BT-Drucksache 18/1617

Bundestagsmehrheit nutzen - Pille danach jetzt aus der Rezeptpflicht entlassen

Vom 4. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1617
18. Wahlperiode 04.06.2014

Antrag
der Abgeordneten Cornelia Möhring, Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann
(Zwickau), Diana Golze, Matthias W. Birkwald, Dr. Rosemarie Hein, Sigrid
Hupach, Katja Kipping, Azize Tank, Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Jörn
Wunderlich, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Bundestagsmehrheit nutzen – Pille danach jetzt aus der Rezeptpflicht
entlassen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In der weit überwiegenden Anzahl der europäischen Länder kann die „Pille da-
nach“ auf Basis des Wirkstoffs Levonorgestrel rezeptfrei und komplikationslos in
Apotheken gekauft werden. Im Gegensatz zu den Nachbarländern ist der Zugang
zu diesem Medikament in der Bundesrepublik Deutschland an eine ärztliche Ver-
schreibung gebunden. Für die betroffenen Frauen führt dies zu einer höchst unbe-
friedigenden Situation, für die es keine tragfähige Begründung gibt und die deshalb
dringend änderungsbedürftig ist.

Die „Pille danach“ auf der Basis von Levonorgestrel wird als Notfallkontra-
zeptivum in solchen Fällen angewandt, in denen eine andere Verhütungsmethode
im Ausnahmefall nicht zur Anwendung kam oder eine geplante Verhütung fehlge-
schlagen ist und eine Schwangerschaft vermieden werden soll. Das Medikament
wirkt umso verlässlicher, je früher es nach dem Geschlechtsverkehr zur Anwen-
dung kommt. Dies wird dadurch beeinträchtigt, dass gerade nachts oder am Wo-
chenende erst ärztliche Notfalldienste mit entsprechenden Wartezeiten aufgesucht
werden müssen, um das Rezept zu erhalten.

Die Weltgesundheitsorganisation nahm bereits 2010 eine Bewertung der „Pille
danach“ auf Levonorgestrelbasis vor und kam zu dem Schluss, dass die An-
wendung der Methode einfach und eine ärztliche Betreuung für eine korrekte An-
wendung nicht erforderlich sei. Zudem zeige eine evidenzbasierte Bewertung, dass
diese Nachverhütungsmethode sehr sicher sei und nicht abortiv oder schädigend
auf eine bereits bestehende Schwangerschaft wirke. Nebenwirkungen seien selten
und verliefen in der Regel mild.

Diese Einschätzung deckt sich mit der Bewertung des Sachverständigen-
ausschusses für Verschreibungspflicht beim Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM), der im Rahmen der 71. Sitzung am 14. Januar 2014
empfohlen hat, Levonorgestrel aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Dies
wurde unter anderem damit begründet, dass entsprechende Recherchen in den vor-
liegenden klinischen Studien sowie der Datenbank des BfArM ergeben hätten, dass
keine ursächlich auf Levonorgestrel zurückzuführenden schweren Nebenwirkun-

Drucksache 18/1617 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

gen berichtet worden seien. Alle Anwendungserfahrungen seien in Übereinstim-
mung mit den Ergebnissen der vorgestellten Daten zu Levonorgestrel positiv.

Die Abgabe der „Pille danach“ in Apotheken ohne ärztliche Verschreibung sollte
daher auch in der Bundesrepublik Deutschland einen niedrigschwelligen und
schnellen Zugang zur Verhinderung einer ungewollten Schwangerschaft ermögli-
chen. Dies entspricht auch den Regelungen anderer Länder im Umgang mit Not-
fallkontrazeptiva. So steht unter anderem in Belgien, Dänemark, Frankreich, Groß-
britannien, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Schweden, der
Schweiz und Spanien Frauen die „Pille danach“ ohne eine Verschreibungspflicht
zur Verfügung. Die Europäische Arzneimittelagentur (European Medicines Agen-
cy – EMA) prüft derzeit sogar einen Antrag auf Entlassung aus der Verschrei-
bungspflicht für ein weiteres Notfallkontrazeptivum mit dem Wirkstoff
Ulipristalacetat, obgleich in Bezug auf diesen Wirkstoff deutlich weniger Erfah-
rungen zu Risiken und Nebenwirkungen vorliegen.

