BT-Drucksache 18/1444

Hartz-IV-Verwaltungspraxis - Vorschläge zur sogenannten Rechtsvereinfachung

Vom 15. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1444
18. Wahlperiode 15.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Matthias W. Birkwald, Azize Tank, Kathrin Vogler, Harald Weinberg
und der Fraktion DIE LINKE.

Hartz-IV-Verwaltungspraxis – Vorschläge zur sogenannten Rechtsvereinfachung

Seit Juni 2013 arbeitet eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe an Vorschlägen zu
einer Rechtsvereinfachung bei Hartz IV. Der Begriff der Rechtsvereinfachung
suggeriert, dass die Anwendung und Lesbarkeit der Regelungen des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) einfacher, übersichtlicher und verständlicher
werden. Inwieweit die zwischenzeitlich in einigen Zeitungen publik gewor-
denen Vorschläge von der Bundesregierung aufgegriffen werden, ist noch nicht
entschieden. Bislang weigert sich die Bundesregierung, zu einzelnen Vorschlä-
gen inhaltlich Stellung zu beziehen. Die Bundesregierung gibt auch keine Aus-
künfte über den aktuellen Stand der Beratungen und evtl. vorgelegte eigene Vor-
schläge.
Gleichwohl wird die Bundesregierung keine Auskunft zu einigen ausgewählten
Bereichen der bisherigen SGB-II-Verwaltungspraxis verweigern können. Von
exemplarischem Interesse sind hier zunächst Fragen zum Mehrbedarfszuschlag
für alleinerziehende Mütter, zu automatisierten Datenabgleichen, zu Selbst-
ständigen im Hartz-IV-Leistungsbezug sowie zu temporären Bedarfsgemein-
schaften.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie ist der Verfahrensstand bei der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Rechts-

vereinfachung im SGB II?
2. Wie viele Treffen haben zu welchen Themenfeldern bislang stattgefunden?
3. Aus welchen Gründen ist die Expertise von Erwerbslosen und Gewerkschaf-

ten nicht in die Beratungen einbezogen worden?
4. Wie viele Treffen sind derzeit noch zu welchen Themenfeldern geplant?
5. Für welchen Termin ist die Vorlage eines Abschlussberichts vorgesehen?
6. Wann wird die Bundesregierung das Parlament über die Beratungen und das

Ergebnis der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Rechtsvereinfachung“ informie-
ren?

7. Wann wird die Bundesregierung inhaltlich Stellung beziehen zu den Vor-
schlägen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe?

8. Wann sollen mögliche Gesetzesänderungen bei Hartz IV in Kraft treten?

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9. Mit welcher Begründung verweigert die Bundesregierung bislang Infor-
mationen zu konkret vorgelegten Vorschlägen und deren Bewertung im
Rahmen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe – insbesondere nach Vorlage des
Zwischenberichts vom 4. September 2013 für die Arbeits- und Sozialminis-
terkonferenz (ASMK)?

10. Wie viele Alleinerziehende beziehen Leistungen nach dem SGB II (bitte
jährliche Durchschnittsdaten seit dem Jahr 2005 und differenziert nach
Frauen und Männern)?

11. Wie hoch ist der Anteil der Alleinerziehenden, die SGB-II-Leistungen be-
ziehen, an allen Alleinerziehenden (SGB-II-Quote, jährlicher Durchschnitt
seit dem Jahr 2005)?

12. Wie viele Alleinerziehende im SGB-II-Leistungsbezug sind statistisch je-
weils arbeitslos, erwerbstätig, in einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme
oder stehen wegen der Erziehung eines Kindes bis drei Jahre oder der Pflege
einer bzw. eines Angehörigen (nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 und 4 SGB II)
dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung (soweit verfügbar bitte jeweilige Da-
ten seit dem Jahr 2005)?

13. Welche Gründe sind nach Auffassung der Bundesregierung für die ver-
gleichsweise hohe Hartz-IV-Bedürftigkeit von Alleinerziehenden verant-
wortlich?

14. Hält die Bundesregierung die vom Gesetzgeber für die Einführung eines
Mehrbedarfszuschlags für Alleinerziehende gegebene Begründung für wei-
terhin gültig, und wie bewertet die Bundesregierung heute die Mehrbedarfs-
zuschläge für Alleinerziehende?

15. Welche Regeln gelten derzeit für die Berechnung des Mehrbedarfszuschlags
für Alleinerziehende?
Betrachtet die Bundesregierung die verwaltungstechnische Ermittlung und
Abwicklung des Mehrbedarfszuschlags für eine Bedarfsgemeinschaft als
einen administrativ aufwändigen Vorgang?

16. Wie hoch ist der Mehrbedarfszuschlag in Euro pro Monat für eine allein-
erziehende Person mit ein, zwei oder drei Kindern in der Bedarfsgemein-
schaft?

17. Wie viele Alleinerziehenden-Bedarfsgemeinschaften haben ein, zwei oder
drei Kinder (jährliche Daten, wenn möglich mit Altersangaben)?

18. Welche Rechtsgrundlagen regeln den automatischen Datenabgleich von
Jobcentern mit welchen anderen Institutionen?

19. Welches sind die Ziele des automatischen Datenabgleichs, und in welchem
Umfang wurden diese Ziele bislang durch den automatischen Daten-
abgleich erreicht?

20. In welchem Umfang werden automatische Datenabgleiche pro Jahr durch-
geführt und ausgewertet?
In welchem Umfang werden für die Durchführung und Auswertung der Da-
tenabgleiche Verwaltungskapazitäten in Anspruch genommen?
Welcher Finanzaufwand entsteht durch die Durchführung und Auswertung
der automatischen Datenabgleiche?

