BT-Drucksache 18/189

Lange Wartezeiten bei der Bearbeitung von Beihilfeanträgen, insbesondere der Bundeswehr und der Bundespolizei

Vom 16. Dezember 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/189
18. Wahlperiode 16.12.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz,
Katja Keul, Tom Koenigs, Omid Nouripour und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Lange Wartezeiten bei der Bearbeitung von Beihilfeanträgen, insbesondere der
Bundeswehr und der Bundespolizei

Die Beihilfe ist eine eigenständige, ergänzende und beamtenrechtliche Kranken-
fürsorge. Neben Beamtinnen und Beamten, Versorgungsempfängerinnen und
Versorgungsempfängern sowie früheren Beamtinnen und Beamten können wei-
tere Personengruppen auf Grund spezialgesetzlicher Verweisungen einen Bei-
hilfeanspruch haben, zum Beispiel nach § 31 des Soldatengesetzes. Der Bei-
hilfeanspruch umfasst nach § 80 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) u. a. die
Erstattung der notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-,
Pflege- und Geburtsfällen, zur Früherkennung von Krankheiten und für Schutz-
impfungen.
Die Rechtsverordnung zur Gewährung von Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und
Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung – BBhV) erfährt durch die Allge-
meine Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung (BBhVVwV) vom
13. Juni 2013 weitere Konkretisierungen. Ehegattinnen, Ehegatten, Lebenspart-
nerinnen, Lebenspartner und Kinder von Beihilfeberechtigten erhalten, sofern
sie berücksichtigungsfähig sind, ebenfalls Beihilfeleistungen.
Nach § 10 Absatz 1 Satz 1 BBhV besteht auf Beihilfe ein Rechtsanspruch.
In der Praxis folgt aus dem Kostenerstattungsprinzip, dass die Beamtin oder der
Beamte eine Rechnung als Privatpatientin oder Privatpatient erhält, diese be-
gleicht und ihr oder ihm die beihilfefähigen Aufwendungen entsprechend dem
Beihilfebemessungssatz anschließend erstattet werden. Die BBhV verzichtet
weitgehend auf bindende Formvorschriften für das Antragsverfahren. Damit
soll „den Festsetzungsstellen die Möglichkeit gegeben werden, ein auf ihre in-
dividuellen Bedürfnisse abgestimmtes Verfahren zu gestalten“, § 51 Absatz 3
Satz 1 BBhVVwV.
Kommt es bei den Festsetzungsstellen zu längeren Bearbeitungszeiten, bedeutet
dies für die Beihilfeberechtigten, dass sie für entstandene Kosten – die Zahlung
von Medikamenten, der Arztbehandlung oder eines Krankenhausaufenthaltes –
in Vorlage treten müssen. Ärztliche Zahlungsfristen bedingen Mahnungen,
Mahngebühren und bei längeren Zeiträumen auch Inkassogebühren. Dies kann
für die Betroffenen erhebliche finanzielle Belastungen bedeuten, indem diese
ihre zinspflichtigen Dispositionskredite oder Darlehen in Anspruch nehmen
müssen. Viele Beihilfeberechtigte empfinden diese Verzögerungen und ihre Fol-
gen auch als Ausdruck mangelnder Wertschätzung seitens ihres Dienstherrn.
Des Weiteren kann dies bei den Beihilfeberechtigten – neben dem bürokrati-
schen Aufwand – zu sozialen Härten führen.

