BT-Drucksache 18/13111

Neuverhandlungen von Handelsabkommen mit Afrika

Vom 11. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13111
18. Wahlperiode 11.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Christine Buchholz, Klaus Ernst,
Sevim Dağdelen, Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko,
Susanna Karawanskij, Katrin Kunert, Niema Movassat, Kathrin Vogler und
der Fraktion DIE LINKE.

Neuverhandlungen von Handelsabkommen mit Afrika

Die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA oder englisch EPAs) mit der
Gruppe der Afrikanischen, Karibischen und Pazifischen (AKP-)Staaten stehen
seit Beginn ihrer Verhandlung in der Kritik. Als Umsetzung des Cotonou-Ab-
kommens aus dem Jahr 2000 stellen sie den ehemaligen europäischen Kolonien
wesentlich härtere Bedingungen für die Gewährung von Zollpräferenzen als noch
das Lomé-Abkommen. Mit dem Abschluss der EPAs sollen sich die AKP-Staaten
u. a. zum Abbau von Importzöllen, zum Verbot von Exportsteuern und zur Libe-
ralisierung ihrer öffentlichen Dienstleistungsmärkte verpflichten. Durch den Ab-
bau von Zöllen gehen den betroffenen Staaten lebenswichtige Einnahmen verlo-
ren, die in Bil-dung und Gesundheit fehlen – je nach Land machen die Zollein-
nahmen 10 bis 30 Prozent der Staatseinnahmen aus. Damit werden wichtige ent-
wicklungspolitische Steuerungsinstrumente der AKP-Regierungen zugunsten ei-
nes freien Marktzugangs für europäische Unternehmen preisgegeben. Die Folge
sind nicht selten die Zerstörung von Lebensgrundlagen und gezwungene Wande-
rungsbewegungen. Die EPAs sind Freihandelsabkommen und stellen eine struk-
turelle Fluchtursache dar, die auch durch millionenschwere Entwicklungshilfe-
projekte nicht ausgeglichen werden kann.
Zivilgesellschaftliche Organisationen aus den betroffenen Ländern des Südens,
aber auch aus Europa, haben die Abkommen von Anfang an scharf kritisiert.
Doch deutliche Kritik an den EPAs kommt nicht nur von globalisierungskriti-
schen oder linken Gruppen: Auch in der Regierungsfraktion der SPD sind re-
gelmäßig kritische Töne gegenüber den EPAs zu vernehmen und selbst der Af-
rikabeauftragte des Bundeskanzleramts Günther Nooke äußerte sich im Jahr
2014 wie folgt: „Man sollte mit Wirtschaftsverhandlungen nicht kaputt ma-
chen, was man auf der anderen Seite als Entwicklungsministerium versucht auf-
zubauen“ (www.euractiv.de/section/entwicklungspolitik/news/merkels-afrika-
beautragter-eu-freihandelsabkommen-epa-macht-entwicklungshilfe-zunichte/).
Nun scheint sich auch die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in die Riege der
Kritikerinnen und Kritiker eingereiht zu haben. Auf dem Treffen der Zivilgesell-
schaft im Rahmen des G20-Gipfels in Hamburg (C20) sagte sie auf einer Podi-
umsdiskussion:
„Das muss man ja einfach sehen, und dass natürlich es Handelsverträge mit Af-
rika gibt, die sind nicht richtig und wir werden auf dem EU-Afrika-Gipfel im
Herbst nochmal darüber sprechen, wie müssen wir die neu verhandeln.“

Drucksache 18/13111 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Weiter sagte Sie: „Die für die ärmsten Länder, die sind relativ gut, aber sobald
sich ein Land aus der Armut herausarbeitet, ist es dann ein Land, das in Unge-
rechtigkeiten kommt. Es gibt gar keinen Anreiz, sich aus der Least-Developed-
Country-Gruppe herauszuarbeiten“ (zu sehen unter www.g20.org/Content/DE/
AudioVideo/2017/Video/_streaming/2017-06-19-streaming-merkel-c20-dialog-
forum-DE/2017-06-19-streaming-merkel-c20-dialogforum-DE.html ab 41:55).
Diese Aussagen stehen augenscheinlich im Widerspruch zum Regierungshandeln
der Bundeskanzlerin und zu ihren Forderungen nach noch mehr Freihandel, etwa
im Rahmen der G20.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Handelsabkommen mit Afrika befindet die Bundeskanzlerin genau

