BT-Drucksache 18/13437

Praxiskliniken als Möglichkeit einer nahtlosen ambulanten und stationären Behandlung

Vom 25. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13437
18. Wahlperiode 25.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Wöllert, Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Matthias W. Birkwald, Katja Kipping, Kathrin Vogler, Pia Zimmermann und der
Fraktion DIE LINKE.

Praxiskliniken als Möglichkeit einer nahtlosen ambulanten und stationären
Behandlung

Nach § 115 Absatz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)
haben Krankenkassen, Kassenärzteschaft und Krankenhausgesellschaften Ver-
träge zur Förderung „der Behandlung in Einrichtungen, in denen die Versicherten
durch Zusammenarbeit mehrerer Vertragsärzte ambulant und stationär versorgt
werden (Praxiskliniken)“ abzuschließen. Diese sollen „eine nahtlose ambulante
und stationäre Behandlung der Versicherten“ gewährleisten (§ 115 Absatz 1
SGB V).
Versorgungsrelevante Änderungen lassen jedoch weiter auf sich warten. Gravie-
rende Nachteile der Sektorentrennung, auf die an vielen Stellen hingewiesen
wird, bleiben so weiterhin bestehen, etwa „schlecht abgestimmte Versorgungsbe-
reiche und damit unter anderem Doppelstrukturen, Reibungsverluste und unnö-
tige Kosten“ (Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag, Antrag „Wohnor-
tnahe Gesundheitsversorgung durch bedarfsorientierte Planung sichern“, Bundes-
tagsdrucksache 18/4187).
Grund der Verzögerung ist: Praxiskliniken sind „nicht selbst als Vertragspartner
integriert, sondern lediglich Regelungsgegenstand der dreiseitigen Verträge nach
§ 115“ (Ausschussdrucksache 16(14)0462, S. 41).
Abhilfe sollte durch den neuen § 122 SGB V erreicht werden (beschlossen mit
dem im Jahr 2009 in Kraft getretenen Krankenhausfinanzierungsreformgesetz).
Er sieht einen Rahmenvertrag vor zwischen dem Spitzenverband Bund der Kran-
kenkassen (GKV-SV) und der Interessenvertretung der Praxiskliniken über einen
„Katalog von […] stationsersetzenden Behandlungen“ (§ 122 Satz 1 Nummer 1
SGB V) sowie „Maßnahmen zur Sicherung der Qualität“ (§ 122 Satz 1 Num-
mer 2 SGB V). Damit sollten die Hindernisse, die es „den Praxiskliniken – gerade
auch gegenüber den Krankenkassen – [erschweren], eine ihrer Bedeutung im Ver-
sorgungssystem der GKV angemessene Anerkennung zu finden“, beseitigt wer-
den (Bundestagsdrucksache 16/11429, S. 45).
Der Spitzenverband der Praxiskliniken, die Praxisklinikgesellschaft e. V. (PKG)
stellte jedoch im Jahr 2015 fest: „Die in § 115 SGB V geforderten dreiseitigen
Verträge zur Förderung der Praxiskliniken liegen uns aus 7 KV Bezirken vor. Sie
sind im Text identisch und stellen Verträge zu Lasten Dritter dar. Der Praxisklinik
wird darin als an der Vertragsverhandlung nicht beteiligter Einrichtung zur Auf-
lage gemacht, dass sie entweder einen Vertrag nach § 109 SGB V zu schließen

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hat, oder eine Zulassung als Krankenhaus nach § 108 SGB V erhalten muss. An-
träge dazu werden jedoch konsequent abgelehnt“ (Stellungnahme zum Gesetzent-
wurf für das Krankenhausstrukturgesetz, Ausschussdrucksache 18(14)0125(11)).

Wir fragen die Bundesregierung:

Entwicklung seit 1989 und aktuelle Situation
1. Inwiefern stellen Praxiskliniken nach Ansicht der Bundesregierung einen

sinnvollen Weg zur Überwindung der Sektorengrenzen zwischen stationärer
und ambulanter Versorgung dar?

2. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung seit 1989 die Anzahl der
Praxiskliniken entwickelt (bitte nach Jahren und Bundesländern aufschlüs-
seln)?

3. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung seit 1989 die Anzahl der
Betten verändert, die in Praxiskliniken zur Verfügung stehen (bitte nach Jah-
ren und Bundesländern aufschlüsseln)?

4. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung seit 1989 die Anzahl der
kurzstationären Behandlungsfälle in Praxiskliniken entwickelt (bitte privat
und gesetzlich Versicherte getrennt ausweisen)?

5. Welche Kosten sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit 1989 durch
kurzstationäre Behandlungen in Praxiskliniken entstanden (bitte private
Krankenversicherung und GKV getrennt ausweisen)?

6. Besteht nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig für gesetzlich Ver-
sicherte die Möglichkeit oder ein Anspruch darauf, sich unabhängig von der
Krankenkasse und ggf. dem Wohnort oder dem Arbeitgeber/der Betriebs-
krankenkasse bei Bedarf kurzstationär in einer Praxisklinik behandeln zu las-
sen?

Falls ja, auf welcher Basis?
7. Welche Krankenkassen haben nach Kenntnis der Bundesregierung Selektiv-

verträge bzw. Verträge zur Integrierten Versorgung abgeschlossen, auf deren
Basis sich ihre Versicherten bei Bedarf in Praxiskliniken kurzstationär be-
handeln lassen können?
Welche dieser Verträge zielen auf die Behandlung bestimmter Erkrankungen
ab?

8. Auf welcher rechtlichen bzw. vertragsrechtlichen Basis erfolgt nach Kennt-
nis der Bundesregierung die Abrechnung der in Praxiskliniken erbrachten
Leistungen gegenüber der GKV für kurzstationäre Behandlungen?
Inwiefern werden kurzstationäre Leistungen von Praxiskliniken analog zu
anderen Krankenhäusern gemäß des Krankenhausentgeltgesetzes bzw. der
Bundespflegesatzverordnung vergütet?
Inwiefern sind Praxiskliniken nach Ansicht der Bundesregierung als Kran-
kenhäuser nach dem SGB V oder Krankenhausgesetz anzusehen?

9. Inwiefern unterscheiden sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Vergü-
tungsbedingungen zwischen den Bundesländern?

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Handlungsbedarf
10. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Sachstand bei der Erarbei-

tung der Rahmenempfehlungen nach § 115 Absatz 5 SGB V (Rahmenemp-
fehlungen zur Behandlung in Praxiskliniken)?

Welche Gründe gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung dafür?
11. Inwiefern ist es nach Ansicht der Bundesregierung Aufgabe von Aufsichts-

behörden des Bundes, zu intervenieren, wenn die Soll-Vorschrift zur Verein-
barung von Rahmenempfehlungen gemäß § 115 Absatz 5 SGB V nicht um-
gesetzt wird?

12. Liegt nach Rechtsauffassung der Bundesregierung ein Rechtsverstoß vor,
wenn zwischen GKV-SV, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)
und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) ohne weitere Begrün-
dung keine Rahmenempfehlungen nach § 115 Absatz 5 SGB V vereinbart
wurden?

13. Liegt nach Rechtsauffassung der Bundesregierung ein Rechtsverstoß vor,
wenn es in den Bundesländern nicht zum Abschluss der nach § 115 Absatz 1
vorgesehenen dreiseitigen Verträge kommt „mit dem Ziel, […] eine nahtlose
ambulante und stationäre Behandlung […] zu gewährleisten“?
Welche aufsichtsrechtlichen Maßnahmen der Bundesländer sind der Bundes-
regierung bekannt?

14. Ab welcher Frist liegt nach Rechtsauffassung der Bundesregierung ein
Rechtsverstoß vor, wenn die Selbstverwaltungspartner im Bereich der Kran-
kenversicherung eine Muss-Regelung nicht umsetzen, für diese Muss-Rege-
lung aber auch keine Frist gesetzt wurde (wie bspw. in § 115 Absatz 1
SGB V)?