Drucksache 18/189 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Beihilfeanträge der Bundeswehr,
kam es bereits im letzten Jahr über die lange Dauer der Bearbeitung zu Be-
schwerden. Im August 2013 beliefen sich die Bearbeitungsrückstände auf ins-
gesamt ca. 70 000 unerledigte Beihilfeanträge, davon ca. 60 000 im Bereich der
Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger (vgl. Bundestags-
drucksache 17/14617).
Diese Bearbeitungsrückstände traten während des Prozesses der Neustrukturie-
rung der Bundeswehr auf. Die Staatssekretäre der Bundesministerien der Vertei-
digung, der Finanzen und des Innern vereinbarten am 2. November 2012 die
Verlagerung von Aufgaben der Personalabrechnung sowie von Abrechnungs-
aufgaben des künftigen Travel Managements der Bundeswehr von der Wehrver-
waltung in das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und das Bundesminis-
terium des Inneren (BMI), um den Verwaltungsapparat durch Zentralisierung zu
optimieren. In der Folge wurde die Zuständigkeit für die Beihilfe am 1. Juli 2013
von der Wehrverwaltung in das BMF verlagert.
Ebenso wurden auch aus den Reihen der Bundespolizei zunehmend Fälle be-
kannt, in denen es vorrangig bei den Versorgungsempfängerinnen und Versor-
gungsempfängern zu unzumutbaren langen Bearbeitungszeiten und in diesem
Zusammenhang zu sozialen Härten gekommen ist (vgl. Polizeispiegel, Novem-
ber 2013/47. Jahrgang).

Wir fragen die Bundesregierung:
Zu den Beihilfeangelegenheiten der Bundeswehr
1. Wie hat sich die durchschnittliche Dauer der Bearbeitung der Beihilfeanträge

für Besoldungsempfängerinnen und Besoldungsempfänger sowie für Versor-
gungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger nach Kenntnis der Bun-
desregierung in den letzten zwölf Monaten entwickelt (bitte detailliert nach
Monat und Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?
a) Wird in diesen Bearbeitungszeitraum auch die Zeit seit dem Eingang des

Beihilfeantrages mit eingerechnet oder nur die reine Bearbeitungszeit?
b) Wenn es sich nur um die reine Bearbeitungszeit handelt, wie viel Zeit ver-

ging in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich zwischen Antragsein-
gang und Bearbeitungsbeginn?

c) Gibt es hinsichtlich des Bearbeitungsbeginnes Unterschiede im Hinblick
auf die einzelnen Formen der Beantragung (Fax, E-Mail, Briefpost, Haus-
post, persönliche Einreichung)?

d) Wenn ja, welche?
2. Wie viele Beihilfeanträge sind derzeit seit mehr als zwei Wochen nach Ein-

gang des Beihilfeantrages noch unbearbeitet (bitte nach Beihilfebearbei-
tungsstellen aufschlüsseln)?
Bis wann sollen die Bearbeitungszeiten der Beihilfeanträge auf die normale
Dauer von neun bis fünfzehn Tagen reduziert werden?

3. Welche personellen und strukturellen Maßnahmen wurden wann im Rahmen
der Neustrukturierung der Bundeswehr seitens der Wehrverwaltung und des
BMF seit der Ressortvereinbarung zur Verlagerung der Beihilfe von der
Wehrverwaltung in das BMF vom 2. November 2012 ergriffen?
a) Welche Auswirkungen hatten diese personellen und strukturellen Maß-

nahmen auf die Bearbeitungsdauer der Beihilfeanträge?
b) Wurden anschließend, mit Bekanntwerden der verzögerten Bearbeitungs-

dauer, personelle oder organisatorische Veränderungen vorgenommen, um
die Bearbeitungszeit der Beihilfeanträge weiter zu verkürzen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/189
c) Wenn ja, welche?
d) Wenn nein, warum nicht?
e) Erfolgt eine prioritäre Bearbeitung zum Beispiel für Beamte des einfachen

Dienstes, mittleren Dienstes, chronisch Kranke bzw. Pensionärinnen und
Pensionäre mit Mindestruhegehalt?

f) Wenn ja, seit wann, und für welche Beihilfeberechtigten?
g) Wenn nein, warum nicht?

4. Wie viel Personal ist aktuell jeweils mit der Bearbeitung von Beihilfeanträ-
gen betraut (bitte nach Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?
a) Sind die geschaffenen Kapazitäten nach Auffassung der Bundesregierung

ausreichend?
b) Wenn nein, warum nicht?

