BT-Drucksache 18/2005

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 18/1312, 18/1759 - Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Jan Korte, Sevim Dagdelen, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/1092 - Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung der Optionsregelung im Staatsangehörigkeitsrecht c) zu dem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/185 (neu) - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes d) zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/286 - Für ein fortschrittliches Staatsangehörigkeitsrecht

Vom 2. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2005
18. Wahlperiode 02.07.2014

Bericht*)

des Innenausschusses (4. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksachen 18/1312, 18/1759 –

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des
Staatsangehörigkeitsgesetzes

) zu dem Gesetzentwurf der A geordneten an orte, Se im Da delen,
Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/1092 –

Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung der Optionsregelung
im Staatsangehörigkeitsrecht

c) zu dem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/185 (neu) –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes

d) zu dem Antrag der Abgeordneten Se im Da delen, an Korte, atthias W.
Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/286 –

Für ein fortschrittliches Staatsangehörigkeitsrecht

*) Die Beschlussempfehlung wurde auf Drucksache 18/1955 gesondert verteilt.

Drucksache 18/2005 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Helmut Brandt, Rüdiger Veit, Ulla Jelpke und Volker
Beck (Köln)

I. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/1312 wurde in der 39. Sitzung des Deutschen Bundestages am 5. Juni
2014 an den Innenausschuss federführend sowie an den Auswärtigen Ausschuss und den Ausschuss für Recht
und Verbraucherschutz zur Mitberatung überwiesen. Ebenso beteiligte sich der Parlamentarische Beirat für
nachhaltige Entwicklung gutachtlich.
Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/1092 wurde in der 39. Sitzung des Deutschen Bundestages am 5. Juni
2014 an den Innenausschuss federführend sowie an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe zur Mitberatung überwiesen.
Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/185 (neu) wurde in der 8. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16.
Januar 2014 an den Innenausschuss federführend sowie an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz,
den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und den Ausschuss für Menschenrechte und huma-
nitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen.
Der Antrag auf Drucksache 18/286 wurde in der 8. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. Januar 2014
an den Innenausschuss federführend sowie an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und den Ausschuss
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu a)
Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 20. Sitzung am 2. Juli 2014 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. die Annahme des Gesetzentwurfs empfohlen.
Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner 22. Sitzung am 2. Juli 2014 mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Gesetzentwurf in der Fassung des Ände-
rungsantrags der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD auf Ausschussdrucksache 18(4)110 anzuneh-
men.
Zu b)
Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner 22. Sitzung am 2. Juli 2014 mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat in seiner 12. Sitzung am 2. Juli 2014 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat in seiner 16. Sitzung am 2. Juli 2014 mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen.
Zu c)
Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner 22. Sitzung am 2. Juli 2014 mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat in seiner 12. Sitzung am 2. Juli 2014 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2005

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat in seiner 16. Sitzung am 2. Juli 2014 mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen.
Zu d)
Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner 22. Sitzung am 2. Juli 2014 mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthal-
tung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags empfohlen.
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 17. Sitzung am 2. Juli 2014 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag abzulehnen.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat in seiner 12. Sitzung am 2. Juli 2014 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimm-
enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags empfohlen.
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat in seiner 16. Sitzung am 2. Juli 2014 mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag abzulehnen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat in seiner 13. Sitzung am 4. Juni 2014 einvernehmlich beschlossen, eine öffentliche
Anhörung zu den Drucksachen 18/1312, 18/1092, 18/185 (neu) und 18/286 durchzuführen. Die öffentliche
Anhörung, an der sich sechs Sachverständige beteiligt haben, hat der Innenausschuss in seiner 14. Sitzung am
23. Juni 2014 durchgeführt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der 14. Sit-
zung des Innenausschusses vom 23. Juni 2014 verwiesen (Protokoll 18/14). Die Stellungnahme des Parla-
mentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung auf Ausschussdrucksache 18(4)80 hat sowohl bei der An-
hörungssitzung als auch bei den Beratungen vorgelegen.
Der Innenausschuss hat die Vorlagen in seiner 18. Sitzung am 1. Juli 2014 abschließend beraten. Den Ge-
setzentwurf auf Drucksachen 18/1312, 18/1759 empfiehlt der Innenausschuss mit den Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN in der Fassung des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen auf Ausschussdrucksache 18(4)110 an-
zunehmen.
Zuvor wurde der Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache 18(4)110 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
angenommen.
Die Änderungsanträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Ausschussdrucksachen 18(4)109A und
18(4)109B wurden in Einzelabstimmung jeweils mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Der Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache 18(4)109A hat einschließlich Begründung folgenden Wort-
laut:
In Artikel 1 wird nach Nummer 1 folgende Nummer 1a eingefügt:
„1a. Nach § 29 wird folgender § 29a eingefügt:

