BT-Drucksache 18/1936

Nutzung von europäischen Fördergeldern zur Integration von Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt

Vom 27. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1936
18. Wahlperiode 27.06.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, Heike
Hänsel, Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau,
Dr. Petra Sitte, Azize Tank, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich,
Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau) und der Fraktion DIE LINKE.

Nutzung von europäischen Fördergeldern zur Integration von Migrantinnen und
Migranten in den Arbeitsmarkt

Die Teilhabe von Migrantinnen und Migranten am Arbeitsmarkt wird im wis-
senschaftlichen Diskurs als Basis und Maßstab für eine erfolgreiche Integration
angesehen. Auch in der Politik wird immer wieder auf diesen Zusammenhang
hingewiesen. So heißt es im Ersten Zwischenbericht „Arbeitsmarkt und Er-
werbsleben“ zum Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung des Nationalen Inte-
grationsplans mit Stand vom 2. April 2013: „In einer stark von Erwerbsarbeit ge-
prägten Gesellschaft ist die Integration in den Arbeitsmarkt eine Kernaufgabe
der Integrationspolitik. Die Teilnahme am Erwerbsleben bedeutet für den Ein-
zelnen nicht nur wirtschaftliche Eigenständigkeit, sondern auch aktive Teilhabe
an der Gesellschaft. Trotz vielfältiger Bemühungen bestehen bei der Integration
von Personen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt weiterhin erheb-
liche Probleme. Seit vielen Jahren liegt die Arbeitslosigkeit von Ausländerinnen
und Ausländern etwa doppelt so hoch wie die der Deutschen.“ (www.netzwerk-
iq.de/fileadmin/redaktion/Publikationen/11_Literaturtipps/2013_
Zwischenbericht_NAP_Arbeitsmarkt_und_Erwerbsleben.pdf).
In der gerade ausgelaufenen Förderperiode 2007 bis 2013 des Europäischen
Sozialfonds (ESF) haben nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung“ (F.A.S.) vom 11. Januar 2014 deutsche Projektträger lediglich
5,3 Mrd. Euro der dem Bund und den Ländern von der Europäischen Union (EU)
zur Verfügung gestellten insgesamt 8,4 Mrd. Euro abgerufen (www.faz.net/
aktuell/politik/inland/armutseinwanderung-deutschland-ruft-milliarden-hilfen-
nicht-ab-12747234. html). Das entspricht einer Quote von 63 Prozent. Diese
Quote liegt damit etwas über dem europäischen Mittel von 55 Prozent. Bulgarien
soll im selben Zeitraum 53 Prozent und Rumänien 30 Prozent der Mittel in An-
spruch genommen haben. In der kommenden Förderperiode (2014 bis 2020)
ständen Deutschland 7,2 Mrd. Euro zur Verfügung (www.faz.net/aktuell/politik/
inland/armutseinwanderung-deutschland-ruft-milliarden-hilfen-nicht-ab-
12747234.html).
Kritik gibt es vor allem am komplizierten Antragsverfahren und daran, dass pri-
vate Träger außerdem die Programme komplett vorfinanzieren müssen.
Zudem wird kritisiert, dass es unklar ist, inwieweit Asylsuchende und Flücht-
linge mit ungesichertem Aufenthaltsstatus auch künftig zur förderfähigen Ziel-
gruppe der arbeitsmarktpolitischen Programme gerechnet werden bzw. mit
einem Ausschluss rechnen müssen, obwohl sich in den letzten Jahren zuneh-

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mend die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Schutzsuchende frühzeitig integriert
und in den Arbeitsmarkt eingebunden werden müssen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. In welcher Höhe wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von der EU

finanzielle Mittel im Rahmen des ESF zur Integration von Migrantinnen und
Migranten in den Arbeitsmarkt
a) in der Förderperiode 2001 bis 2007 und
b) in der Förderperiode 2007 bis 2013 des ESF
zum Abruf für die einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bereit-
gestellt (bitte getrennt nach Staaten auflisten)?

