BT-Drucksache 18/13219

Zusammenhang möglicher kartellrechtswidriger Absprachen deutscher Automobilhersteller mit Manipulationen an Dieselfahrzeugen

Vom 26. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13219
18. Wahlperiode 26.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Katharina Dröge, Cem Özdemir,
Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel, Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms,
Renate Künast, Kerstin Andreae, Annalena Baerbock, Harald Ebner,
Britta Haßelmann, Bärbel Höhn, Dieter Janecek, Sylvia Kotting-Uhl,
Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Peter Meiwald, Dr. Julia Verlinden
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zusammenhang möglicher kartellrechtswidriger Absprachen deutscher
Automobilhersteller mit Manipulationen an Dieselfahrzeugen

In der Ausgabe Nr. 30 vom 22. Juli 2017 hat das Magazin „DER SPIEGEL“ Aus-
züge aus Dokumenten veröffentlicht, wonach sich die fünf deutschen Automobil-
hersteller Daimler, BMW, Audi, Porsche und Volkswagen bei fahrzeugtechni-
schen Details über Jahre abgesprochen haben sollen. Mehr als 200 Mitarbeiter der
Unternehmen sollen sich in 60 Arbeitsgruppen und in über 1 000 Sitzungen viel-
fach geheim über die Entwicklung ihrer Fahrzeuge, Kosten, Zulieferer und
Märkte ausgetauscht haben. Sie hätten in einem exklusiven Kreis „technische
Standards“ festgelegt und sich abgestimmt, in neuen Fahrzeugen „nur bestimmte
technische Lösungen“ einzusetzen. Betroffen könnten alle Autos sein, die die fünf
großen Automobilhersteller seit den 1990er Jahren verkauft haben – vielleicht
auch schon früher.
Im speziellen Fall scheinen die Absprachen der fünf Automobilhersteller im di-
rekten Zusammenhang zu stehen mit den Dieselbetrugsfällen, also der Existenz
von illegalen Abschalteinrichtungen und den Grenzwertüberschreitungen bei
Stickoxiden. Auf zahllosen Treffen soll es Absprachen gegeben haben über die
maximale Größe von Tanks für AdBlue, das Harnstoffgemisch, mit dem Stick-
oxide in harmlose Bestandteile aufgespalten werden. Die Hersteller verständigten
sich offenbar aus Kosten- und Marketinggründen auf kleine Tanks, die nicht aus-
reichen können, um die Abgase auch bei höheren Fahrleistungen ohne stetige
Wiederbefüllung zu reinigen. Sie schalteten damit den Wettbewerb um eine ef-
fektive Abgasreinigung aus und setzten einvernehmlich auf Diesel als klima-
freundliche Technologie, anstatt andere Antriebsarten weiterzuentwickeln.
Die Enthüllungen treffen die Automobilindustrie Deutschlands in einer sensiblen
Phase, in der sie alle Ressourcen bräuchte, um den internationalen Wettlauf um
umweltfreundliche Antriebsarten zu überleben. Der Imageschaden für den Ruf
Deutschlands als Produktionsstandort ist hingegen monetär kaum abschätzbar.
Auch die Folgen für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen lassen sich
nur schwer berechnen.
Angesichts der Tragweite der oben geschilderten Berichte ist es dringend notwen-
dig, eine Bewertung der Bundesregierung zu erhalten. Relevant ist für den Deut-
schen Bundestag zudem die Frage, welche Informationen die Bundesregierung
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und insbesondere das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie das
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur über die Arbeitskreise
der Automobilwirtschaft und die darin erfolgten Absprachen hatten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Liegen der Bundesregierung, und insbesondere dem Bundesministerium für

Wirtschaft und Energie sowie dem Bundesministerium für Verkehr und di-
gitale Infrastruktur, sowie anderen untergeordneten Behörden als dem Bun-
deskartellamt Informationen darüber vor, dass es eine Arbeitsgruppe der fünf
großen deutschen Automobilhersteller gab/gibt mit dem Titel „AK Diesel-
motoren“?
Falls ja, seit wann liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor?
Wer innerhalb der Bundesregierung hatte Kenntnis hiervon?
Welche Erkenntnis hat die Bundesregierung über die Zahl der Sitzungen und
den Teilnehmerkreis (bitte einzeln auflisten)?
War die Bundesregierung in die Tätigkeit solcher Arbeitsgruppen der fünf
deutschen Hersteller eingebunden?
Wenn ja, in welche und in welcher Weise?
Welche Erkenntnis hat die Bundesregierung bezüglich der konkreten Inhalte
dieser Arbeitsgruppe?

