BT-Drucksache 18/1661

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/1308, 18/1577, 18/1649 - Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto

Vom 4. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1661
18. Wahlperiode 04.06.2014

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Azize Tank, Ulla Jelpke, Matthias W. Birkwald,
Sabine Zimmermann (Zwickau), Katja Kipping, Kathrin Vogler,
Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Pia Zimmermann und
der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/1308, 18/1577, 18/1649 –

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur
Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände-
rung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem
Ghetto (Bundestagsdrucksache 18/1308) ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, um
den berechtigten Interessen der ehemaligen Ghettobeschäftigten an einer angemes-
senen Würdigung ihrer Ghettoarbeit in der gesetzlichen Rente Rechnung zu tragen.
Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen kommen
den Erwartungen der betroffenen Ghetto-Arbeiterinnen und -Arbeiter entgegen, die
eine Begrenzung der rückwirkenden Zahlung der Ghetto-Renten gemäß der im
Sozialrecht geltenden vierjährigen Rückwirkungsfrist (§ 44 des Zehnten Buches
Sozialgesetzbuch – SGB X) als offensichtlich unbefriedigenden Zustand empfun-
den haben. Dank der neuen Regelung werden ehemalige Ghetto-Beschäftigte durch
den Wegfall der Leistungsausschlussfrist von vier Jahren sowie des Stichtages für
die Antragstellung ihre Renten in Zukunft rückwirkend ab Juli 1997 erhalten kön-
nen.
Nach wie vor kommen jedoch die ehemaligen Ghetto-Arbeiterinnen und -Arbeiter
mit Wohnsitz in Polen nicht in den Genuss einer Ghetto-Rente gemäß den Be-
stimmungen des im Jahr 2002 beschlossenen Gesetzes zur Zahlbarmachung von
Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG), da sie von dessen Anwen-
dungsbereich ausgeschlossen sind (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 10.
Juli 2012, Az. B 13 R 17/11 R).
Nach Ansicht der Bundesregierung steht „Einer Zahlung von Renten nach dem
ZRBG an in Polen lebende ehemalige Ghettobeschäftigte (…) das am 9. Oktober
1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen ab-

Drucksache 18/1661 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

geschlossene Abkommen über Renten- und Unfallversicherung entgegen.“ (vgl.
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Zahlbarmachung von Ghet-
to-Renten an jüdische Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer sowie
Jüdinnen und Juden mit Wohnsitz in Polen“ (Bundestagsdrucksache 18/1279)).
Die bislang von der Zahlbarmachung ausgeschlossenen Personen mit Wohnsitz in
Polen erfüllen dabei jedoch alle Kriterien für die Zahlbarmachung einer Ghetto-
Rente nach dem ZRBG und werden somit gegenüber ehemaligen Ghetto-
Arbeiterinnen und -Arbeitern mit Wohnsitz außerhalb der Republik Polen ungleich
behandelt.
Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung erste Gespräche mit
der Republik Polen aufgenommen hat, um „Renten mit Zeiten nach dem ZRBG
abweichend von den gegenwärtigen Regelungen des Abkommensrechts an in Polen
lebende ehemalige Ghettobeschäftigte zu zahlen.“ (vgl. Bundestagsdrucksache
18/1279).

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sicherzustellen, dass alle ehemaligen Ghetto-Insassen, die die Kriterien des im Jahr
2002 beschlossenen Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigun-
gen in einem Ghetto (ZRBG) erfüllen, ihre Ansprüche auf Auszahlung einer Ghet-
to-Rente nach dem ZRBG geltend machen können, unabhängig davon, in welchem
Staat sie heute ihren Wohnsitz haben.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

mit der Republik Polen schnellstmöglich einen Vorschlag zur Behebung der beste-
henden Ungleichbehandlung von ehemaligen Ghetto-Arbeiterinnen und -Arbeitern
aufgrund ihres Wohnsitzes zu vereinbaren.

Berlin, den 27. Mai 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Ehemalige Ghetto-Arbeiterinnen und -Arbeiter mit Wohnsitz in Polen, welche die Kriterien für die Zahlbar-
machung einer Ghetto-Rente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in ei-
nem Ghetto (ZRBG) erfüllen, sind nach Ansicht der Bundesregierung aufgrund des polnisch-deutschen So-
zialversicherungsabkommens vom 9. Oktober 1975 von der Zahlbarmachung der Ghetto-Renten ausge-
schlossen. Die Bundesregierung hat in der Antwort auf die Kleine Anfrage „Zahlbarmachung von Ghetto-
Renten an jüdische Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer sowie Jüdinnen und Juden mit
Wohnsitz in Polen“ (Bundestagsdrucksache 18/1279) ausgeführt, dass „Die von Deutschland abgeschlosse-
nen Sozialversicherungsabkommen unter das zwischenstaatliche Recht [fallen]. Durch die Transformation in
das nationale Recht (Artikel 59 des Grundgesetzes) sind diese zwar zu einfach gesetzlichem Bundesrecht
geworden, gehen diesem aber nach § 110 Absatz 3 SGB VI als speziellere Regelungen vor. Die Änderung
eines solchen Abkommens kann nicht einseitig im Wege innerstaatlicher Gesetzgebung, sondern nur gemein-
sam mit dem jeweiligen anderen Vertragsstaat erfolgen.“

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1661

Zugleich bekräftigte die Bundesregierung in der Antwort auf die Mündliche Frage für die Fragestunde der
32. Sitzung des Deutschen Bundestages am 7. Mai 2014 vor dem Hintergrund der polnisch-deutschen Ge-
spräche in Warschau am 30. April 2014 betreffend Ghetto-Renten (Bundestagsdrucksache 18/1293), dass das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 30. April 2014 mit dem polnischen Arbeits- und
Sozialministerium in Warschau erste Gespräche geführt hat, „um auszuloten, ob und gegebenenfalls welche
Möglichkeiten bestehen, Renten mit Zeiten nach dem ZRBG abweichend von den gegenwärtigen Regelungen
des Abkommensrechts an in Polen lebende ehemalige Ghettobeschäftigte zu zahlen.“ Es wurde vereinbart,
die Gespräche fortzusetzen.
Der Entschließungsantrag fordert die Bundesregierung auf, zügig eine Klarstellung dahingehend zu erwirken,
dass alle ehemaligen Ghetto-Arbeiterinnen und -Arbeiter, die die Kriterien des im Jahr 2002 beschlossenen
Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) erfüllen, ihre An-
sprüche auf Auszahlung einer Ghetto-Rente nach dem ZRBG geltend machen können, unabhängig davon, in
welchem Staat sie heute ihren Wohnsitz haben.
Durch eine Regelung dahingehend wird die bisherige Ungleichbehandlung ehemaliger Ghetto-Arbeiterinnen
und -Arbeiter aufgrund ihres Wohnsitzes aufgehoben und die Zahlbarmachung einer vollen Ghetto-Rente an
Betroffene gewährleistet.

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