5. Erfolgt eine automatisierte Bearbeitung der Beihilfeanträge mit entsprechen-
den zeitsparenden Softwareprogrammen?
a) Wenn ja, welche Programme werden eingesetzt, wodurch zeichnen diese

sich aus, und seit wann werden sie zur Bearbeitung verwendet?
b) Wenn nein, warum nicht?

6. Wie viele Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger, deren
Beihilfeanträge sich auf einen Rechnungsbetrag zwischen 1 000 und 2 500
Euro belaufen, haben gemäß der Entscheidung von 5. August 2013 (vgl. Bun-
destagsdrucksache 17/14777) Abschlagszahlungen erhalten (bitte prozentual
nach Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?
a) In welchem Zeitraum wurden diese Abschlagszahlungen ausgezahlt?
b) Bei wie vielen Beihilfeanträgen mit einem Rechnungsbetrag zwischen

1 000 und 2 500 Euro wurden Abschlagszahlungen nicht gewährt, und
warum nicht?

7. Wie viele Beihilfeanträge von Versorgungsempfängerinnen und Versor-
gungsempfänger mit Rechnungsbeträgen unterhalb von 1 000 Euro wurden
gemäß der Entscheidung von 19. August 2013 (vgl. Bundestagsdrucksache
17/14777) mit einem beschleunigten risikoorientierten Prüfverfahren bear-
beitet (bitte prozentual nach Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?
a) Wie unterscheidet sich das beschleunigte risikoorientierte Prüfverfahren

gegenüber dem vorherigen Prüfverfahren?
b) Wie hat sich die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der beschleunigten

risikoorientierten Prüfverfahren seit dem 19. August 2013 entwickelt (bitte
detailliert nach Monat und Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?

c) Wie viele Beihilfeanträge von Versorgungsempfängerinnen und Ver-
sorgungsempfängern mit Rechnungsbeträgen unterhalb von 1 000 Euro
wurden nicht mit einem beschleunigten risikoorientierten Prüfverfahren
bearbeitet, und warum nicht (bitte prozentual nach Beihilfebearbeitungs-
stellen aufschlüsseln)?

8. Wurden in den letzten zwölf Monaten Untätigkeitsklagen in Bezug auf die
Bearbeitungsdauer erhoben?
a) Wenn ja, um wie viele Untätigkeitsklagen handelt es sich?
b) Wenn ja, welchen Verfahrensausgang haben diese Untätigkeitsklagen ge-

nommen?

Drucksache 18/189 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
9. Welche Bearbeitungszeit ist nach Auffassung der Bundesregierung noch
angemessen (bitte Arbeitstage angeben)?

10. Welche personellen und organisatorischen Maßnahmen werden aktuell er-
griffen, um die Bearbeitungszeit von Beihilfeanträgen zu reduzieren?

Zu den Beihilfeangelegenheiten der Bundespolizei
11. Wie hat sich die durchschnittliche Dauer der Bearbeitung der Beihilfean-

träge für Beihilfeberechtigte bei der Bundespolizei, hier insbesondere bei
den Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfängern, deren Bei-
hilfeanträge von den Bundesfinanzdirektionen bearbeitet werden, nach
Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zwölf Monaten entwickelt
(bitte detailliert nach Monat und Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?
a) Wird in diesen Bearbeitungszeitraum auch die Zeit seit dem Eingang des

Beihilfeantrages mit eingerechnet oder nur die reine Bearbeitungszeit?
b) Wenn es sich nur um die reine Bearbeitungszeit handelt, wie viel Zeit

verging in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich zwischen An-
tragseingang und Bearbeitungsbeginn?

c) Wie viele Beihilfeanträge sind derzeit seit mehr als zwei Wochen nach
Eingang des Beihilfeantrages noch unbearbeitet (bitte nach Beihilfebe-
arbeitungsstellen aufschlüsseln)?

d) Gibt es hinsichtlich des Bearbeitungsbeginnes Unterschiede im Hinblick
auf die einzelnen Formen der Beantragung (Fax, E-Mail, Briefpost,
Hauspost, persönliche Einreichung)?

e) Wenn ja, welche?
12. Sind personelle Veränderungen geplant, um die Bearbeitungszeit der Bei-

hilfeanträge zu verkürzen?
a) Wenn ja, welche?
b) Wenn nein, warum nicht?