2. Liegen der Bundesregierung, und insbesondere dem Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie sowie dem Bundesministerium für Verkehr und di-
gitale Infrastruktur, sowie anderen untergeordneten Behörden als dem Bun-
deskartellamt Informationen darüber vor, dass die fünf großen deutschen Au-
tomobilkonzerne Daimler, BMW, Audi, Porsche und Volkswagen sich ein-
vernehmlich darauf verständigt haben, auf die Dieseltechnologie als ver-
meintlich klimafreundliche Antriebsart zu setzen, anstatt alternative An-
triebsarten zu entwickeln?

Falls ja, seit wann liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor?
Wer innerhalb der Bundesregierung hatte Kenntnis hiervon?
Welche Erkenntnis hat die Bundesregierung über die Zahl der Sitzungen und
den Teilnehmerkreis (bitte einzeln auflisten)?
War die Bundesregierung in die Tätigkeit solcher Arbeitsgruppen der fünf
deutschen Hersteller eingebunden?
Wenn ja, in welche und in welcher Weise?

3. Liegen der Bundesregierung, und insbesondere dem Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie sowie dem Bundesministerium für Verkehr und di-
gitale Infrastruktur, sowie anderen untergeordneten Behörden als dem Bun-
deskartellamt Informationen darüber vor, dass die fünf großen deutschen Au-
tomobilkonzerne Daimler, BMW, Audi, Porsche und Volkswagen sich auf
eine gemeinsame Tankgröße für AdBlue verständigt hatten?

Falls ja, seit wann liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor?
Wer innerhalb der Bundesregierung hatte Kenntnis hiervon?
Welche Erkenntnis hat die Bundesregierung über die Zahl der Sitzungen und
den Teilnehmerkreis (bitte einzeln auflisten)?
War die Bundesregierung in die Tätigkeit solcher Arbeitsgruppen der fünf
deutschen Hersteller eingebunden?
Wenn ja, in welche und in welcher Weise?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13219
4. Liegen der Bundesregierung, und insbesondere dem Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie sowie dem Bundesministerium für Verkehr und di-
gitale Infrastruktur, sowie anderen untergeordneten Behörden als dem Bun-
deskartellamt Informationen darüber vor, dass die fünf großen deutschen Au-
tomobilkonzerne Daimler, BMW, Audi, Porsche und Volkswagen sich auf
zwei Hersteller für die Produktion ihrer AdBlue-Tanks verständigt hatten?

Falls ja, seit wann liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor?
Wer innerhalb der Bundesregierung hatte Kenntnis hiervon?
Welche Erkenntnis hat die Bundesregierung über die Zahl der Sitzungen und
den Teilnehmerkreis (bitte einzeln auflisten)?
War die Bundesregierung in die Tätigkeit solcher Arbeitsgruppen der fünf
deutschen Hersteller eingebunden?
Wenn ja, in welche und in welcher Weise?

5. Gab es interne Vermerke von Mitarbeitern der Bundesregierung oder unter-
geordneter Behörden (bitte präzisieren), die auf die Auffälligkeit zu geringer
AdBlue-Tankgrößen hingewiesen haben, und welche Inhalte hatten diese ge-
gebenenfalls?

Wurde solchen Hinweisen nachgegangen?
Wenn ja, wie?
Wenn nein, warum nicht?

6. Liegen der Bundesregierung, und insbesondere dem Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie sowie dem Bundesministerium für Verkehr und di-
gitale Infrastruktur, sowie anderen untergeordneten Behörden als dem Bun-
deskartellamt Informationen darüber vor, dass Audi der Europäischen Kom-
mission mitgeteilt hatte, dass es eine Vereinbarung der deutschen Automo-
bilhersteller auf Vorstandsebene über die AdBlue-Tankgrößen gegeben
habe?

