit hilft Kindern und
Jugendlichen dabei, eigene Ressourcen und Stärken zu erschließen und positive
Lebensperspektiven zu entwickeln. Auf diese Weise trägt Schulsozialarbeit dazu
bei, Benachteiligungen von Kindern und Jugendlichen abzubauen und nachhaltig
dem Risiko des Scheiterns in der Schule entgegenzuwirken. Darüber hinaus berät
und unterstützt Schulsozialarbeit Lehrkräfte, Schulleitungen und Eltern in sozial-
pädagogischen Fragen. Schulsozialarbeit ergänzt multiprofessionelle Arbeit an
Schulen, indem sie sozialpädagogische Sicht- und Handlungsweisen einbringt.
Schulsozialarbeit trägt auch dazu bei, Schule als Lebensraum für alle Schülerinnen
und Schüler zu gestalten und dass diese sich an der Gestaltung beteiligen können.
Für Kinder, Jugendliche und deren Eltern eröffnet Schulsozialarbeit als Institution,
die dauerhaft im Schulalltag verankert ist, Zugänge zum Leistungsangebot der
Jugendhilfe und erweitert deren präventive sowie integrative Handlungsmöglich-
keiten. Sie ist dabei mit ihren Angeboten im Alltag von Kindern und Jugendlichen
präsent und ohne Umstände erreichbar. Es gibt keine Schule mehr, die ohne sozial-
pädagogisches Engagement auskommt.

Schulsozialarbeit kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn sie gleichberechtigte
Partnerin der Schule ist. Dazu bedarf es einer rechtlichen Klarstellung und der
Verankerung der Schulsozialarbeit im SGB VIII. Schulsozialarbeit hat eine beson-
dere Funktion und muss daher als eigenständig angesehen werden. Sie kann und

Drucksache 18/2013 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

soll die bestehenden Angebote der Jugend- und Jugendsozialarbeit nicht ersetzen.
Sie benötigt für erfolgreiche Arbeit eine gute Vernetzung in den Sozialraum und
mit den vielfältigen außerschulischen Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe so-
wie die fachliche Anbindung und Vernetzung mit dem Jugendamt. Schulsozialar-
beit und die kommunalen Angebote der Jugendarbeit dürfen nicht gegeneinander
ausgespielt werden. Darum ist sicherzustellen, dass ein Ausbau der Schulsozialar-
beit die bestehenden Angebote nach den §§ 11 und 13 des Achten Buches Sozial-
gesetzbuch (SGB VIII) ergänzt.

Obwohl Schulsozialarbeit als ein professionelles sozialpädagogisches Angebot von
zentraler Bedeutung bei der Weiterentwicklung zu einem konsistenten Gesamtsys-
tem von Bildung, Erziehung und Betreuung ist, wird Schulsozialarbeit, dort wo es
sie gibt, bislang oftmals nicht dauerhaft finanziert und ist zudem unterfinanziert.
Der Bund sieht sich generell nicht in der Pflicht, Schulsozialarbeit zu finanzieren.
So antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE.: „Der Bund hat nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung we-
der eine Aufgaben- noch eine Finanzverantwortung für Schulsozialarbeit und auch
keine Befugnisse für eine entsprechende Kontrolle.“ (vgl. Bundestagsdrucksache
18/720). Um dennoch eine Möglichkeit zur Mitfinanzierung zu nutzen, stellte der
Bund für rund 3 000 Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter für die Jahre
2011, 2012 und 2013 zusätzliche Mittel zur Verfügung. Das haben Kommunen, die
Schulträger sind, intensiv genutzt, um Schulsozialarbeit auszubauen.

Das Auslaufen der Förderung bedeutete vielerorts das Aus und die fortbestehenden
Angebote der Schulsozialarbeit stehen bezüglich der knappen finanziellen Mittel in
scharfer Konkurrenz zu den Angeboten der außerschulischen kommunalen Kinder-
und Jugendarbeit. Damit die Schulsozialarbeit umfassende Angebote der Bildung,
Erziehung und Betreuung für alle Schülerinnen und Schüler machen kann, im So-
zialraum agieren, Lehrkräfte und Eltern unterstützen und beraten sowie sich an den
Prozessen der Schulentwicklung beteiligen kann, bedarf es einer dauerhaften, ver-
lässlichen Finanzierung. Daher muss Schulsozialarbeit als Regelleistung im SGB
VIII verortet werden und im Rahmen der Neuverhandlung der Bund-Länder-
Finanzen berücksichtigt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. a) Schulsozialarbeit im Jugendhilferecht des SGB VIII als Regelleistung im
Wege einer Präzisierung und Neuverortung in Form einer eigenständigen
Angebotsform vorzunehmen und dazu einen neuen Paragraphen (Angebote
der Schulsozialarbeit/Jugendsozialarbeit) zu verankern. Es ist sicherzustel-
len, dass die Schulsozialarbeit auf den in § 11 Absatz 1 und 2 formulierten
Grundsätzen der Jugendarbeit aufbaut. Darüber hinaus ist sicherzustellen,
dass die Einführung der neuen Regelleistung ausschließlich zusätzlich und
nicht zu Lasten der bestehenden Angebote der Jugendhilfe nach § 11 Ab-
satz 3 und § 13 erfolgen darf,

b) ein Bundesförderprogramm zum Aufbau flächendeckender Angebote schul-
bezogener Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit aufzusetzen. Hierzu soll unver-
züglich ein „Schulsozialarbeitsgipfel“ von Bund, Ländern und Kommunen
unter Beteiligung der Verbände, Wohlfahrtspflege, Fachorganisationen und
Gewerkschaften ins Leben gerufen werden mit dem Ziel, umgehend eine
Konzeption zur Umsetzung eines solchen Programms zu erarbeiten;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2013

2. unverzüglich Verhandlungen mit den Bundesländern aufzunehmen, mit dem
Ziel, die Angebote der Schulsozialarbeit/Jugendsozialarbeit an allen Schulen
unter Berücksichtigung folgender Aspekte zu gewährleisten:
a) einheitliche Qualitäts- und Ausstattungsstandards der Angebote der Schul-

sozialarbeit/Jugendsozialarbeit zu formulieren,
b) ausschließlich qualifizierte Beschäftigte einzusetzen,
c) klare Rahmenbedingungen für die Beschäftigten in diesem Bereich mit ta-

riflich abgesicherten und unbefristeten Arbeitsverträgen zu schaffen,
d) den erforderlichen Finanzierungsbedarf für die Ausweitung der Angebote

der schulbezogenen Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit sicherzustellen;
3. im Rahmen der bis zum Jahr 2020 erforderlichen Neuordnung der Finanzbe-

ziehungen zwischen dem Bund und den Ländern sicherzustellen, dass in Län-
dern und Kommunen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um
die Angebote der Schulsozialarbeit künftig dauerhaft auskömmlich zu finan-
zieren.

Berlin, den 2. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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