BT-Drucksache 18/13022

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/12329, 18/12378, 18/13014 - Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz - UrhWissG)

Vom 28. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13022

18. Wahlperiode 28.06.2017

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie
Hein, Ralph Lenkert, Norbert Müller (Potsdam), Harald Petzold (Havelland),
Katrin Werner, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung

– Drucksachen 18/12329, 18/12378, 18/13014 –

Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an

die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft
(Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz – UrhWissG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die intensive Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke ist für die Zwecke von Bil-
dung und Wissenschaft unverzichtbar. Die bisherigen Schrankenregelungen des Urhe-
berrechts haben sich als für die Erfordernisse von Bibliotheken, Universitäten, Schulen
und weiteren Bildungseinrichtungen nicht geeignet und mit großer Rechtsunsicherheit
behaftet erwiesen, insbesondere in Anbetracht der enormen Veränderungen, die die
Digitalisierung in allen Bereichen der Wissensarbeit mit sich gebracht hat.

Maßstab für eine moderne und angemessene Schrankenregelung sind der Grad, zu dem
für die Zwecke von Bildung und Wissenschaft erforderliche Nutzungen freigegeben
sind, die Praktikabilität und Rechtssicherheit der Vorschriften und die Sicherstellung
einer angemessenen Vergütung für die von der Schranke erfassten Nutzungen.

In diesem Sinne ist das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz als ein wichtiger
und längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung zu betrachten. Insbesondere die
Zusammenfassung bisheriger Schrankenregelungen, der Verzicht auf die Einzelerfas-
sung pauschal erlaubter Nutzungen und der Vorrang gesetzlicher vor vertraglichen Re-
gelungen sind wichtige Fortschritte.

Gleichwohl ist damit noch nicht das Ziel einer allgemeinen Bildungs- und Wissen-
schaftsschranke erreicht, die jegliche erforderliche Nutzung erfasst und damit insbe-
sondere eine technikneutrale und somit zukunftsfeste Regelung darstellen würde. Dies
sollte weiterhin das Ziel bleiben, über eine Nachbesserung des UrhWissG an einzelnen
Punkten hinaus.

Mit Bedauern ist festzustellen, dass in der derzeitigen Debatte einzelne Beiträge in

Drucksache 18/13022 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

erstaunlich heftiger und unsachlicher Form Kritik an der Neuregelung der Schranken
üben und gravierende negative Auswirkungen auf das Geschäftsmodell von Verlagen
prognostizieren, obwohl die dabei angegriffenen Regelungen teilweise seit Jahren Be-
stand haben. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass das UrhWissG einen Inte-
ressensausgleich verfolgt, der allen Beteiligten zu Gute kommen sollte.

Der vorliegende Gesetzentwurf versäumt es, eine gesetzliche Grundlage für das soge-
nannte E-Lending zu schaffen. Der Europäische Gerichtshof hatte mit seiner Entschei-
dung vom 10. November 2016 (Az.: C-174/15) den Weg geebnet, die Ausleihe digita-
ler Medien rechtssicher zu gestalten und eine wichtige Forderung der Enquete-Kom-
mission „Internet und digitale Gesellschaft“ von 2013 endlich umsetzen zu können,
damit öffentliche Bibliotheken ihrem breiten Informations- und Bildungsauftrag auch
im digitalen Zeitalter gerecht werden können. Trotz nachdrücklicher Forderungen von
Seiten der öffentlichen Bibliotheken wie auch der Länder ist diese Chance mit dem
vorliegenden Gesetzentwurf ungenutzt geblieben.

Die im vorliegenden Gesetzentwurf enthaltenen Änderungen des Gesetzes zur Deut-
schen Nationalbibliothek setzen langjährige Forderungen der Deutschen Nationalbib-
liothek wie die Berechtigung zum Web-Harvesting oder die Ermöglichung von Zitati-
onsdatenbanken um und wurden von den Bibliotheksverbänden begrüßt. Auch der
Bundestag unterstützt die in Artikel 2 des Gesetzentwurfs gemachten Änderungen aus-
drücklich, insbesondere da diese dem gesetzlichen Auftrag der deutschen Nationalbib-
liothek, Netzpublikationen zu sammeln, endlich eine urheberrechtliche Grundlage
gibt. Denn der vorliegende Gesetzentwurf des UrhWissG ermöglicht es der Deutschen
Nationalbibliothek, zukünftig ein öffentlich zugängliches Archiv freier Online-Quel-
len anzubieten. Der Entwurf sieht dabei vor, dass in diesem Archiv allein solche Quel-
len gespeichert werden dürfen, deren Zugänglichkeit nicht dauerhaft anderweitig ge-
währleistet ist. Zudem vereinfachen die Änderungen Verfahren und sparen Kosten,
ohne tiefer in die Rechte von Autorinnen, Autoren und Verlagen einzugreifen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. eine weitere Novelle des Urheberrechts vorzulegen, die

