BT-Drucksache 18/13222

Integrationskurse für Geflüchtete mit Sinnesbeeinträchtigung

Vom 27. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13222
18. Wahlperiode 27.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Corinna Rüffer, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln),
Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Renate Künast, Monika Lazar, Özcan Mutlu und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Integrationskurse für Geflüchtete mit Sinnesbeeinträchtigung

Die 2005 eingeführten Integrationskurse sind ein zentrales Element deutscher In-
tegrationspolitik. Sie bestehen aus einem Sprach- und einem Orientierungskurs
und unterstützen Schutzsuchende und andere Einwanderinnen und Einwanderer
dabei, in Deutschland anzukommen. Der Zugang zu den Integrationskursen ist
oftmals jedoch schwierig. Die fragestellende Fraktion fordert, dass Geflüchtete
bereits im laufenden Asylverfahren einen Anspruch auf Teilnahme an den Integ-
rationskursen erhalten, da der Spracherwerb Schlüssel zur Integration in Gesell-
schaft und Arbeitsmarkt ist und daher nicht verzögert werden sollte. Derzeit wird
jedoch nur Geflüchteten mit einer sog. guten Bleibeperspektive während des
Asylverfahrens ein nachrangiger Zugang zu den Integrationskursen eingeräumt.
Dies ist aus Sicht der fragestellenden Fraktion der falsche Ansatz.
Schwierig gestaltet sich der Zugang aber auch für Geflüchtete mit Beeinträchti-
gungen, selbst wenn die Berechtigung zur Teilnahme an einem Integrationskurs
besteht. Gehörlose, hörbeeinträchtigte, blinde oder sehbeeinträchtigte Geflüch-
tete benötigen spezifische Hilfsmittel. Darüber hinaus muss das Lehrpersonal in
der Lage sein, Kurse für diesen Personenkreis anzubieten. Auch wenn laut § 13
Absatz 1 der Integrationskursverordnung (IntV) Integrationskurse für spezielle
Zielgruppen vorgesehen sind, falls ein besonderer Unterricht oder ein erhöhter
Betreuungsaufwand erforderlich ist, warten behinderte Geflüchtete teilweise mo-
natelang auf einen entsprechenden speziellen Kurs. Nach Kenntnis der fragestel-
lenden Fraktion immer wieder auch vergebens, wenn es kein Angebot in ihrer
Region gibt.
Dass die entsprechenden Kurse nicht in ausreichendem Maße und entsprechend
gezielt angeboten werden liegt auch daran, dass besonders schutzbedürftige Per-
sonen und ihre Bedarfe nicht systematisch erfasst werden (vgl. Bundestagsdruck-
sache 18/11603). Dabei sieht dies die Richtlinie 2013/32/EU zu gemeinsamen
Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes
(EU-Verfahrensrichtlinie) sogar vor. Eine Behinderung wird teilweise erst nach
Monaten festgestellt. Häufig sind ehrenamtliche Helferinnen und Helfer die ers-
ten, mit denen gehörlose Geflüchtete überhaupt kommunizieren können, da in den
Unterkünften das Personal nicht gebärdensprachlich kommuniziert und entspre-
chende Dolmetscherinnen bzw. Dolmetscher nicht eingebunden werden.

Drucksache 18/13222 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

Gehörlose und hörbeeinträchtigte Geflüchtete
1. Wie viele Sprachkurse in Deutscher Gebärdensprache (DGS) für Geflüchtete

haben nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2015 und 2016 und
im ersten Halbjahr 2017 stattgefunden (bitte nach Jahren in Verbindung mit
Ort und Anzahl der Teilnehmenden aufschlüsseln)?

2. Wie viele Orientierungskurse in Deutscher Gebärdensprache für gehörlose
und/oder hörbeeinträchtigte Geflüchtete haben nach Kenntnis der Bundesre-
gierung in den Jahren 2015, 2016 und im ersten Halbjahr 2017 stattgefunden
(bitte nach Jahren in Verbindung mit Ort und Anzahl der Teilnehmenden
aufschlüsseln)?

3. Zu wie vielen Integrationskursen in Lautsprache wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung Gebärdensprachdolmetscherinnen oder Gebärdensprach-
dolmetscher hinzugezogen?

4. Wie viele gehörlose oder hörbeeinträchtigte Personen, die eine Teilnahme-
berechtigung für einen entsprechenden Kurs hatten, konnten diesen in den
Jahren 2015, 2016 und im ersten Halbjahr 2017 nach Kenntnis der Bundes-
regierung nicht wahrnehmen, weil keine Kurse in DGS erreichbar waren
(bitte nach Jahren in Verbindung mit Bundesland und Anzahl betroffener
Personen aufschlüsseln)?