21. Inwieweit ist es zutreffend, dass nach gängiger Verwaltungspraxis im
SGB II auch Personen regelmäßig im Wege des automatischen Daten-
abgleichs überprüft werden, die mit Leistungsbeziehenden in einer Bedarfs-
gemeinschaft leben, und auf welche Rechtsgrundlagen stützt sich ggf. diese
Praxis?

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22. Inwieweit sieht die Bundesregierung einen Bedarf, automatische Daten-
abgleiche zu erweitern, und welcher zusätzliche Verwaltungsaufwand geht
mit möglichen Erweiterungen – etwa Erweiterung auf Erfassung und Aus-
wertung des Internethandels von SGB-II-Leistungsberechtigten, monatliche
statt vierteljährliche Datenabgleiche, Erweiterung auf Antragstellerinnen
und Antragsteller statt ausschließlich Leistungsberechtigte, Erweiterungen
auf Vermögensanlagen bei Versicherungsunternehmen – jeweils einher?

23. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), wonach zur Kontenabfrage durch
Sozialbehörden nach § 93 Absatz 8 der Abgabenordnung (AO) „routine-
mäßige oder anlasslose Ermittlungen […] im Sozialrecht verfassungsrecht-
lich ebenso wenig zu rechtfertigen [sind] wie im Bereich des Sozialrechts“
(BVerfG vom 13. Juni 2007 – 1 BvR 1550/03 u. a. Rn. 144) in Bezug auf
die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von automatischen Datenabgleichen,
wie sie in § 52 SGB II normiert sind?

24. Welche Konstellationen einer „temporären“ Bedarfsgemeinschaft gibt es,
und welche Regelungen bestehen, um in diesen Fällen die Bedarfsdeckung
aller involvierten betroffenen Personen zu gewährleisten?

25. Wie viele Fälle „temporärer“ Bedarfsgemeinschaft sind seit Inkrafttreten
des SGB II dokumentiert (jährliche Zahlen seit dem Jahr 2005)?

26. Wie häufig waren in den einzelnen Jahren Kinder auf Kosten der Jugend-
hilfe im Heim untergebracht und haben für die Tage, in denen sie zu Besuch
bei den Eltern waren, Leistungen nach dem SGB II erhalten?

27. Wie hoch waren in den einzelnen Jahren die in diesem Zusammenhang er-
brachten jährlichen Leistungen?

28. Wie hat sich der Anteil der temporären Bedarfsgemeinschaften entwickelt,
die aufgrund von Trennungen und/oder Scheidungen entstanden sind?
Wie viele Personen waren davon in den einzelnen Jahren betroffen?

29. Wie viele selbstständig Erwerbstätige beziehen Leistungen nach dem
SGB II (bitte jährliche Angaben seit dem Jahr 2005)?

30. Wie hoch ist die durchschnittliche SGB-II-Leistung pro selbstständig er-
werbstätiger Person (bitte jährliche Angaben seit dem Jahr 2005, wenn
möglich differenziert nach Bedarfsgemeinschaftstyp)?

31. Wie hoch ist die durchschnittliche SGB-II-Leistung pro selbstständig er-
werbstätiger Person (bitte jährliche Angaben seit 2005, wenn möglich dif-
ferenziert nach Bedarfsgemeinschaftstyp)?

32. Wie viele dieser selbstständig erwerbstätigen SGB-II-Leistungsberechtig-
ten wurden durch Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung (insbesondere
Ich-AG und Existenzgründerzuschuss) gefördert?

33. Wie viele selbstständig erwerbstätige SGB-II-Leistungsberechtigte sind im
Jahr vor der Leistungsbeantragung nach Deutschland zugezogen?

34. Wie lange ist die durchschnittliche Verweildauer von selbstständig Erwerbs-
tätigen im SGB-II-Bezug (Bestand und Abgang – wenn möglich, jährliche
Angaben seit dem Jahr 2005)?

35. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass selbstständig Erwerbstätige
ihren SGB-II-Leistungsanspruch durch ihre Erwerbstätigkeit verringern
und damit der Aufforderung des § 1 SGB II („alle Möglichkeiten zur […]
Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen“) nachkommen?

Drucksache 18/1444 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
36. Hält die Bundesregierung eine Begrenzung der Dauer des SGB-II-Leis-
tungsbezugs für selbstständig erwerbstätige Hartz-IV-Beziehende – etwa
zwei Jahre – für verfassungsrechtlich zulässig?

37. Welche Vor- und Nachteile erkennt die Bundesregierung in einer möglichen
Begrenzung der SGB-II-Anspruchsberechtigung für selbstständige SGB-II-
Leistungsberechtigte?

38. Gibt es bei der Bundesregierung Überlegungen, eine eigenständige Defini-
tion des Arbeitnehmer- bzw. Selbstständigenstatus im SGB II einzuführen?

39. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Vorschlag, dass eine Antragstellerin bzw. ein Antragsteller zur Er-
reichung des Arbeitnehmer- bzw. Selbstständigenstatus nachweisen muss,
dass er oder sie in den drei Monaten vor der Antragstellung ein existenz-
sicherndes Erwerbseinkommen erzielt hat?

40. Wie hoch waren die eingesetzten Mittel der Arbeitsförderung, um selbst-
ständige Leistungsberechtigte bei der Existenzgründung und der Erreichung
bedarfsdeckender Einkommen in der Selbstständigkeit zu unterstützen
(bitte jährliche Zahlen seit dem Jahr 2005)?

Berlin, den 15. Mai 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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