,§ 29a
(1) Wer nach § 29 Absatz 2 dieses Gesetzes in der vom 1. Januar 2000 bis zum … [einsetzen: Inkrafttre-
ten des Gesetzes…] geltenden Fassung die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat, erwirbt durch
die Erklärung, deutscher Staatsangehöriger werden zu wollen, die deutsche Staatsangehörigkeit, es
sei denn die Voraussetzungen des § 29 Absatz 1 Satz 1 waren im Zeitpunkt des Verlusts der deut-
schen Staatsangehörigkeit erfüllt.

(2) Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wird wirksam mit der Entgegennahme der schriftli-
chen Erklärung durch die zuständige Verwaltungsbehörde. Zum Nachweis des Erwerbs der deut-
schen Staatsangehörigkeit ist von dieser Behörde eine Urkunde auszufertigen.

(3) Das Verfahren einschließlich der Ausstellung der Urkunde ist gebührenfrei.

Drucksache 18/2005 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wer aufgrund § 29 Absatz 3 dieses Gesetzes in der vom 1. Januar 2000 bis zum … [einsetzen: Inkrafttreten
des Gesetzes…] geltenden Fassung seine ausländische Staatsangehörigkeit aufgegeben oder verloren hat,
erhält auf Antrag bis zum … [einsetzen: fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes] vor dem Erwerb die-
ser ausländischen Staatsangehörigkeit eine schriftliche Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen
Staatsangehörigkeit, es sei denn die Voraussetzungen des § 29 Absatz 1 Satz 1 waren bei Vollendung seines
23. Lebensjahres erfüllt. Absatz 3 gilt entsprechend.‘“
Begründung
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hält an ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Staatsangehörigkeitsge-
setzes fest (Drucksache 18/185 neu). Der staatsbürgerlichen Gleichheit aller Deutschen (Artikel 3 und 33 des
Grundgesetzes) wird nur die vollständige Abschaffung des Optionszwangs gerecht. Der Gesetzentwurf der
Bundesregierung ist integrationspolitisch verheerend und belastet die Staatsangehörigkeitsbehörden mit
unnötiger Bürokratie.
Dennoch ist der Koalition Gelegenheit zu geben, die gröbsten Mängel des Gesetzentwurfs der Bundesregie-
rung zu beseitigen. Zumindest sollten die Folgen derjenigen Teile der Regelung, die nun sogar aus Sicht der
Koalition änderungsbedürftig sind, beseitigt werden. Damit soll eine erneute Ungleichbehandlung mit denje-
nigen möglichst vermieden werden, die künftig von der Abschaffung des Optionszwangs profitieren.
Menschen, die aufgrund des Optionszwangs die deutsche Staatsangehörigkeit bereits verloren haben, sie
aber nach der Neuregelung beibehalten dürften, sollen daher durch einfache Erklärung die deutsche Staats-
angehörigkeit wieder erwerben können, ohne ihre ausländische Staatsangehörigkeit aufgeben zu müssen.
Dies ist sachgerechter und weniger bürokratisch als der Verweis auf die bereits bestehende Möglichkeit der
Wiedereinbürgerung im Rahmen der Ermessenseinbürgerung. Menschen, die aufgrund des Optionszwangs
ihres ausländische Staatsangehörigkeit aufgegeben oder verloren haben, aber nach der Neuregelung dem
Optionszwang nicht mehr unterfallen würden, sollen die Möglichkeit haben, ihre frühere ausländische
Staatsangehörigkeit unter Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit wieder zu erwerben.
Da mit diesen Regelungen ein politisch und rechtlich problematischer Zustand beseitigt wird, ist es angemes-
sen, das Verfahren für die Betroffenen kostenfrei auszugestalten.
Der Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache 18(4)109B hat einschließlich Begründung folgenden Wort-
laut:
In Artikel 1 Nummer 1 wird § 29 Absatz 1a wie folgt geändert:
1. Satz 1 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 2 wird das Wort „oder“ gestrichen und durch ein Komma ersetzt.
b) Nummer 3 wird wie folgt geändert:

aa) Nach dem Wort „Schulabschluss“ wird ein Komma und das Wort „Hochschulab-
schluss“ eingefügt.

bb) Der Punkt wird durch das Wort „oder“ ersetzt.
c) Nach Nummer 3 wird folgende Nummer 4 angefügt:

„4. einen Bundesfreiwilligendienst oder einen vergleichbaren staatlich anerkannten Freiwil-
ligendienst oder freiwilligen Wehrdienst geleistet hat.“

2. Satz 2 wird durch folgende Sätze ersetzt:
„Dem gewöhnlichen Aufenthalt und dem Schulbesuch im Inland stehen der gewöhnliche Aufenthalt und der
Schulbesuch in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums
oder in der Schweiz gleich. Einem im Inland erworbenen Schul- oder Hochschulabschluss und einer im In-
land abgeschlossenen Berufsausbildung steht ein in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union,
des Europäischen Wirtschaftsraums oder in der Schweiz erworbener Schul- oder Hochschulabschluss und
eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums oder in
der Schweiz abgeschlossene Berufsausbildung gleich. Einem im Inland erworbenen Schulabschluss steht der
Abschluss einer Deutschen Auslandsschule gleich. Als im Inland aufgewachsen nach Satz 1 gilt auch
1. wer ein politisches Wahlamt in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen

Union innehat oder innegehabt hat,
2. wer in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union in einem Beam-

tenverhältnis steht oder Soldat der Bundeswehr ist,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2005

3. wer ein Kind hat oder
4. wer im Einzelfall einen vergleichbar engen Bezug zu Deutschland hat und für den die Optionspflicht