15. Inwiefern besteht nach Ansicht der Bundesregierung gesetzgeberischer oder
sonstiger politischer Handlungsbedarf zur Regelung der Vergütung der sta-
tionären Leistungen von Praxiskliniken?

16. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Sachstand bei der Erarbei-
tung des Rahmenvertrages nach § 122 SGB V (Rahmenvertrag zur Behand-
lung in Praxiskliniken)?

17. In welchen Bezirken der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) gibt es nach
Kenntnis der Bundesregierung Verträge nach § 115 Absatz 1 SGB V zwi-
schen den Landesverbänden der Krankenkassen, der KV sowie den Landes-
krankenhausgesellschaften zur „nahtlose[n] ambulante[n] und stationäre[n]
Behandlung“ in Praxiskliniken (bitte Entwicklung seit 1989 darstellen)?

18. In welchen der bisher bestehenden Verträge nach § 115 Absatz 1 SGB V
wurde es nach Kenntnis der Bundesregierung den Praxiskliniken zur Auflage
gemacht, entweder einen Vertrag nach § 109 SGB V zu schließen oder eine
Zulassung als Krankenhaus nach § 108 SGB V zu beantragen?

19. Inwiefern wären diese Verträge nach Ansicht der Bundesregierung rechts-
konform, wenn sie die Behandlung in Praxiskliniken entgegen § 115 Ab-
satz 2 Nummer 1 SGB V nicht fördern?

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20. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über Versuche von Pra-

xiskliniken vor, die diese im Anschluss an bisherige Verträge nach § 115
Absatz 1 und 2 SGB V ergriffen haben, um entweder einen Vertrag nach
§ 109 SGB V zu schließen oder eine Zulassung als Krankenhaus nach § 108
SGB V zu beantragen?
Zu welchen Ergebnissen führten diese Versuche der Praxiskliniken bzw. der
PKG?
Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung aufgrund dieser Situa-
tion?

21. Inwiefern wäre es nach Ansicht der Bundesregierung möglich und wün-
schenswert, Vertreterinnen und Vertreter von Praxiskliniken bei den Bera-
tungen zu den Verträgen nach § 115 Absatz 1 oder den Rahmenempfehlun-
gen nach § 115 Absatz 5 SGB V zu beteiligen, um zu gewährleisten, dass
ihre Argumente berücksichtigt werden?

22. Wurden nach Ansicht der Bundesregierung die im Jahr 1988 formulierten
Ziele erreicht, mit Praxiskliniken nach § 115 SGB V flächendeckend eine
„nahtlose ambulante und stationäre Behandlung der Versicherten“ zu ermög-
lichen (Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Gesetzentwurf für das Gesund-
heits-Reformgesetz – GRG, Bundestagsdrucksache 11/2237, S. 44) und
„Versicherte, die auch ambulant behandelt werden können“ nicht zwangs-
läufig stationär aufnehmen zu müssen, „sondern an einen geeigneten nieder-
gelassenen Arzt“ verweisen zu können (ebd., S. 201)?

23. Welche Handlungsoptionen sieht die Bundesregierung zur Ausweitung der
Möglichkeit, gesetzlich Versicherte in Praxiskliniken zu behandeln?

24. Welche Möglichkeiten bestehen nach Ansicht der Bundesregierung gemäß
§ 115 oder § 122 SGB V, den Vertragspartnern den Auftrag zur Verhandlung
von Gebührenpositionen für die Behandlung in Praxiskliniken zu erteilen?

25. Welche Möglichkeiten bestehen nach Ansicht der Bundesregierung, in § 115
oder § 122 SGB V die Schiedsstellenfähigkeit aufzunehmen für den Fall,
dass es nicht zu einer Einigung über Einzelheiten der Behandlung in Praxis-
kliniken kommt?

26. Inwiefern werden Praxiskliniken nach Kenntnis der Bundesregierung in der
ambulanten oder der stationären Bedarfsplanung berücksichtigt?

Sieht die Bundesregierung hier politischen Handlungsbedarf?

Berlin, den 25. August 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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