a) in Form einer General- bzw. Öffnungsklausel Nutzungen für die Zwecke
von Bildung und Wissenschaft auch über die im Gesetz einzeln aufgeführten
Tatbestände zumindest in ähnlich gelagerten Konstellationen erlaubt,

b) in § 58 die Erlaubnis zur Werbung auf alle in § 2 Absatz 1 genannten Werk-
arten ausweitet,

c) den Begriff der Bildungseinrichtung in § 60a um anerkannte außerschuli-
sche Bildungseinrichtungen, Kultureinrichtungen, die Bildungszwecke ver-
folgen, und Bildungsangebote im Bereich des Straf- und Maßregelvollzugs
ergänzt,

d) die vorgesehenen Schrankenregelungen in § 60a nicht allein auf den engen
Begriff des „Unterrichts“ begrenzt, sondern den Anwendungsbereich der
Schrankenregelung um außerunterrichtliche Angebote der Ganztagsschule
erweitert, die im Gesetzentwurf der Bundesregierung enthaltene Sonderre-
gelung des § 60a Absatz 3 Nummer 2 streicht, nach der die „Vervielfälti-
gung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines Werkes, das aus-
schließlich für den Unterricht an Schulen geeignet“ ist, nicht unter die
Schrankenregelung fällt,

e) den Anwendungsbereich von § 60d (Text und Data Mining) auch auf andere
Zwecke als die wissenschaftliche Forschung ausdehnt und die entspre-
chende Nutzung zumindest für nichtkommerzielle Zwecke vergütungsfrei
stellt,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13022

f) in § 60e Absatz 3 nicht nur die Verbreitung, sondern auch die öffentliche
Zugänglichmachung im Internet gesetzlich lizensiert,

g) die im Rahmen der im UrhWissG enthaltenen Neuregelung des § 60a Ab-
satz 1 und des § 60c Absatz 1 UrhG vorgesehenen Prozentgrenzen der Nut-
zung von veröffentlichten Werken für Unterricht und Lehre bzw. wissen-
schaftlicher Forschung von 15 Prozent auf 25 Prozent erhöht,

h) die in § 60e Absatz 4 UrhWissG geregelten erheblichen Einschränkungen
des erlaubten Vervielfältigungsumfangs an Terminals in den Räumen von
Bibliotheken wieder rückgängig macht und die bisher geltende Norm, wel-
che das Ausdrucken und Abspeichern in gleichem Umfang erlaubt wie bei
den gedruckten Büchern und Zeitschriften (§ 52b UrhG) und durch Urteile
des EuGH und des BGH bestätigt wurde, zukünftig wieder in Kraft setzt,

i) in § 60e Absatz 5 die Beschränkung auf 10 Prozent eines Werkumfangs auf
15 Prozent erhöht, was den bereits jetzt geltenden beiden Gesamtverträgen
zum (inner- und außerbibliothekarischen) Leihverkehr entsprechen würde,

j) in § 60e Absatz 5 den Kopienversand zu gewerblichen Zwecken zukünftig
grundsätzlich erlaubt,

k) in § 60e Absatz 5 klarstellt, dass der Bestand von Bibliotheken auch solche
Werke umfasst, zu denen die Bibliotheken auf Basis von Nutzungsverträgen
mit Rechteinhabern den Nutzerinnen und Nutzern Zugang gewähren,

l) in § 60f Absatz 1 Archive, Einrichtungen im Bereich des Film- oder Toner-
bes sowie öffentlich zugängliche Museen und Bildungseinrichtungen um
Theater in öffentlicher Trägerschaft ergänzt,

m) Museen eine gesetzliche Erlaubnis einräumt, ihre urheberrechtlich geschütz-
ten Bestände über das Internet öffentlich zugänglich zu machen, um dadurch
einer breiten Öffentlichkeit besseren Zugang zu urheberrechtlich geschütz-
ten Kulturgütern im Bestand der Museen zu ermöglichen,

n) in § 60h Absatz 2 ausdrücklich erwähnt, dass eine rein einrichtungsinterne
Übermittlung von im Auftrag hergestellten Kopien aus dem eigenen Bestand
an Angehörige derselben Einrichtung nach § 60e Absatz 5 vergütungsfrei
ist, so wie es die bisher geltende Rechtslage vorsah,

