BT-Drucksache 18/1466

Transporte und Lagerung von Uranhexafluorid und Uranoxid im Zusammenhang mit der Urananreicherung in Gronau

Vom 19. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1466
18. Wahlperiode 19.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Matthias W. Birkwald, Eva Bulling-Schröter,
Andrej Hunko, Kerstin Kassner, Ralph Lenkert, Dr. Alexander S. Neu,
Kathrin Vogler, Dr. Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Transporte und Lagerung von Uranhexafluorid und Uranoxid im Zusammenhang
mit der Urananreicherung in Gronau

In Gronau betreibt der internationale Urananreicherer URENCO die bundesweit
einzige Urananreicherungsanlage. Die genehmigte Kapazität liegt bei 4 500 Ton-
nen Urantrennarbeit pro Jahr. Obwohl die Bundesregierung im Jahr 2011 als
Konsequenz aus der Reaktorkatastrophe von Fukushima für Deutschland einen
Atomausstieg bis zum Jahr 2022 beschlossen hat, soll die Urananreicherungs-
anlage Gronau nach dem bisherigen Willen der Bundesregierung unbefristet
weiterlaufen. So kann in Gronau angereichertes Uran zur Brennelementeferti-
gung für rund jedes zehnte Atomkraftwerk (AKW) weltweit hergestellt und rund
um den Globus exportiert werden.
Für den Betrieb der Urananreicherungsanlage ist der Einsatz von Natururan in
Form von Uranhexafluorid (UF6) erforderlich, das per Bahn und Lkw zur Uran-
anreicherungsanlage Gronau transportiert wird. Das Natururan stammt aus
unterschiedlichsten Ländern rund um den Globus. Es wird u. a. im südfran-
zösischen Pierrelatte in Uranhexafluorid umgewandelt.
Durch den Betrieb entsteht in der Urananreicherungsanlage Gronau angerei-
chertes Uran, das von Gronau zur Brennelementefertigung transportiert wird.
Eine solche Brennelementefabrik – von AREVA betrieben und ebenfalls ohne
jegliche Laufzeitbegrenzung – befindet sich z. B. im emsländischen Lingen. Ein
Großteil des in Gronau angereicherten Urans wird jedoch direkt ins Ausland ex-
portiert.
Als Abfallprodukt fallen in Gronau große Mengen abgereichertes Uranhexa-
fluorid als Uranmüll an. Dieses wird zunächst in einem Freilager unter offenem
Himmel direkt an der Urananreicherungsanlage gelagert. In den letzten Jahren
wurde eine sogenannte Dekonversion des UF6 in Uranoxid (U308) angestrebt,
nachdem der Export des Gronauer Uranmülls nach Russland, aufgrund starker
Proteste russischer, deutscher und niederländischer Umweltschützerinnen und
Umweltschützer, im Jahr 2009 eingestellt wurde.
Die „Dekonversion“ findet derzeit im südfranzösischen Pierrelatte statt,
URENCO baut jedoch eine eigene Dekonversionsanlage im britischen Capen-
hurst, die nach Angaben von URENCO und der Bundesregierung Ende des Jah-
res 2015 in Betrieb gehen soll (vgl. URENCO-Geschäftsbericht 2013 sowie
Bundestagsdrucksache 17/12943).
Auf dem Gelände der Urananreicherungsanlage Gronau wurde im Jahr 2005 der
Bau eines Uranoxid-Zwischenlagers für rund 60 000 Tonnen Uranoxid geneh-

