BT-Drucksache 18/13306

Möglicherweise rechtswidrige wiederholte Zuzahlungen für Hilfsmittel

Vom 9. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13306
18. Wahlperiode 09.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Matthias W. Birkwald, Katja Kipping, Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler,
Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Möglicherweise rechtswidrige wiederholte Zuzahlungen für Hilfsmittel

Wird ein nicht zum Verbrauch bestimmtes Hilfsmittel verordnet, fällt die gesetz-
liche Zuzahlung an, deren Höhe zwischen 5 und 10 Euro beträgt.
Die AOK Baden-Württemberg (AOK BW) hat in mindestens einem Fall fünf
Jahre nach der erstmaligen Verordnung eines Rollators im Jahr 2011 im Jahr 2016
erneut eine Zuzahlung eingefordert. Begründet wurde das mit vertraglichen Re-
gelungen zwischen den Sanitätshäusern und der AOK BW. Diese beinhalteten
Fünfjahres-Versorgungspauschalen an die Sanitätshäuser (Schreiben liegt den
Fragestellenden vor). Die „erste Pauschale“ sei 2016 abgelaufen, weshalb „das
Sanitätshaus ein neues Rezept für den vorhandenen Rollator angefordert“ habe.
Die neue ärztliche Verordnung sei „notwendig, damit das Sanitätshaus den nächs-
ten 5-Jahres Zeitraum abrechnen kann. Alle 5 Jahre fällt auch eine neue Zuzah-
lung an. Dies ist vertraglich so geregelt“. Im März 2016 wurde daher der Versi-
cherte durch das Sanitätshaus, welches 2011 den Rollator zur Verfügung gestellt
hatte, aufgefordert, ein neues Rezept beizubringen sowie eine erneute Zuzahlung
zu leisten.
Nachdem alle Widersprüche bei der Krankenkasse erfolglos blieben, reichte der
Versicherte Klage gegen die AOK BW ein (AZ.: S 17 KR 4287/16). Mit Schrei-
ben vom 22. Februar 2017 teilte die AOK mit, dass „sie bereit ist, auf die Zuzah-
lung zu verzichten und auch für weitere Versorgungszeiträume keine Zuzahlung
verlangen wird“. Der Versicherte hat die Klage daraufhin für erledigt erklärt. Aus
diesem Grund gab es keine gerichtliche Klärung des Sachverhalts.
Deshalb stellt sich weiterhin die Frage nach der gesetzlichen Grundlage der For-
derung wiederholter Zuzahlungen bzw. ob und wie derartige Forderungen von
gesetzlichen Krankenkassen künftig unterbunden werden sollen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Hilfsmittel zählen nach Kenntnis der Bundesregierung zu den nicht

zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln?
2. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen zehn

Jahren die verordneten und eingelösten Mengen der einzelnen in Frage 1 er-
fragten Hilfsmittel entwickelt?

3. Wie hoch waren die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
für die in Frage 1 erfragten Hilfsmittel nach Kenntnis der Bundesregierung
jeweils in den vergangenen zehn Jahren?

Drucksache 18/13306 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Gesamthöhe der Zu-
zahlungen entwickelt, die mit den in Frage 1 verbundenen Hilfsmitteln je-
weils verbunden sind (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

5. Wie oft wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen
zehn Jahren Versicherte nach geleisteter erster Zuzahlung zur erneuten Zu-
zahlung für Hilfsmittel nach Frage 1 aufgefordert?

6. Von welchen Krankenkassen sind der Bundesregierung wiederholte Zuzah-
lungsforderungen für Hilfsmittel nach Frage 1 bekannt (bitte auflisten)?

7. Inwiefern sind nach Einschätzung der Bundesregierung mehrmalige Zuzah-
lungsforderungen für die in Frage 1 erfragten Hilfsmittel rechtswidrig?

8. Inwiefern stimmt die Bundesregierung der Aussage der AOK BW zu, eine
neue ärztliche Verordnung sei notwendig, damit das Sanitätshaus den nächs-
ten Fünfjahreszeitraum abrechnen könne?