Die Erfahrungen der Nachbarländer mit Notfallkontrazeptiva auf Levonor-
gestrelbasis haben gezeigt, dass eine ärztliche Betreuung nicht erforderlich ist.
Sowohl von Anwenderinnen als auch von der Apothekerschaft wird der rezeptfreie
Verkauf positiv bewertet. In mehreren Studien wurden eine Zunahme der Verwen-
dung von regulären Verhütungsmitteln und eine damit einhergehende bessere Fa-
milienplanung nachgewiesen. Studien belegen auch, dass Schwangerschaftsabbrü-
che in den Ländern, in denen die „Pille danach“ rezeptfrei erworben werden kann,
gesunken sind. Auch hat die Rezeptfreiheit in diesen Ländern nicht zu einer Zu-
nahme von riskantem Sexualverhalten geführt.

Bei einer entsprechenden Abgaberegelung in der Bundesrepublik Deutschland
würde die Beratungskompetenz der Apotheken stärker in den Vordergrund gerückt
werden, da diese auf der Grundlage der Apothekenpflicht über Risiken, Nebenwir-
kungen und die korrekte Einnahme sachgerecht zu informieren haben. Als Aus-
übende eines naturwissenschaftlich geprägten Heilberufs sind Apothekerinnen und
Apotheker hierzu bestens qualifiziert. Sie sind nicht nur in der Lage, eine sichere
Abgabe der Notfallkontrazeptiva zu gewährleisten, sondern aufgrund ihrer Bera-
tungskompetenz geradezu prädestiniert, die für die Anwendung notwendigen Sach-
informationen adressaten- und situationsgerecht zu vermitteln.

Die Entlassung der Notfallkontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel aus der
Verschreibungspflicht wird seit vielen Jahren aus guten Gründen gefordert. Ein
schneller Zugang zu diesem Präparat trägt dazu bei, ungewollte Schwangerschaften
sowie Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden. Die derzeitige Verschreibungs-
pflicht ist aus gesundheitspolitischer Sicht nicht zu begründen und sollte aufgeho-
ben werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

der Forderung des Bundesrates zu entsprechen und Notfallkontrazeptiva mit dem
Wirkstoff Levonorgestrel schnellstmöglich aus der Verschreibungspflicht zu ent-
lassen.

Berlin, den 3. Juni 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1617

Begründung

Bereits am 5. Juli 2013 hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, bei der nächsten Änderung der
Arzneimittelverschreibungsverordnung die Aufhebung der Verschreibungspflicht für den Wirkstoff
Levonorgestrel zur Notfallkontrazeption vorzusehen (Bundesratsdrucksache 555/13). Dieses Anliegen wurde
mit dem Beschluss zur Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung und der Ver-
ordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel am 8. November 2013 sowie am 23. Mai
2014 bekräftigt (Bundesratsdrucksachen 705/13 sowie 169/14). Der vorliegende Antrag enthält den Be-
schluss des Bundesrates vom 23. Mai 2014.

In den Jahren 2012 bis 2014 legten die Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Anträge mit dem gleichen Ziel im Bundestag vor. Die Bundesregierung hat eine eigene Initiative zur Verord-
nungsänderung noch am 29. August 2012 mit Verweis der fehlenden Bundesratsmehrheit verweigert (vgl. die
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., Bundestagsdrucksache
17/10557). Die seit 2013 bestehende Mehrheitssituation im Bundesrat macht dieses Argument jedoch obsolet.
Sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat stellen Fraktionen bzw. Länder, die die Rezeptfreiheit von Not-
fallkontrazeptiva mit Levonorgestrel befürworten, die Mehrheit.

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