Drucksache 18/1466 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
migt. Nach Mitteilung der Bundesregierung soll dieses Zwischenlager noch im
Jahr 2014 in Betrieb gehen, sodass weitere Atomtransporte von Frankreich nach
Gronau anfallen würden (vgl. z. B. Bundestagsdrucksache 17/14341). Für
„Mitte des Jahres“ sei vorab eine „Bauzustandsbesichtigung“ der Zwischen-
lagerhalle in Gronau geplant (vgl. Bundestagsdrucksache 18/1267).
Laut Bundesregierung reicht das Gronauer Uranoxid-Zwischenlager nur für
zehn Betriebsjahre (vgl. Bundestagsdrucksache 17/13598), sodass bei vollem
Weiterbetrieb der Urananreicherungsanlage Gronau bereits in wenigen Jahren
mit dem Bau einer zweiten Zwischenlagerhalle begonnen werden müsste. Nach
Angaben der Bundesregierung lagerten in Gronau Ende des Jahres 2012 bereits
6 700 Tonnen Uranhexafluorid unter freiem Himmel (vgl. Bundestagsdruck-
sache 17/12943), in Pierrelatte warteten 12 700 Tonnen abgereichertes UF6 aus
Gronau auf die „Dekonversion“ (vgl. Bundestagsdrucksache 17/13598). Laut
Bundesregierung ist bereits ab diesem Jahr mit ersten Rücktransporten von
U308 von Pierrelatte nach Gronau zu rechnen.
Sämtliche Atomtransporte werden der Öffentlichkeit gegenüber geheim gehal-
ten, obwohl sie ein erhebliches Gefahrenpotenzial darstellen. Der Brand der
„Atlantic Cartier“ am 1. Mai 2013 im Hamburger Hafen hat dieses Gefahrenpo-
tenzial noch einmal drastisch vor Augen geführt. Nur mit großer Mühe konnten
die Uranfässer an Bord vor dem Brand gesichert werden.
Völlig ungeklärt ist die sichere Endlagerung des Uranmülls. Laut Bundesregie-
rung und der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gilt Uranmüll nicht als
„Konrad-gängig“ und kommt für eine Endlagerung zusammen mit anderem
nicht wärmeentwickelndem Atommüll aus „wasserrechtlichen Gründen“ nicht
infrage (vgl. z. B. Bundestagsdrucksachen 17/6954, 17/7777, 17/13598 sowie
NRW-Landtagsdrucksache 15/3712). Stattdessen sei ggf. eine Lagerung zusam-
men mit den abgebrannten hochradioaktiven Brennelementen denkbar (vgl.
Bundestagsdrucksache 17/14668). Im Jahr 2007 hatte die Bundesregierung fest-
gehalten, dass die Entsorgung des Gronauer Uranmülls in den Zuständigkeits-
bereich des Bundes fällt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/5381).
Konkrete Vorbereitungen der Bundesregierung zur Endlagersuche für den
Gronauer Uranmüll sind jedoch trotz der riesigen Mengen nicht festzustellen. Im
Jahr 2011 hatte die Bundesregierung mitgeteilt, dass das Bundesamt für Strah-
lenschutz von einem Nettovolumen von bis zu 100 000 m³ abgereichertem Uran
zur Endlagerung ausgeht (vgl. Bundestagsdrucksache 17/6954). Volumenmäßig
übertrifft die Menge an Uranmüll damit das erforderliche Volumen für abge-
brannte Brennelemente um ein Vielfaches. Dennoch soll sich nach bisherigem
Kenntnisstand die von der Bundesregierung gewünschte Atommüll-Endlager-
Kommission nicht mit dem abgereicherten Uranmüll aus Gronau beschäftigen.
Nach Medieninformationen soll jedoch der aktive URENCO-Vorstand („Deputy
Chairman“) von URENCO, Prof. Dr. Gerd Jäger, in die Atommüll-Endlager-
Kommission berufen werden (vgl. Süddeutsche Zeitung, 10. März 2014).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hat sich der Anteil der einzelnen Uranförderländer bzw. Minen an der

Uranversorgung der Bundesrepublik Deutschland seit dem Jahr 2007 entwi-
ckelt (bitte jeweils nach Jahr, Uranförderland, Uranminen, Betreiber der
Uranminen, Mengenangaben je Land und Uranmine und Prozentsatz je Land
aufschlüsseln)?

2. Wie hat sich der Anteil der einzelnen Uranförderländer bzw. Minen bei der
Versorgung der Urananreicherungsanlage Gronau mit Natururan seit dem
Jahr 2007 entwickelt (bitte jeweils nach Jahr, Uranförderland, Uranmine,
Mengenangaben je Land und Uranmine und Prozentsatz je Land aufschlüs-
seln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1466
3. Wo genau wird das in Gronau zur Urananreicherung verwandte Natururan
seit dem Jahr 2007 in Uranhexafluorid umgewandelt (bitte jeweils nach
Jahr, Konversionsanlage, Betreiber der Konversionsanlage, Land, Menge in
Tonnen und Prozentsatz aufschlüsseln)?

4. Wie viel und welche aus Natururan zur Kernbrennstoffversorgung herge-
stellten Zwischenprodukte wurden seit dem Jahr 2007 in die Bundesrepub-
lik Deutschland importiert (bitte entsprechend der Tabelle in der Antwort zu
Frage 2 auf Bundestagsdrucksache 16/5381 sowie der Antwort zu Frage 2
auf Bundestagsdrucksache 14/6692 aufschlüsseln)?

5. In welche Länder (inkl. Zielort und -anlage) wurde abgereichertes UF6
seit dem Jahr 2007 aus Deutschland mit welchem Abreicherungsgrad ex-
portiert, und um welche Mengen handelt es sich (bitte entsprechend in der
Antwort zu Frage 3 auf Bundestagsdrucksache 16/5381 sowie der Antwort
zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 14/6692 aufschlüsseln)?

6. Aus welchen Ländern wurde seit dem Jahr 2007 wiederangereichertes
Uranhexafluorid nach Deutschland importiert (bitte nach Jahr, Land, Her-
kunftsort, Zielort, Importeur und Menge aufschlüsseln)?

7. Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung nach dem Brand der
Atlantic Cartier für die Durchführung und Sicherheit von UF6-Transporten
im Speziellen und von Atomtransporten im Allgemeinen gezogen?

8. Plant die Bundesregierung die Einführung eines bundesweiten Gefahrgut-
informationssystems für Atomtransporte nach dem Vorbild der Arrange-
ments im Hamburger Hafen?