nach den Umständen des Falles eine besondere Härte bedeuten würde.“
Begründung
Die Fraktion Bündnis 9/Die Grünen hält an ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Staatsangehörigkeitsge-
setzes fest (Drucksache 18/185 neu). Der staatsbürgerlichen Gleichheit aller Deutschen (Artikel 3 und 33 des
Grundgesetzes) wird nur die vollständige Abschaffung des Optionszwangs gerecht. Der Gesetzentwurf der
Bundesregierung ist integrationspolitisch verheerend und belastet die Staatsangehörigkeitsbehörden mit
unnötiger Bürokratie.
Dennoch ist der Koalition Gelegenheit zu geben, ihre gröbsten Fehler zu korrigieren, wenn auch nicht alle
Bedenken – auch rechtlicher Art – gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung durch die vorgeschlagenen
Änderungen ausgeräumt werden können. Der Gesetzgeber hat Sorge dafür zu tragen, dass die Neuregelung
verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben beachtet und systematisch kohärent ist.
Die bundeseinheitliche Anwendung des Gesetzes wird durch die im Regierungsentwurf allein vorgesehene
Härteklausel nicht hinreichend gewährleistet, da sie aufgrund ihrer Unbestimmtheit keine hinreichende
Rechtssicherheit für die Betroffenen und die Rechtsanwender bietet. Deshalb sollen Fallkonstellationen, in
denen ein „vergleichbar enger Bezug zu Deutschland“ anzunehmen ist, ausdrücklich gesetzlich geregelt
werden. Dazu zählen der Erwerb eines Hochschulabschlusses im Inland, die Leistung eines Freiwilligen-
dienstes bzw. des freiwilligen Wehrdienstes, der Erwerb des Abschlusses einer Deutschen Auslandsschule,
die Wahrnehmung eines politischen Wahlamts in Deutschland sowie ein bestehendes Beamtenverhältnis (et-
wa bei Polizeibeamtinnen in der Ausbildung). Rechtssicher wird dadurch etwa ausgeschlossen, dass deutsche
Staatsangehörige, die nach Erwerb einer ausländischen Hochschulzugangsberechtigung vor Vollendung des
21. Lebensjahrs ein Studium in Deutschland absolvieren (z.B. einen Bachelor in Germanistik), weiterhin
unter den Optionszwang fallen.
Mehr Kohärenz im Staatsangehörigkeitsrecht wird auch durch den Wegfall des Optionszwangs für deutsche
Staatsangehörige erreicht, die vor Vollendung des 21. Lebensjahres Eltern werden. Denn ihre Kinder haben
die deutsche Staatsangehörigkeit durch Abstammung erlangt und verlieren sie auch dann nicht, wenn die
Eltern sich gegen den Verzicht auf ihre ausländische Staatsangehörigkeit entscheiden.
Die Gleichstellung von gewöhnlichem Aufenthalt, Schul- und Hochschulbesuch sowie Bildungsabschlüssen
im europäischen Ausland und im Inland räumt unionsrechtliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf der Bun-
desregierung aus. Denn der Fortbestand des Optionszwangs, der sich unter Umständen aus der Wahrneh-
mung der unionsrechtlichen Freizügigkeit (Artikel 21 und 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europä-
ischen Union) durch den optionspflichtigen deutschen Staatsangehörigen ergibt, macht die Wahrnehmung
dieser Grundfreiheit für den Betroffenen weniger attraktiv und stellt daher eine Beschränkung der Freizügig-
keit dar. Die wachsende Mobilität junger Menschen in Europa sollte aber angesichts der herausragenden
Bedeutung des europäischen Einigungsprozesses für die Bundesrepublik Deutschland (Artikel 23 des Grund-
gesetzes) gefördert werden. Folgerichtig soll daher auch die Wahrnehmung eines politischen Wahlamts (et-
wa infolge passiver Wahlberechtigung auf kommunaler Ebene) und das Bestehen eines Beamtenverhältnisses
in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Wegfall des Optionszwangs führen, da der
Zugang zu solchen Ämtern in den meisten Fällen Ausfluss der Unionsbürgerschaft (Artikel 20 des Vertrags
über die Arbeitsweise der Europäischen Union) ist, die sich wiederum aus der deutschen Staatsangehörigkeit
ableitet.
Die im Regierungsentwurf vorgesehene Härteklausel wird als Nummer 4 wortgleich übernommen, da es
neben den vorgenannten Fallkonstellationen weiterhin zu unvorhersehbaren Situationen kommen kann, in
denen der Fortbestand des Optionszwangs unbillig erscheint. Dies entspricht auch dem Geiste der Recht-
sprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Freizügigkeit und zur Unionsbürgerschaft.
Den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/1092 empfiehlt der Innenausschuss mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
abzulehnen.
Den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/185 (neu) empfiehlt der Innenausschuss mit den Stimmen der Frakti-
onen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN abzulehnen.

Drucksache 18/2005 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Den Antrag auf Drucksache 18/286 empfiehlt der Innenausschuss mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abzulehnen.

