BT-Drucksache 18/1828

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/700, 18/702, 18/1023, 18/1024, 18/1025 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) hier: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung

Vom 24. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1828
18. Wahlperiode 23.06.2014

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu, Dr. Dietmar Bartsch, Roland Claus,
Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Christine Buchholz, Katrin Kunert und
der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/700, 18/702, 18/1023, 18/1024, 18/1025 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014
(Haushaltsgesetz 2014)

hier: Einzelplan 14
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Mit dem vorgelegten Entwurf des Einzelplans 14 wird die Strategie der
schleichenden Aufstockung des Verteidigungsetats weiter fortgesetzt. Von
den im Jahr 2010 vereinbarten Sparvorgaben für die Bundeswehr in Höhe von
8,89 Mrd. Euro ist keine Rede mehr. Im Zuge der „Neuausrichtung der Bun-
deswehr“ hin zur Interventionsarmee verbleiben die Militärausgaben auf dem
hohen Niveau von über 11 Prozent des Gesamthaushalts der Bundesregierung.
Statt der laut dem Finanzplan 2010 ursprünglich geplanten 27,6 Mrd. Euro be-
läuft sich der Einzelplan 14 in diesem Jahr auf rd. 32,4 Mrd. Euro – eigentlich
aber über 35,1 Mrd. Euro gemäß den NATO-Kriterien. Dies entspricht einer
finanziellen Belastung von über 400 Euro für jede Bürgerin und jeden Bürger
der Bundesrepublik Deutschland. Daran ändern auch die buchstäblich über
Nacht angewandten Taschenspielertricks mit der Streichung von 400 Mio.
Euro Ausgaben zum Ende der Haushaltsverhandlungen nichts.

2. Seit mehr als zwei Jahrzehnten existiert keine ernsthafte Bedrohung für das
Territorium der Bundesrepublik Deutschland oder das ihrer Verbündeten. Al-
lerdings schafft der seit 20 Jahren anhaltende Drang der NATO nach Osten,
wie er sich z. B. in der Aufnahme von zahlreichen ehemaligen Warschauer-
Vertrags-Staaten manifestiert, selbst neue Probleme für die Stabilität und Si-
cherheit in Europa. Statt eines Dialogs über eine kollektive Sicherheitsord-
nung unter Einschluss Russlands fordern Sicherheitspolitiker der großen Koa-

Drucksache 18/1828 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

lition nun höhere Rüstungsausgaben und die stärkere militärische Präsenz in
den osteuropäischen Nachbarstaaten Russlands. Die Bundesregierung weigert
sich gleichzeitig, anhand des Afghanistaneinsatzes das Scheitern der Doktrin
des Interventionismus zu bilanzieren. Stattdessen orientiert sie auf weitere
Auslandseinsätze in Afrika. Die selbstgestellte Anforderung, „mehr Verant-
wortung“ in weltpolitischen Vorgängen zu übernehmen, wird bewusst mili-
tärpolitisch akzentuiert.

3. Weder die „Neuausrichtung der Bundeswehr“ auf Interventionen in den Län-
dern des Südens noch die verstärkte Beteiligung Deutschlands an NATO-
Aktivitäten in Osteuropa sind ein Beitrag zu mehr Sicherheit. Den immer
wieder beschworenen sicherheitspolitischen Risiken und Bedrohungen wie
der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, Konflikten in fragilen
Staaten und terroristischen Aktivitäten, kann mit militärischen Mitteln nicht
nachhaltig begegnet werden. Hierfür bedarf es ziviler Instrumente, die auch
die Ursachen von „Risiken“ und „Bedrohungen“ berücksichtigen und unzu-
reichende Entwicklungschancen und massive globale Verteilungsungerech-
tigkeit bekämpfen. Die Schaffung von mehr Sicherheit in Europa bedingt vor
allem die Auflösung der NATO und den Aufbau eines europäischen Systems
gegenseitiger kollektiver Sicherheit unter Einschluss Russlands, dessen
Grundverständnis die berechtigte Sicherheit aller Beteiligten ist.

4. Die Haushaltsvorlage verdeutlicht, dass die Bundesregierung nicht bereit ist,
nachhaltige Konsequenzen aus der Euro-Hawk-Pleite und den jüngsten dubio-
sen Zahlungsabläufen beim Vorhaben Eurofighter zu ziehen. Allein für neue
Waffensysteme bzw. laufende Beschaffungsvorhaben mit Auslandseinsatzbe-
zug gibt die Bundesregierung 2014 rund 3 Mrd. Euro aus. Dies zeigt auch,
wie die Rüstungslobby bei der Bundesregierung weiterhin ihre Profitinteres-
sen auf Steuerzahlerkosten durchsetzen kann. Im Gegensatz zu dieser Politik
sollten diese Mittel v. a. für die finanzielle Absicherung einer neuen konflikt-
präventiven und friedensorientierten Außen- und Sicherheitspolitik verwendet
werden. In den nächsten Jahren könnten hierfür Mittel von mehr als 20 Mrd.
Euro aus den militärischen Beschaffungen freigesetzt werden.