9. Wie viel Uranhexafluorid lagert derzeit auf dem Gelände der Urananreiche-
rungsanlage Gronau (bitte nach Natururan – Feed –, angereichertem Uran-
hexafluorid – Product – und abgereichertem Uranhexafluorid – Tails – auf-
schlüsseln)?

10. Wie viel abgereichertes Uranhexafluorid aus Gronau lagert derzeit im Aus-
land (bitte nach genauem Lagerort, Land, Lagerzweck und jeweiliger Men-
genangabe aufschlüsseln)?

11. Wie viel abgereichertes Uranhexafluorid aus Gronau wurde in der Dekon-
versionsanlage Pierrelatte bereits in Uranoxid umgewandelt?

12. Wie viele Tonnen U308 lassen sich durch die Dekonversion aus 1 Tonne
UF6 gewinnen?
Welche Nebenprodukte entstehen dabei in welcher Menge?

13. Wann genau ist mit der von der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache
18/1267 erwähnten „Bauzustandsbesichtigung“ für das neue Uranoxidlager
an der Urananreicherungsanlage Gronau zu rechnen?

14. Was wird bei der „Bauzustandsbesichtigung“ genau von welchen Behörden
und Ministerien überprüft?

15. Welche Behörden von Bund oder Land sind für die Bearbeitung des noch
ausstehenden Antrags der URENCO auf Inbetriebnahme des Uranoxid-
lagers in Gronau zuständig bzw. daran beteiligt?

16. In welcher Weise werden bei der Prüfung des URENCO-Antrags auch die
Fragen der Sicherung der unverbunkerten Zwischenlagers gegen Flugzeug-
abstürze oder eine zeitliche Begrenzung der Einlagerung von Uranoxid eine
Rolle spielen?

17. Wann ist mit dem ersten Transport von Uranoxid von Pierrelatte nach Gro-
nau zu rechnen?

Drucksache 18/1466 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
18. Gab es bereits (Vor-)Anfragen seitens der URENCO oder der nordrhein-
westfälischen Landesregierung oder anderer Verfahrensbeteiligter an die
Bundesregierung oder an Bundesbehörden (z. B. Bundesamt für Strahlen-
schutz), die sich mit dem möglichen Bau einer zweiten Zwischenlagerhalle
für Uranoxid in Gronau beschäftigten (falls ja, bitte nach Anfragendem, Da-
tum, Zweck der Anfrage und Ergebnis der Anfrage aufschlüsseln)?

19. Mit welchen Mengen von abgereichertem Uran (in Tonnen und Kubik-
metern) rechnet die Bundesregierung derzeit konkret für die spätere End-
lagerung des abgereicherten Urans aus Gronau?

20. Wie viel Tonnen abgereichertes UF6 enstehen bei Volllastbetrieb der Uran-
anreicherungsanlage Gronau bis zu den Jahren 2020, 2030, 2040, 2050?
Was würde dies mengen- und volumenmäßig nach erfolgter „Dekonver-
sion“ in U308 bedeuten (in unkonditioniertem Zustand)?

21. Gibt es bereits Konditionierungsmöglichkeiten für abgereichertes UF6 und/
oder U308?
Wenn ja, wie siehen diese aus, und wo werden sie angewandt?

22. Auf welche Weise spielt der Uranmüll aus Gronau bei der derzeitigen End-
lagersuche der Bundesregierung eine Rolle?

23. Wie konkret verfolgt die Bundesregierung das Ziel, das abgereicherte Uran
aus Gronau zusammen mit den abgebrannten Brennelementen endzulagern?

24. Was würde eine solche gemeinsame Endlagerung volumenmäßig für die
Größe des zu suchenden Endlagers für abgebrannte Brennelemente bedeu-
ten?

25. Auf welche Weise wird sich die von der Bundesregierung anvisierte „End-
lagerkommission“ mit der sicheren Endlagerung des abgereicherten Urans
aus Gronau beschäftigen, da dies ja unmittelbare Auswirkungen auf die
Größe des zu suchenden Endlagers für abgebrannte Brennelemente hat?

26. Ist für die Bundesregierung – z. B. aus Kapazitätsgründen bei einem einzi-
gen Endlager für abgebrannte Brennelemente sowie U308 – auch der Bau
eines eigenen Endlagers nur für das abgereicherte Uran aus Gronau denk-
bar?

27. Bis wann muss aus Sicht der Bundesregierung eine Entscheidung über die
Endlagerungsweise und den Endlagerort des abgereicherten Urans aus Gro-
nau fallen, um eine angemessene Vorlaufzeit beim Bau des notwendigen
Endlagers zu ermöglichen?

28. In welcher Höhe hat die URENCO derzeit Rückstellungen für die schadlose
Entsorgung des eigenen Atommülls getroffen?

29. Welche Interessenkonflikte könnten sich aus der Berufung von Herrn Prof.
Dr. Gerd Jäger in der Atommüll-Endlager-Kommission ergeben, wenn es
z. B. um die Frage der Endlagerung des Gronauer Uranmülls geht?

30. Befürwortet die Bundesregierung, dass aktive Atommanager in die Atom-
müll-Endlager-Kommission berufen werden?

Berlin, den 19. Mai 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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