IV. Begründung

Zur Begründung allgemein wird auf Drucksache 18/1312 hingewiesen. Die vom Innenausschuss auf Grund-
lage des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen auf Ausschussdrucksache 18(4)110 vorgenommene Än-
derung begründet sich wie folgt:
Im Gesetzentwurf ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens bisher offengelassen worden, so dass es insoweit einer
Ergänzung des Gesetzentwurfs bedarf. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes können alle Deutschen, die ihre
deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 oder § 40b des Staatsangehörigkeitsgesetzes erworben haben,
bei den zuständigen Staatsangehörigkeitsbehörden einen Antrag zur Klärung ihrer Optionspflicht stellen. Um
den beteiligten Behörden ausreichend Vorlaufzeit zur Anpassung der Verwaltungsabläufe, insbesondere in
der Zusammenarbeit der Staatsangehörigkeits- und Meldebehörden, zu geben, soll das Gesetz einen Monat
nach Verkündung in Kraft treten.
Die Fraktion der CDU/CSU betont, alle Sachverständigen hätten im Rahmen der Anhörung den Gesetzent-
wurf als verfassungskonform angesehen und in wesentlichen Teilen begrüßt. Die von den Sachverständigen
aus der Praxis vorgetragenen ergänzenden Aspekte seien für die Zukunft durchaus diskussionswürdig. Der
jetzt eingeschlagene Weg sei aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahren mit dem Optionsmodell gangbar,
nachvollziehbar und auch gut. Der Gesetzentwurf solle daher nun zum Abschluss gebracht werden und dann
innerhalb der Monatsfrist in Kraft treten.
Die Fraktion der SPD führt aus, es sei ein vernünftiges Gesetz geschaffen, auch wenn in der Sachverständi-
genanhörung Aspekte angesprochen worden seien, die noch in den Gesetzentwurf hätten einfließen können.
Nach der Sachverständigenanhörungen wisse man, dass es voraussichtlich Betroffene im einstelligen Pro-
zentbereich geben werde, die nach der Neuregelung noch optionspflichtig sein werden. Unter Gerechtigkeits-
gesichtspunkten oder aus sonstigen übergeordneten Erwägungen möge auch diese kleine Zahl noch für falsch
gehalten werden; dies müsse jedoch wohl angesichts des Koalitionskompromisses hingenommen werden.
Die Fraktion DIE LINKE. erklärt, dass der Gesetzentwurf abgelehnt werde. Es könne nicht sein, dass 97 bis
99 Prozent der Betroffenen wegen der hohen Hürden im Grunde nach wie vor einer Optionspflicht unterlä-
gen. Es handele sich immerhin um ca. 40 000 Fälle, in denen es weiterhin ein sog. Optionsverfahren geben
werde. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb man sich nicht für ein modernes und fortschrittliches Staatsbür-
gerschaftsrecht entscheide, wie es dies in anderen europäischen Staaten oder auch den USA längst gebe. Wer
dort geboren werde, sei dort auch Staatsbürger.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnt die Optionspflichtverlängerung durch die Koalition ab, da
die Optionspflicht Deutsche zweierlei Rechts schafft und integrationspolitisch verfehlt ist. Der konkrete Ge-
setzestext der Koalition ist zudem europarechtswidrig, da er die Freizügigkeit von Deutschen einschränkt und
diskriminiert. Europäische Aufenthalts- und Bildungsabschlüsse werden gegenüber inländischen entwertet,
nicht mal Abschlüsse an deutschen Auslandsschulen befreien von der Optionspflicht. Zudem fehle es an einer
Regelung für diejenigen, die aufgrund des alten Rechts ihre deutsche oder ausländische Staatsangehörigkeit
verloren haben. Die Änderungsanträge würden den verfehlten Ansatz wenigstens von den gröbsten verfas-
sungsrechtlichen und europarechtlichen Mängeln befreien. An der ethnischen Diskriminierung von Deut-
schen mit ausländischen Eltern gegenüber Deutschen mit deutschen Eltern ändere sich nichts, solange man an
der Optionspflicht festhalte.

Berlin, den 1. Juli 2014

Helmut Brandt
Berichterstatter

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2005

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

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