13. Wurden organisatorische Veränderungen vorgenommen, um die Dauer der
Bearbeitungszeit zu reduzieren bzw. um soziale Härten zu vermeiden, und
erfolgt hier eine prioritäre Bearbeitung zum Beispiel für chronisch Kranke
bzw. Pensionäre mit Mindestruhegehalt?
a) Wenn ja, welche?
b) Wenn ja, seit wann, und für welche Beihilfeberechtigten?
c) Wenn nein, warum nicht?

14. Wie viel Personal ist aktuell jeweils mit der Bearbeitung von Beihilfeanträ-
gen betraut (bitte nach Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?
a) Sind die geschaffenen Kapazitäten nach Auffassung der Bundesregie-

rung ausreichend?
b) Wenn nein, warum nicht?

15. Erfolgt eine automatisierte Bearbeitung der Beihilfeanträge mit entspre-
chenden zeitsparenden Softwareprogrammen?
a) Wenn ja, welche Programme werden eingesetzt, wodurch zeichnen sich

diese aus, und seit wann werden sie zur Bearbeitung verwendet?
b) Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/189
16. Wie viele Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger, deren
Beihilfeanträge sich auf einen Rechnungsbetrag zwischen 1 000 und 2 500
Euro belaufen, haben Abschlagszahlungen erhalten (bitte prozentual nach
Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?
a) In welchem Zeitraum wurden diese Abschlagszahlungen ausgezahlt?
b) Bei wie vielen Beihilfeanträgen mit einem Rechnungsbetrag zwischen

1 000 und 2 500 Euro wurden Abschlagszahlungen nicht gewährt, und
warum nicht?

17. Wurden in den letzten zwölf Monaten Untätigkeitsklagen in Bezug auf die
Bearbeitungsdauer erhoben?
a) Wenn ja, um wie viele Untätigkeitsklagen handelt es sich?
b) Wenn ja, welchen Verfahrensausgang haben diese Untätigkeitsklagen

genommen?
18. Bis wann sollen die Bearbeitungszeiten der Beihilfeanträge auf die normale

Dauer von neun bis 15 Tagen reduziert werden?
19. Welche zusätzlichen personellen und strukturellen Maßnahmen werden

aktuell ergriffen, um die Bearbeitungszeit der Beihilfeanträge weiter zu
reduzieren?

20. Gibt es bereits Pläne, die Beihilfegewährung durch die Einführung von so
genannten Beihilfekarten für Beschäftigte und Versorgungsempfänger zu
vereinfachen, um finanzielle und soziale Härten insbesondere bei kostenin-
tensiven Krankenhausbehandlungen durch Abtretung der Beihilfeansprü-
che an die Krankenhäuser und die behandelnden Ärzte zu vermeiden?
a) Wenn ja, um welche Pläne handelt es sich, und bis wann sollen sie um-

gesetzt werden?
b) Wenn nein, warum nicht?

Beihilfebearbeitung für andere Bundesbeihilfeberechtigte
21. Welche weiteren Fälle von Bundesbeihilfeberechtigten mit mehr als zwei

Wochen durchschnittlicher Bearbeitungsdauer in den letzten zwölf Monaten
sind der Bundesregierung bekannt?
a) Worauf ist die verzögerte Bearbeitung jeweils zurückzuführen?
b) Welche Maßnahmen wurden jeweils zur Behebung der Bearbeitungs-

rückstände ergriffen oder sollen zukünftig ergriffen werden?

Berlin, den 16. Dezember 2013

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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