5. Der von der Bundesregierung vorgelegte Haushaltsentwurf schafft die Vo-
raussetzungen für die Beschaffung und Entwicklung bewaffnungsfähiger
MALE-Drohnen. Dies zeigt den Wert des Regierungsversprechens, man wolle
vor der Entscheidung zur Drohnenbewaffnung eine breite ethische Debatte
über den Einsatz von Kampfdrohnen führen. Offensichtlich hat die Regierung
diese Debatte für sich schon entschieden bevor sie begonnen wurde. Der ge-
plante Kauf von bewaffnungsfähigen MALE-Drohnen muss unterbleiben, um
den grundsätzlichen menschenrechtlichen Bedenken gegen diese Waffenart
Rechnung zu tragen und um die Möglichkeiten für eine internationale Kon-
vention zur Ächtung von Kampfdrohnen als ersten Schritt zu einem völligen
Verbot der militärischen Nutzung dieser Technologie offenzuhalten. Die
Bundesregierung darf sich der versprochenen breiten gesellschaftlichen Dis-
kussion über diese Waffen nicht entziehen.

6. Die Reform der Bundeswehr muss eine andere, eine ernsthaft friedenspoliti-
sche Richtung einschlagen. Umfassende Abrüstungs- und Konversionsmaß-
nahmen sind zweifellos mit hohen Kosten verbunden, auch gesellschaftlichen.
Langfristig gesehen bringen Maßnahmen der Abrüstung jedoch Sicherheits-
gewinne durch Vertrauensbildung nach außen. Die dadurch eingesparten Mit-
tel sollten auch insbesondere Konversionsmaßnahmen zu Gute kommen, die
es ermöglichen, bisher militärisch genutzte Gebiete wieder für die Gemeinde
oder die Region nutzbar zu machen. Dazu sollte im Einzelplan ein Konversi-
onsunterstützungsfonds eingestellt werden, der Kommunen bei der zivilen
Nachnutzung unterstützen kann.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1828

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. in einem ersten Schritt hin zu einer glaubwürdigen Friedens- und Abrüstungs-
politik die 2010 für 2014 vereinbarten Sparvorgaben einzuhalten, die Ausla-
gerung von Verteidigungskosten in andere Etats dauerhaft zu unterlassen und
konkrete Planungen für eine Rückführung der Konzeption der Bundeswehr
auf die Aufgaben der konkreten Landesverteidigung vorzulegen;

2. alle derzeitigen Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beenden und sich an
keinen neuen Auslandseinsätzen zu beteiligen. Der für Auslandseinsätze ein-
gestellte Betrag von 775 Mio. Euro ist einzusparen. Die für die Durchführung
von Auslandseinsätzen vorhandenen Strukturen und Fähigkeiten der Bun-
deswehr sind aufzulösen;

3. auf Auslandseinsätze orientierte Maßnahmen zur Aufrüstung zu streichen,
insbesondere folgende Beschaffungsvorhaben:
– deutscher Anteil NATO AGS (Global Hawk),
– sämtliche Euro-Hawk-Nachfolgesysteme,
– sämtliche Resttranchen Eurofighter,
– Transportflugzeug A 400 M,
– Unterstützungshubschrauber TIGER,
– NH-90 Hubschrauber,
– Schützenpanzer PUMA;

4. sämtliche Beschaffungs- und Entwicklungsvorhaben für militärische unbe-
mannte Flugsysteme (Drohnen) zu stoppen;

5. sich nicht mehr am Ausbau der Interventionskapazitäten von NATO und EU
zu beteiligen und im ersten Schritt die Beteiligung an der NATO Response
Force (NRF) sowie den European Battle Groups (EUBG) zu beenden und da-
rüber hinaus keine Einheiten mehr für die European Rapid Reaction Forces
(ERRF) zu stellen;

6. durch folgende Maßnahmen einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Abrüs-
tung zu leisten:
– Beendigung der technischen nuklearen Teilhabe Deutschlands durch die

Auflösung des Tornado-Geschwaders in Büchel. Die für die Modernisie-
rung der Atomwaffen und der Tornado-Trägerflugzeuge vorgesehenen
Mittel werden gestrichen. Ihre Lagerung in der Bundesrepublik ist zu be-
enden;

– Ratifizierung des A-KSE-Vertrages als Signal der Bereitschaft zur Ver-
trauensbildung an Russland und zur Fortführung einer umfassenden Ab-
rüstung konventioneller Waffen in Europa;

– Beendigung der von der Bundeswehr mitfinanzierten Rüstungsforschung
an Universitäten und Hochschulen;

7. Einsparungen im Einzelplan 14 für die Finanzierung von langfristigen Kon-
versionsprogrammen zu nutzen und zu gewährleisten, dass
– die betroffenen Kommunen bei der Entwicklung von Nachnutzungskon-

zepten der Bundeswehrstandorte u. a. durch einen Konversionsfonds un-
terstützt werden;

– der weitere Ausbau des Gefechtsübungszentrums zur urbanen Kriegsfüh-
rung in der Colbitz-Letzlinger Heide (GüZ) sofort gestoppt wird. Der im
Dialog zwischen Bevölkerung und Politik erreichte „Heide-Kompro-
miss“ ist strikt zu respektieren und ein tragfähiges ziviles Nutzungskon-
zept zu unterstützen;
Drucksache 18/1828 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– (ehemalige) Bundeswehrangehörige beim Wiedereinstieg ins Berufsle-
ben außerhalb der Bundeswehr finanziell und sozial unterstützt werden;

– weitere Einsparungen im Einzelplan 14 den Einzelplänen Entwicklungs-
zusammenarbeit, Bildung, Gesundheit und Soziales zur Verfügung ge-
stellt werden.

Berlin, den 23. Juni 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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