2. In welcher Höhe, und für welche Programme wurden der Bundesrepublik
Deutschland
a) in der Förderperiode 2001 bis 2007 und
b) in der Förderperiode 2007 bis 2013 des ESF
von der EU finanzielle Mittel im Rahmen des ESF zur Integration von Mi-
grantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt bereitgestellt (bitte Gesamt-
angabe und nach Bundesländern einzeln sowie die Sondermittel für die Stadt-
staaten auflisten), und für welche Programme bzw. Maßnahmen wurden in
welcher Höhe die zur Verfügung stehenden EU-Mittel verplant?

3. In welcher Höhe wurden von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
nach Kenntnis der Bundesregierung entsprechende Fördermittel bei der Eu-
ropäischen Kommission von den verfügbaren ESF-Mittel
a) in der Förderperiode 2001 bis 2007 und
b) in der Förderperiode 2007 bis 2013
abgerufen (bitte getrennt nach Staaten in Prozent und absoluten Zahlen auf-
listen)?

4. In welcher Höhe der verfügbaren ESF-Mittel wurden von den Mitgliedstaa-
ten der Europäischen Union nach Kenntnis der Bundesregierung ESF-Mittel
a) aus der Förderperiode 2001 bis 2007 und
b) aus der Förderperiode 2007 bis 2013
nicht abgerufen?

5. In welcher Höhe sind
a) in der EU-Haushaltsperiode 2001 bis 2007 und
b) in der EU-Haushaltsperiode 2007 bis 2013
Haushaltsmittel an den Bund zurückgeflossen (bitte nach Jahren aufschlüs-
seln), und in welcher Höhe waren dies Mittel aus dem vorgesehenen Haus-
haltsansatz zum ESF?

6. Inwieweit gibt es seitens der Bundesregierung Überlegungen, an den Bund
zurückfließende Mittel aus nicht ausgegebenen ESF-Geldern der Förderperi-
ode 2007 bis 2013 in einen Sonderfonds einzuzahlen, z. B. zur Unterstützung
von sozialen Problemen besonders betroffener Kommunen, oder soll mit die-
sen Mitteln der Bundeshaushalt konsolidiert werden?

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7. In welcher Höhe werden nach Kenntnis der Bundesregierung in der Förder-
periode 2014 bis 2020 des ESF von der EU finanzielle Mittel zur Integration
von Migrantinnen und Migranten und sozialen Inklusion in den Arbeits-
markt zum Abruf für die einzelnen Mitgliedstaaten bereitgestellt (bitte ge-
trennt nach Staaten auflisten)?

8. In welcher Höhe wurden der Bundesrepublik Deutschland in der Förder-
periode 2014 bis 2020 von der EU finanzielle Mittel zur Integration von
Migrantinnen und Migranten und sozialen Inklusion in den Arbeitsmarkt
bereitgestellt (bitte Gesamtangabe und nach Bundesländern einzeln sowie
die Sondermittel für die Stadtstaaten auflisten), und für welche Programme
sollen die Mittel verwendet werden?

9. In welcher Höhe hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2007 Mittel für Pro-
jekte zur Verfügung gestellt, die die Förderung der Arbeitsmarktintegration
von Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlingen und Asylsuchenden
zum Ziel hatten, und wie viele Personen waren davon betroffen (bitte nach
Projekten und Jahren auflisten)?

10. In welcher Höhe plant die Bundesregierung finanzielle Mittel für entspre-
chende Programme zur Förderung der Arbeitsmarktintegration von Migran-
tinnen und Migranten sowie Flüchtlingen und Asylsuchenden in der neuen
Förderperiode 2014 bis 2020 bereitzustellen (bitte getrennt auflisten)?

11. In welcher Höhe plant die Bundesregierung für diese Bundesprogramme
finanzielle Mittel aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen (bitte
nach Programmen auflisten)?

12. In welcher Höhe sehen die Programmentwürfe der Bundesregierung für
diese und ggf. auch die bisherigen Programme der laufenden Förderperiode
vor, die nationale Ko-Finanzierung der Projekte aus einer rechnerischen
Ko-Finanzierung herzuleiten?

13. Welche Position vertritt nach Kenntnis der Bundesregierung der Bundesrat,
die Europäische Kommission und der Europäische Rechnungshof bezüg-
lich der Praxis der rein rechnerischen Ko-Finanzierung?

14. Wie sind die gegenwärtigen Sachstände in der Abstimmung der Programme
und Vereinbarungen zwischen der Europäischen Kommission und der Bun-
desregierung?

