BT-Drucksache 18/1709

Erwerb von Kita-Belegrechten sowie Betrieb eigener Kinderbetreuungseinrichtungen durch die Bundeswehr

Vom 6. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1709
18. Wahlperiode 06.06.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Diana Golze, Christine Buchholz, Annette Groth,
Dr. Rosemarie Hein, Inge Höger, Cornelia Möhring, Dr. Alexander S. Neu,
Harald Petzold (Havelland), Kathrin Vogler, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Erwerb von Kita-Belegrechten sowie Betrieb eigener
Kinderbetreuungseinrichtungen durch die Bundeswehr

Die Bundeswehr versucht, sich durch eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie
und Dienst als attraktive Arbeitgeberin darzustellen. In der Zentralen Dienstvor-
schrift 10/1 heißt es dazu: „Die Vereinbarkeit von Familie und Dienst verbessert
die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte und die Attraktivität des militärischen Diens-
tes.“ Insbesondere der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Hellmut
Königshaus und die Bundesministerin der Verteidigung Dr. Ursula von der
Leyen haben dieses Thema immer wieder stark betont. Eine bedeutende Rolle
bei der Vereinbarkeit kommt der Kinderbetreuung zu. Im Mai dieses Jahres er-
öffnete die Bundesverteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen medien-
wirksam die erste Kinderkrippe der Bundeswehr in Neubiberberg (siehe z. B.
www.spiegel.de/politik/deutschland/von-der-leyen-eroeffnet-erste-kinderkrippe-
der-bundeswehr-a-968988.html).
Viele Kinderbetreuungsplätze kann die Bundeswehr durch den Aufkauf von so
genannten Belegrechten in Kinderbetreuungseinrichtungen ihren Angehörigen
zur Verfügung stellen. Dabei handelt es sich um Kita-Plätze, die „[g]egen Zah-
lung von Bundesfinanzhilfen an Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen
(Kommunen sowie freie Träger wie Kirchen und Wohlfahrtsverbände) zur Er-
richtung oder Erweiterung dieser Einrichtungen erworben [werden], mit der
Auflage, dass Kinder von Bw-Angehörigen – meist in einer zahlenmäßig festge-
legten Anzahl – in die Einrichtungen aufgenommen werden“ (siehe Allgemeiner
Umdruck 1/500 – Handbuch zur Vereinbarkeit von Familie und Dienst in den
Streitkräften (2010), Anlage 6/14).
Verwirrung besteht über die Anzahl der erworbenen und insgesamt bestehen-
den Belegrechte der Bundeswehr auf Betreuungsplätze in Kinderfördereinrich-
tungen. Auf der Seite des Kinderbetreuungsportals der Bundeswehr wird von
„fast 10 000 Belegrechten in Kindergärten in Deutschland“ gesprochen. Im
„Y – das Magazin der Bundeswehr“ ist dagegen von lediglich 231 Plätzen die
Rede (Ausgabe 05/2014). Der Wehrbeauftragte benennt in seinem Jahresbericht
von 2009 „über 9 000 bereits bestehende Belegrechte an 150 Standorten und
350 Betreuungseinrichtungen“, die aus Belegrechten der 60er- und 70er-Jahre
entstammen, „wieder entdeckt“ und durch die g.e.b.b. – Gesellschaft für Ent-
wicklung, Beschaffung und Betrieb mbH (die g.e.b.b. ist ein Unternehmen des
Bundesministeriums der Verteidigung) reaktiviert wurden.

Drucksache 18/1709 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Zudem wirft die Finanzierung dieser Belegrechte einige Fragen auf. In Erfurt
erwarb beispielsweise die Bundeswehr 2014 für zehn Jahre 20 Belegplätze bei
der am Südpark gelegenen Kita in Trägerschaft des Förderkreises JUL ge-
meinnützige GmbH für 100 000 Euro (siehe z. B. www.erfurt.de/ef/de/service/
aktuelles/am/2014/118825.html). In Westerstede sollen 2009 für 180 000 Euro
zwölf Belegplätze für eine Laufzeit von 30 Jahren bei der Kindertagesstätte an
der Jahnallee erworben worden sein. Daraus ergibt sich eine Summe von 500 Euro
pro Jahr und Platz (www.nwzonline.de/ammerland/wirtschaft/bundeswehr-sichert-
sich-belegungsrecht-fuer-neue-kita_a_1,0,3242947558.html). Verglichen mit den
tatsächlichen Kosten zur Bereitstellung und Vorhaltung eines Betreuungsplatzes
sichert sich die Bundeswehr kostengünstig einen privilegierten Zugriff auf die
meist knappen Betreuungs- und Frühförderressourcen in den Kommunen.
Seit August 2013 haben alle Kinder vom vollendeten ersten Lebensjahr an einen
Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Zu wenige Kita-Plätze, lange Warte-
listen, abgesenkte Qualitätsstandards und Personalengpässe sind nach wie vor
ein Problem. Es stellt sich deshalb die Frage, ob durch den Erwerb von Beleg-
rechten in großem Umfang eine Privilegierung für Soldatinnen und Soldaten zu
Lasten anderer Eltern geschaffen wurde. Es stellt sich aber auch die Frage, in-
wieweit eigene Kinderbetreuungseinrichtungen der Bundeswehr im Sinne der
zu betreuenden Kinder sind, da hier eine Abschottung vom zivilgesellschaft-
lichen Umfeld droht.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. An welchen Standorten wurden seitens des Bundesministeriums der Verteidi-