für „nicht richtig“?
2. Welche Teile dieser Abkommen sollen nach Ansicht der Bundeskanzlerin

neu verhandelt werden?
3. Welche Stoßrichtung soll eine mögliche Neuverhandlung haben?
4. Mit welchen Ländern bzw. Länderregionen soll neu verhandelt werden?
5. Teilt die Bundeskanzlerin die Kritik, dass die in den Wirtschaftspartner-

schaftsabkommen formulierten Liberalisierungsvorgaben an die afrikani-
schen Staaten für deren wirtschaftliche und soziale Entwicklung kontrapro-
duktiv sind, da sie ihre sich entwickelnden Volkswirtschaften nur noch in
geringem Maße vor Importen aus billiger produzierenden Ländern schützen
können (vgl. etwa www.attac.de/kampagnen/freihandelsfalle-ttip/hintergrund/
epas/)?

6. Teilt die Bundeskanzlerin die Befürchtung, dass die EPAs die Armut in Af-
rika vergrößern werden, da noch mehr Lebens- und Futtermittel aus land-
wirtschaftlicher Überproduktion in der EU dank der Zollliberalisierungen die
lokalen Märkte in Afrika überschwemmen und dort Kleinbäuerinnen und
Kleinbauern die Lebensgrundlage entziehen könnten?

7. Teilt die Bundeskanzlerin in diesem Zusammenhang die Einschätzung, dass
die EPAs eine Fluchtursache darstellen?

8. Teilt die Bundeskanzlerin die Einschätzung, dass die größten Gewinne aus
den Liberalisierungen der EPAs europäischen Konzernen und lokalen Eliten
zugutekommen?

9. Teilt die Bundeskanzlerin die Kritik, dass die Verhandlung der EPAs für die
regionale Integration der afrikanischen Staaten ein Rückschritt war, da der
Kontinent in drei Staatengruppen aufgeteilt wurde, die sich aber nicht mit
den von Afrika selbst gewählten politischen und wirtschaftlichen Zusam-
menschlüssen decken?

10. Erkennt die Bundesregierung an, dass bei der Verhandlung der Wirtschafts-
partnerschaftsabkommen teils erpresserische Methoden angewandt wurden,
wie das im Falle der Zollerhöhungen gegenüber Kenia kritisiert wurde (www.
deutschlandfunk.de/eu-erpressung-beim-handelsabkommen-mit-ostafrika.795.
de.html?dram%3Aarticle_id=322037)?

11. Wird die Bundesregierung bei zukünftigen Abkommen auf EU-Ebene fairere
Verhandlungen gegenüber den afrikanischen Staaten voraussetzen?

12. Welche Lösungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung für das von der
Bundeskanzlerin angesprochene Problem, dass die am wenigsten entwickel-
ten Staaten (LDCs) im Welthandelssystem schlechter gestellt werden, wenn
sie sich positiv entwickeln und den LDC-Status verlieren?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13111

13. Die Bundeskanzlerin lobt, wie oben zitiert, die Regelungen für Least Deve-

loped Countries; sieht sie auch einen Widerspruch darin, dass diese Länder
nun auch Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der EU abschließen und
ihre Märkte öffnen sollen, obwohl sie den zollfreien Marktzugang schon
wegen ihres LDC-Status bekommen?

14. Weshalb kritisiert die Bundeskanzlerin erst am Ende der Legislatur diese
Verhandlungen, obwohl die Kritik bereits seit Jahren von allen Experten öf-
fentlich ist?

15. Wie ist nach Ansicht der Bundesregierung die Forderung von Bundeskanz-
lerin Dr. Angela Merkel nach einem Bekenntnis zum Freihandel mit der ein-
gangs zitierten Kritik an den Handelsverträgen mit Afrika zu vereinbaren?

Berlin, den 10. Juli 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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