15. Wann wird nach Kenntnis der Bundesregierung mit einer Genehmigung des
Operationellen Programms des Bundes zum ESF durch die Europäische
Kommission gerechnet, und wann können dementsprechend frühestens
Projekte des Bundes im ESF beginnen?

16. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über vorhandene oder geplante
Projekte zur Finanzierung von Programmen aus ESF-Mitteln, die zum Ziel
haben, Migrantinnen und Migranten aus Rumänien und Bulgarien, insbe-
sondere Sinti und Roma, in den Arbeitsmarkt zu integrieren und ihre
Gleichbehandlung zu gewährleisten, welche dabei insbesondere gegen die
vielfache Diskriminierung dieser Personengruppe bei Eintritt in den Ar-
beitsmarkt als auch am Arbeitsplatz gerichtet sind (vgl. Empfehlung des
Rates für wirksame Maßnahmen zur Integration der Roma in den Mitglied-
staaten, COM(2013) 460 final)?

17. Inwieweit sieht nach Kenntnis der Bundesregierung das nationale Mehrjah-
resprogramm 2014 bis 2020 des neuen Asyl-, Migrations- und Integrations-
fonds (AMIF) im Gegensatz zu den vormals EU-finanzierten Maßnahmen
des Europäischen Flüchtlingsfonds (EFF) für die Förderperiode 2014 bis
2020 eine erhebliche Einschränkung dahingehend vor, dass nun Flüchtlinge
nicht mehr unabhängig vom Stand des Asylverfahrens förderfähig sind,

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sondern nur noch Flüchtlinge, die Asyl beantragt haben und über deren An-
trag noch nicht entschieden ist, dagegen abgelehnte Asylbewerberinnen und
Asylbewerber, Personen mit Duldung und Personen mit Aufenthaltserlaub-
nis gemäß § 104 oder § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)
aber ausgeschlossen werden (Schreiben der Landesarbeitsgemeinschaft der
Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen e. V. vom 28. Mai 2014)?

18. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Befürchtung der Landesarbeitsge-
meinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen e. V., dass diese
Neuregelung für die betroffenen Menschen und die Anbieterinnen und An-
bieter therapeutischer Maßnahmen zugunsten traumatisierter Flüchtlinge,
die keinen Asylantrag gestellt haben oder deren Asylantrag abgelehnt
wurde, negative Konsequenzen haben?

19. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Umstand,
dass die nunmehr ausgeschlossenen Gruppen, wie abgelehnte Asylbewer-
berinnen und Asylbewerber, Personen mit Duldung und Personen mit Auf-
enthaltserlaubnis gemäß § 104 oder § 25 Absatz 5 AufenthG keine Unter-
stützung mehr erhalten, obwohl sie oftmals mittelfristig oder auf Dauer in
Deutschland bleiben?

20. In welcher Form und in welchem Umfang sieht der aktuelle Entwurf zum
AMIF-Mehrjahresprogramm für Deutschland vor, auch Asylsuchenden und
Ausländerinnen und Ausländer mit einer Duldung in Maßnahmen zur Inte-
gration einzubeziehen, so wie dies in der AMIF-Durchführungsverordnung
in Erwägungsgrund 21 möglich gemacht wird?

21. Wann ist die Ausschreibung des AMIF vorgesehen?
22. Wann rechnet die Bundesregierung damit, dass das nationale Mehrjahres-

programm AMIF 2014 bis 2020 von der Europäischen Kommission geneh-
migt wird?

23. Welche Nichtregierungsorganisationen, Institutionen und Gruppen waren
an der Erstellung des AMIF-Mehrjahresprogramms in welcher Form betei-
ligt?

24. Wurden auch Organisationen, wie PRO ASYL e. V. und die Bundesarbeits-
gemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. beteiligt?
Wenn ja,
a) in welchem Rahmen,
b) welche Vorschläge kamen von diesen Organisationen, die in das AMIF-

Mehrjahresprogramm aufgenommen wurden,
c) welche Vorschläge kamen von diesen Organisationen, die in das AMIF-

Mehrjahresprogramm nicht aufgenommen wurden?

Berlin, den 26. Juni 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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