gung bzw. Einrichtungen der Bundeswehr Vereinbarungen mit Trägern von
Kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen, die zum Ziel haben, Kindern
von Bundeswehrangehörigen einen Betreuungsplatz mit Belegrechten zu
sichern (bitte detailliert nach Bundesländern, Kommunen, Betreuungsein-
richtung, vorgehaltenen und belegten Plätzen, Plätzen für Kinder unter und
über drei Jahren sowie Zeitpunkt des Erwerbes der Belegrechte, Kosten und
Laufzeit aufschlüsseln)?

2. An welchen Standorten planen das Bundesministerium der Verteidigung bzw.
Einrichtungen der Bundeswehr, weitere Belegrechte in Kinderbetreuungs-
einrichtungen anzukaufen (bitte detailliert nach Bundesländern, Kommunen,
Betreuungseinrichtung, vorgehaltenen Plätzen, Plätzen für Kinder unter und
über drei Jahren sowie Zeitpunkt des geplanten Erwerbes der Belegrechte,
Kosten und Laufzeit aufschlüsseln)?

3. An welchen Standorten führen das Bundesministerium der Verteidigung bzw.
Einrichtungen der Bundeswehr aktuell Gespräche/Verhandlungen mit dem
Ziel, weitere Belegrechte in Kinderbetreuungseinrichtungen anzukaufen
(bitte detailliert nach Bundesländern, Kommunen, Betreuungseinrichtung,
vorgehaltenen Plätzen, Plätzen für Kinder unter und über drei Jahren sowie
Zeitpunkt des geplanten Erwerbes der Belegrechte, Kosten und Laufzeit auf-
schlüsseln)?

4. Woran scheiterte der Kauf von Belegrechten in Kinderbetreuungseinrichtun-
gen am Bundeswehrkrankenhaus Ulm, und wer war der ausgestiegene poten-
tielle Vertragspartner (vgl. dazu u. a. www.bundeswehr-kinderbetreuung.de/
kp/2014-02-14-Kita-Koblenz)?

5. Wurden aus Mitteln des Sondervermögens für den Kita-Ausbau Einrichtun-
gen der Bundeswehr gefördert oder Belegrechte in Kinderbetreuungseinrich-
tungen angeschafft (bitte detailliert nach Bundesländern, Standorten, Kom-
munen sowie bei erworbenen Belegrechten nach vorgehaltenen und belegten
Plätzen sowie Zeitpunkt des Erwerbes der Belegrechte, Kosten und Laufzeit
aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1709
6. Wurden Gelder aus dem Bundeshaushalt dazu verwendet, um Belegrechte
in Kinderförderungseinrichtungen zu erwerben und wenn ja, aus welchem
Einzelposten, in welchem Umfang und auf welcher Rechtsgrundlage (bitte
detailliert seit dem Jahr 2000 aufschlüsseln)?
Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang das Koopera-
tionsverbot mit Ländern und Kommunen im Bereich des Kita-Ausbaus?

7. Wurden aus Mitteln des Programmes für den Ausbau der betrieblichen Kin-
derbetreuung Betreuungsplätze geschaffen bzw. Belegrechte in Kinder-
betreuungseinrichtungen für die Bundeswehr erworben (bitte detailliert
nach Bundesländern, Kommunen, Betreuungseinrichtung, geförderten Plät-
zen, Plätzen für Kinder unter und über drei Jahren und Höhe der Ausgaben
aufschlüsseln)?