Auf welcher gesetzlichen Grundlage erfolgt diese Regelung?
9. Inwiefern ist nach Ansicht der Bundesregierung eine gesetzliche Klarstel-

lung notwendig, um mehrfache Zuzahlungsforderungen für nicht zum Ver-
brauch bestimmte Hilfsmittel zu unterbinden?

10. Ist der von der AOK BW angesprochene Vertag, der eine Vergütungspau-
schale für eine fünfjährige Versorgung vorsieht, nach Kenntnis der Bundes-
regierung ein Selektivvertrag?

11. Inwiefern dürfen nach Rechtsauffassung der Bundesregierung in einem Ver-
trag, wie er zwischen der AOK BW und den betreffenden Sanitätshäusern
geschlossen wurde, Pflichten von Ärztinnen und Ärzten (neue Verschrei-
bung alle fünf Jahre) modifiziert werden?
Inwiefern dürfen nach Rechtsauffassung der Bundesregierung in einem sol-
chem Vertrag gesetzlich geregelte Zuzahlungspflichten modifiziert werden?

12. Wie stellen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Pflichten der jeweils
die Rechtsaufsicht führenden Behörde gegenüber derartigen möglicherweise
rechtswidrigen Praktiken dar?

13. Welche Pflichten ergeben sich nach Rechtsauffassung der Bundesregierung
aus dem Verzicht der AOK BW auf die bis dahin geforderten, möglicher-
weise unzulässigen Zuzahlungen für nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfs-
mittel?
Ist die AOK BW verpflichtet, unzulässig geforderte und erhaltene Zuzahlun-
gen von sich aus zurückzuzahlen, und falls ja, wie weit rückwirkend, und in
welcher Weise hat sie dabei proaktiv die Versicherten zu informieren?

14. Was unternimmt die Bundesregierung, um generell die Rückzahlung von
möglicherweise unrechtmäßig erhaltenen Zuzahlungen aller gesetzlich Ver-
sicherten zu erreichen?

15. An welche Fristen sind die Versicherten nach Kenntnis der Bundesregierung
gebunden, wenn sie unrechtmäßig geforderte Zuzahlungen rückerstattet ha-
ben wollen?

Welche Unterlagen sind beizubringen?
Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung dabei noch zu beachten?

16. Welche Folgen ergeben sich nach Rechtsauffassung der Bundesregierung ge-
nerell für die Krankenkassen in der Bundesrepublik Deutschland, sofern sie
wiederholte Zuzahlungen für nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel ge-
fordert haben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13306

17. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über bereits entschiedene Ge-

richtsverfahren gegen wiederholte Zuzahlungen zu einem nicht zum Ver-
brauch bestimmten Hilfsmittel?

18. In welcher Weise ist die Bundesregierung inzwischen tätig geworden, um
derartige Praktiken zu unterbinden?
Sieht die Bundesregierung den Bedarf für eine bundesrechtliche Klarstellung
hinsichtlich der Voraussetzungen für Zuzahlungen?

19. Hat die Bundesregierung das Bundesversicherungsamt (BVA) angehalten,
unrechtmäßiges mehrmaliges Einfordern von Zuzahlungen bei bundesunmit-
telbaren Krankenkassen zu unterbinden?

20. Wird das BVA künftig versuchen, den Umfang von unrechtmäßig ausgestell-
ten Zuzahlungsforderungen zu erfassen, und falls ja, wie?

21. Wird die Bundesregierung auf die Bundesländer zugehen und auf eine strin-
gente Überwachung gegen unrechtmäßige Zuzahlungsforderungen hinwir-
ken?

22. Unter welchen Voraussetzungen haben Krankenkassen nach Rechtsauffas-
sung der Bundesregierung die Möglichkeit, von Versicherten zu verlangen,
dass diese erneut eine Verordnung bzw. ein Rezept für auf Dauer verordnete
und nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel vorlegen?

Berlin, den 8. August 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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