Falls ja, seit wann liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor?
Wer innerhalb der Bundesregierung hatte Kenntnis hiervon?

7. Sind bei der Typgenehmigung oder anderen behördlichen Aktivitäten des
Kraftfahrt-Bundesamtes oder anderer Bundesbehörden oder -ministerien je-
mals Verdachtsmomente über illegale Absprachen und/oder Kartellverstöße
der fünf deutschen Hersteller aufgetaucht?

Wenn ja, wann und zu welchen Themen?
Wie ist die Bundesregierung mit diesen Hinweisen umgegangen, und welche
Konsequenzen wurden gezogen?

8. In welcher Weise und wann erstmals hat die Bundesregierung seit Einfüh-
rung der Harnstoffeinspritzung (AdBlue) zur Reduzierung der Stickoxid-
emissionen die Größe der Tanks im Verhältnis zur Kilometerleistung bis zum
Auffüllen überprüft?
Welche Ergebnisse hatten diese Überprüfungen?

9. Ab wann gab es Hinweise, dass die Tanks nicht ausreichend dimensioniert
sein könnten?
Ist die Bundesregierung/das Kraftfahrt-Bundesamt diesen Hinweisen oder
anderen Verdachtsmomenten nachgegangen, die Tanks könnten nicht ausrei-
chend dimensioniert sein?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, bei welchen Herstellern und Typen und mit welchen Ergebnis?

Drucksache 18/13219 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

10. In welcher Weise wird bei der Typgenehmigung die Funktionsweise einer

Abgasreinigung mit AdBlue auch im Hinblick auf die Servicehinweise zum
Nachfüllen von AdBlue überprüft?

Welches Ergebnis hatten diese Tests (bitte einzeln auflisten)?
11. Hat die Bundesregierung/das Kraftfahrt-Bundesamt seit Einführung der Ad-

Blue-Technologie Feldtests zum Harnstoffverbrauch und zur Größe der
Tanks durchgeführt?

Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

12. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus der Mündlichen
Frage 40 des Abgeordneten Oliver Krischer (Plenarprotokoll 18/233, An-
lage 35) nach möglichen Absprachen von Herstellern über zu gering dimen-
sionierte AdBlue-Tanks gezogen?

13. Welches Volumen haben die AdBlue-Tanks von auf dem Markt befindlichen
Fahrzeugen deutscher Hersteller (bitte nach Fahrzeugmodellen getrennt auf-
listen)?

14. Falls sich nun Fahrzeuge mit nach Einschätzung der Bundesregierung zu
klein dimensioniertem AdBlue-Tank in Betrieb befinden, ist dann eine Ver-
besserung der Leistung der Abgasreinigung über ein Software-Update über-
haupt möglich?

Wenn ja, auf welche Weise?
15. Inwieweit hat die Frage zu klein dimensionierter AdBlue-Tanks bei den bis-

her schon angeordneten oder freiwilligen Rückrufen eine Rolle gespielt, und
wie wurde mit diesem Aspekt umgegangen (bitte für alle betroffenen Her-
steller und Fahrzeugmodelle auflisten)?

16. Beinhalten die Rückrufe dementsprechend Änderungen bei den Serviceinter-
vallen zum häufigeren Auffüllen des AdBlue-Tanks?

Wenn nein, warum nicht?
17. Hält die Bundesregierung im Hinblick auf das von ihr auszurichtende „Die-

sel-Forum“ Software-Updates für Euro-5- und Euro-6-Fahrzeuge für ausrei-
chend, um die Stickoxidbelastung von Innenstädten relevant zu reduzieren?
Wenn ja, mit welcher Reduktionsrate rechnet sie im Durchschnitt der Fahr-
zeuge?
Wenn nein, welche weiteren konkreten Nachrüstmaßnahmen wird sie von
der Herstellern verlangen, um welche Emissionsreduktion zu erreichen?

18. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus möglichen Ab-
sprachen der Hersteller, einvernehmlich auf den Diesel als umweltfreundli-
che Technologie zu setzen, anstatt alternative Antriebsarten zu entwickeln,
für die Zukunft der Automobilwirtschaft Deutschlands und insbesondere im
internationalen Wettbewerb um klimafreundliche Mobilität?

Berlin, den 25. Juli 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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