8. Aus welchem Haushaltstitel stammen die aufgewendeten Mittel für den Er-
werb von Kita-Belegrechten in Erfurt und Westerstede, auf welcher Berech-
nungsgrundlage erfolgte die Kostenermittlung für den Kauf der Beleg-
rechte, und auf welcher Rechtsgrundlage wurden die Belegrechte erwor-
ben?

9. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgen die Verhandlungen für den Kauf von
Belegrechten, und wird die Höhe der Kostenerstattung ausgehandelt?

10. Existieren einheitliche Sätze zum Kauf von Belegrechten, und wenn ja, wie
viel darf ein Belegplatz kosten, und wenn nein, warum nicht?

11. Welche Kosten fallen für die Soldatinnen und Soldaten für einen Kitaplatz
an, die einen entsprechenden belegrechtlich gebundenen Platz für ihr Kind/
ihre Kinder in Anspruch nehmen?

12. Wie viele der Belegrechte wurden durch die g.e.b.b. bis heute „wieder-
belebt“?
Wie viele der Belegrechte aus den 60er- und 70er-Jahren konnten bis heute
noch nicht „wiederbelebt‘“ werden?
Wie erfolgte die „Wiederbelebung“ der Belegrechte durch die g.e.b.b.?
Welche Mittel wurden dafür aufgewendet und werden perspektivisch für die
„Wiederbelebung“ aufgewendet?

13. Wie begründet die Bundesregierung die Privilegierung von Kindern von
Bundeswehrangehörigen mittels Belegrechten gegenüber Kindern anderer
Staatsbediensteter bzw. anderer Eltern?

14. Führt nach Kenntnis der Bundesregierung die Anschaffung von Belegrech-
ten in bereits bestehenden Kindertagesstätten zu einer Verdrängung anderer
Kita-Kinder ohne Belegrechte z. B. von Kindertagesstätten im Stadtgebiet
in zentrumsferne Stadtteile, und wenn ja, wo?

15. Betreibt die Bundeswehr eigene Kindertagesstätten, und wenn ja, sind diese
lediglich für Kinder von Bundeswehrangehörigen offen (bitte nach Stand-
orten, Plätzen für Kinder unter und über drei Jahren und ggf. Plätzen, die
von Nichtbundeswehrangehörigen belegt werden sowie Standort der Be-
treuungseinrichtungen innerhalb oder außerhalb vom Kasernengelände,
Rechtsform und Anbindung an Jugendamtsstrukturen bezüglich Qualität
und Betriebserlaubnis aufschlüsseln)?

16. Ist die Bundeswehr Trägerin aber nicht Betreiberin eigener Kindertagesstät-
ten, sondern lässt sie diese durch einen anderen Träger betreiben, und wenn
ja, handelt es sich dabei um Träger der Kinder- und Jugendhilfe und sind
diese Einrichtungen lediglich für Kinder von Bundeswehrangehörigen offen
(bitte nach Standorten, Plätzen für Kinder unter und über drei Jahren und
ggf. Plätzen, die von Nichtbundeswehrangehörigen belegt werden sowie

Drucksache 18/1709 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Standort der Betreuungseinrichtungen innerhalb oder außerhalb vom Ka-
sernengelände, Rechtsform und Anbindung an Jugendamtsstrukturen be-
züglich Qualität und Betriebserlaubnis aufschlüsseln)?

17. Betreibt die g.e.b.b. eigene Kindertagesstätten, und wenn ja, sind diese le-
diglich für Kinder von Bundeswehrangehörigen bzw. Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern der g.e.b.b. offen (bitte nach Standorten, Plätzen für Kinder un-
ter und über drei Jahren und ggf. Plätzen, die von Nichtbundeswehrangehö-
rigen bzw. Nichtmitarbeiterinnen und Nichtmitarbeitern der g.e.b.b. belegt
werden, aufschlüsseln)?

18. Hält die Bundesregierung es für das Wohl und die Entwicklung des Kindes
für förderlich, wenn Betreuungseinrichtungen ausschließlich bzw. überwie-
gend Kinder von Bundeswehrangehörigen bzw. deren Mitarbeitern/Mit-
arbeiterinnen betreuen?

19. An welchen lokalen Bündnissen für Familie ist die Bundeswehr beteiligt
bzw. war die Bundeswehr beteiligt?
Welche Aufgaben nimmt die Bundeswehr in diesen lokalen Bündnissen
wahr (bitte nach Ort, Personalumfang, Aufgaben aufschlüsseln und ange-
ben, seit wann, bzw. wenn nicht mehr, warum nicht)?

Berlin, den 4. Juni 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.