5. An welchen Stellen sieht die Bundesregierung Engpässe beim Zugang zu In-
tegrationskursen für gehörlose bzw. hörbeeinträchtigte Geflüchtete?

6. Ist aus Sicht der Bundesregierung sichergestellt, dass Integrationskurse in
Gebärdensprache für gehörlose und/oder hörbeeinträchtigte Geflüchtete flä-
chendeckend angeboten werden?

7. Welche Maßnahmen zur Verbesserung des Kursangebotes für gehörlose
bzw. hörbeeinträchtigte Geflüchtete plant die Bundesregierung?

8. Wie viele und welche Kursträger für die benannten Integrationskurse sind
durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zugelassen
(bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

9. Besteht aus Sicht der Bundesregierung Nachbesserungsbedarf bei den Zulas-
sungsvoraussetzungen zur Anerkennung der Kursträger, um ein ausreichen-
des und flächendeckendes Angebot an Integrationskursen für gehörlose und/
oder hörbeeinträchtigte Personen sicherzustellen?

10. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung als Gebärden-
sprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher für Integrations-
kurse zugelassen (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

11. Wie viele taube Gebärdensprachdolmetschkräfte (Berufsverband der tauben
GebärdensprachdolmetscherInnen e. V., tgsd), die zwischen verschiedenen
Gebärdensprachen dolmetschen können, sind nach Kenntnis der Bundesre-
gierung für Integrationskurse zugelassen (bitte nach Bundesländern auf-
schlüsseln)?

12. Ist es aus Sicht der Bundesregierung sinnvoll, dass zur Sicherstellung des
Angebotes Lehrkräfte der Integrationskurse im Tandem unterrichten, also
hörende und gebärdende Personen?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13222

Blinde und sehbeeinträchtigte Geflüchtete
13. Wie viele Kurse zur Vermittlung der Brailleschrift und anderer Grundlagen

für blinde und/oder sehbeeinträchtigte Geflüchtete aus Regionen, in denen
andere Schriftsysteme gebräuchlich sind, haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung in den Jahren 2015, 2016 und im ersten Halbjahr 2017 stattgefun-
den (bitte nach Jahren in Verbindung mit Ort und Anzahl der Teilnehmenden
aufschlüsseln)?

14. Wie viele Integrationskurse für Geflüchtete haben nach Kenntnis der Bun-
desregierung in den Jahren 2015, 2016 und im ersten Halbjahr 2017 stattge-
funden, bei denen die Lehrmaterialien für blinde und/oder sehbeeinträchtigte
Menschen aufbereitet wurden (bitte nach Jahren in Verbindung mit Ort und
Anzahl der Teilnehmenden aufschlüsseln)?

15. Wie viele blinde bzw. sehbeeinträchtigte Personen, die eine Teilnahmebe-
rechtigung für einen entsprechenden Kurs hatten, konnten diesen nach
Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2015, 2016 und im ersten Halb-
jahr 2017 nicht wahrnehmen (bitte nach Jahren in Verbindung mit Bundes-
land und Anzahl betroffener Personen aufschlüsseln)?

16. An welchen Stellen sieht die Bundesregierung Engpässe beim Zugang zu In-
tegrationskursen für blinde bzw. sehbeeinträchtigte Geflüchtete?

17. Ist es aus Sicht der Bundesregierung sichergestellt, dass Integrationskurse für
blinde bzw. sehbeeinträchtigte Geflüchtete flächendeckend angeboten wer-
den?

18. Welche Maßnahmen zur Verbesserung des Kursangebotes plant die Bundes-
regierung?

19. Wie viele und welche Kursträger für die benannten Integrationskurse sind
durch das BAMF zugelassen (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

20. Besteht aus Sicht der Bundesregierung Nachbesserungsbedarf bei den Zu-
lassungsvoraussetzungen zur Anerkennung der Kursträger, um ein ausrei-
chendes und flächendeckendes Angebot an Integrationskursen für blinde
und/oder sehbeeinträchtigte Geflüchtete sicherzustellen?

Beide Gruppen betreffend
21. Welche Fahrzeiten zur Teilnahme an Integrationskursen in anderen Städten

oder Kommunen sind aus Sicht der Bundesregierung zumutbar?
22. Welche Probleme ergeben sich diesbezüglich aus Sicht der Bundesregierung

aufgrund der Wohnsitzauflage?
23. Ist es aus Sicht der Bundesregierung möglich, im Falle der möglichen Teil-

nahme an einem entsprechenden Integrationskurs in einem weiter entfernten
Ort eine Veränderung in der Wohnortzuweisung zu erreichen?

24. Welche Studien und wissenschaftlichen Erkenntnisse sind der Bundesregie-
rung im Zusammenhang mit dem Gegenstand dieser Kleinen Anfrage be-
kannt?

Berlin, den 27. Juli 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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