o) eine europarechtskonforme Regelung nach dem Vorbild Portugals enthält,
die den Schutz technischer Maßnahmen nach § 95a (Kopierschutz) auf sol-
che Maßnahmen einschränkt, die keine durch Schrankenregelungen im Ur-
heberrecht erlaubten Nutzungen einschränken,

p) eine technologieoffene Anpassung vornimmt, so dass bei Regelungen zum
Verleih und zur Vervielfältigung auch elektronische Verfahren wie z. B. der
E-Book-Verleih (E-Lending) ein Versand von Kopien per E-Mail sowie das
Kopieren auf USB-Sticks und andere mobile Datenspeicher beinhaltet sind,

q) eine Ausweitung des Zweitveröffentlichungsrechts für Urheber von wissen-
schaftlichen Beiträgen nach § 38 Absatz 4 UrhG enthält, die es ihnen er-
laubt, eine Erstveröffentlichung bereits nach sechs Monaten sowohl in an-
derer Fassung als der akzeptierten Manuskriptversion als auch zur gewerb-
lichen Nutzung öffentlich zugänglich zu machen. Zudem ist die Geltung von
§ 38 Absatz 4 UrhG auch auf solche wissenschaftlichen Beiträge anzuwen-
den, die aus grundfinanzierter Hochschulforschung finanziert wurden,

r) die Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs „angemessene Vergütung“
in § 32 des UrhG durch eine genauere Bestimmung des Begriffs der Ange-
messenheit im Gesetzestext umsetzt, etwa im Wege eines Kriterienkatalogs,

wobei diese Liste nicht abschließend zu verstehen ist und insbesondere im Dialog
mit den Verbänden, die die Interessen der Bibliotheken, Archive, Museen und

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weiterer Kultur-, Bildungs- und Forschungseinrichtungen vertreten, weitere sinn-
volle Detailregelungen zur Erleichterung der Arbeit dieser Institutionen aufzu-
nehmen sind;

2. im Rahmen einer kontinuierlichen Evaluation auch zukünftig sicherzustellen,
dass die durch das UrhWissG zusammengefassten Schrankenregelungen an den
Stand der technischen Entwicklung und die veränderten Nutzungsarten angepasst
werden;

3. in Auswertung der Evaluierung zu prüfen, das UrhWissG stärker aufgaben- statt
institutionsbezogen zu systematisieren und so auch weitere Einrichtungen des
kulturellen Erbes in die Schrankenregelungen einzubeziehen;

4. langfristig die Weiterentwicklung der durch das UrhWissG zusammengefassten
Schrankenregelungen hin zu einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschafts-
schranke im Urheberrecht zu verfolgen, die jegliche zu Zwecken von Bildung und
Wissenschaft erforderlichen Nutzungen erfasst;

5. sollte das UrhWissG nicht vor Oktober 2017 in Kraft treten, darauf hinzuwirken,
dass in Verhandlungen zwischen der Verwertungsgesellschaft WORT, der Kul-
tusministerkonferenz und der Hochschulrektorenkonferenz die dann außer Kraft
tretende Grundsatzvereinbarung zur Vergütung nach § 52a UrhG (alt) bis zum
Inkrafttreten des Gesetzes durch eine praktikable, sich an den Bestimmungen des
UrhWissG orientierende weitere Übergangsregelung zur pauschalen Vergütung
ersetzt wird;

6. Open-Access-Publikationen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die
an öffentlich finanzierten Hochschulen und außeruniversitären Forschungsein-
richtungen tätig sind, stärker zu fördern, besonders die primäre Veröffentlichung
in Open-Access-Medien (sog. Goldener Weg);

7. darauf hinzuwirken, dass bei der Vergabe öffentlicher Fördermittel eine Open-
Access-Veröffentlichung zur Bedingung für die Förderung gemacht werden
kann, und

8. zu prüfen, inwiefern das UrhG so ausgestaltet werden kann, dass analog zu § 4
des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen Publikationen, die von Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftlern, die in öffentlich finanzierten Hochschulen
und Forschungseinrichtungen arbeiten, verfasst wurden, und die entweder aus der
dem Arbeitnehmer obliegenden Tätigkeit entstanden sind oder maßgeblich auf
ihren Erfahrungen oder Arbeiten im Rahmen ihres Dienstverhältnisses beruhen,
sowohl als Manuskript als auch zur Nutzung für Zwecke von Bildung und Wis-
senschaft entgeltfrei und vollständig zur Verfügung gestellt werden können.

Berlin, den 27. Juni 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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